QueridoRafa
Bankspieler
(Keystone/AP Photo)
Wawrinka vom französischen Zauberlehrling überrumpelt
von René Stauffer
So hatte sich das keiner vorgestellt, schon gar nicht nach dem ersten Satz. In diesem hatte Stan Wawrinka den 15 Jahre jüngeren, 15 Zentimeter kleineren und 222 Ränge schlechter klassierten Hugo Gaston (ATP 239) in weniger als einer halben Stunde 6:2 dominiert.
Was folgte, war eine krasse Wende und mündete in eine von Wawrinkas unerwartetsten Niederlagen. 6:2, 3:6, 3:6, 6:4, 0:6 nach 3:10 Stunden – nie zuvor hat der der dreifache Grand-Slam-Sieger an einem dieser Turniere gegen einen so schlecht klassierten Spieler verloren. Und das am Turnier seiner grössten Erfolge.
«Ich verlor gegen einen sehr starken, schnellen und variantenreichen Spieler, der verdient gewann», sagte Wawrinka, der Sieger von 2015. «Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich die Partie aus den Händen gegeben habe. Ich blieb meiner Linie nicht treu, verlor im zweiten Satz meine Aggressivität und spielte zu zögerlich. Und ich machte zu viele Fehler in Momenten, in denen ich den Punkt hätte abschliessen können.»
Der Tag war geprägt von misslichen Bedingungen, Temperaturen um 13 Grad und einem Nieselregen, der auf den Aussenplätzen eine zweieinhalb Stunden dauernde Pause erzwang. Zu diesem Zeitpunkt hatte der nur 1,73 m grosse Stoppball-König Gaston den Respekt vor Wawrinka bereits abgelegt und zeigte, weshalb er als einer der flinksten und kreativsten Spieler Frankreichs gilt. Da stand es 2:2 im 3. Satz.
Der Linkshänder aus Toulouse, der letzte Franzose im Turnier, zwang Wawrinka in der Fortsetzung mit seiner starken Defensive, seiner Nonchalance und seinem Variantenreichtum immer wieder zu Fehlern. Der Lausanner, der seine neunten Achtelfinals in Roland Garros anstrebte, kämpfte verbissen und rettete sich in den fünften Satz. In diesem fiel er aber rasch zurück gegen die bisherige Turnierentdeckung, die über sich hinaus wuchs und die Coolness erst nach dem Sieg ablegte, als einige Tränen flossen.
Brisanterweise hatte Wawrinka erwartet, dass die langsamen Bedingungen in Paris für ihn ein Vorteil sein würden. Gegen Gaston waren sie aber so langsam, dass es sogar ihm schwer fiel, Winner zu schlagen. Das führte dazu, dass er immer höhere Risiken einging, die Fehlerquote stieg und sich Gaston je länger desto wohler fühlte.
Der Südfranzose, der auf der höchsten Profistufe vor Paris noch sieglos war, als Junior aber zu den besten der Welt gehörte, ist der am tiefsten klassierte Achtelfinalist in Paris seit 18 Jahren. Er trifft nun auf US-Open-Sieger Dominic Thiem, der seine dritte Partie erneut ohne Satzverlust und schon früh am Nachmittag unter dem geschlossenen Dach des Centre Courts gewonnen hatte.