QueridoRafa
Bankspieler
Wie @Hans Meyer richtig geschrieben hat, war es wieder einmal eine unnötige Niederlage von Stan Wawrinka. Gegen Alex Molcan hatte er endlich die Chance, den ersten Sieg an einem GS seit zwei Jahren zu feiern. Als er sich im vierten Satz bei 5:4 nach dem Seitenwechsel erhob und aufmachte, zum Matchgewinn aufzuschlagen, tobte das australische Publikum, das den Kämpfer in sein Herz geschlossen hatte.
Doch es sollte nicht sein. Er dachte zu weit voraus, konnte es wohl kaum erwarten, diesen Triumph nach all dem Leiden und all den Niederlagen zu feiern – und gab das Match noch aus der Hand. Mit vier einfachen Fehlern liess er ein Break zu, er verlor den vierten Satz im Tiebreak und den fünften gegen einen nun entfesselten Gegner. Nach 4 Stunden und 22 Minuten und einem 7:6, 3:6, 6:1, 6:7, 4:6 schüttelte er dem zwölf Jahre jüngeren Molcan die Hand. Verschwitzt und bitter enttäuscht.
"Ich bin frustriert und deprimiert. Ich bereue einiges. Vor allem, dass ich diese Vorhandbälle verschlage, die ich nie verschlagen darf, als ich zum Match serviere. Ein Sieg hätte mir geholfen, meine Saison zu lancieren. Er hätte mir sehr gutgetan, hätte mir Selbstvertrauen gegeben. Leider hat es nicht geklappt. Voilà. Jetzt muss ich weitermachen."
Die grosse Kunst in diesem Sport der Niederlagen ist es, trotzdem das Positive herauszuziehen und sogleich wieder nach vorne zu blicken. Wawrinka versuchte das schon kurze Zeit nach dem Spiel. Er sagte: "Seit ich nach Australien gekommen bin, fühle ich mich gut. Ich treffe den Ball gut, habe sehr gute Spiele gezeigt in Brisbane und spiele sehr gut im Training. Ich bin weiter überzeugt von meinem Niveau. Und dass ich in diesem Jahr noch schöne Dinge erreichen werde."
Und jetzt, wie geht es für ihn weiter? "Zuerst einmal muss ich diese Niederlage verdauen», sagte er. Dann wird er Severin Lüthi anrufen und ihn fragen, ob er ihn brauchen könne bei der Davis-Cup-Qualifikationsbegegnung gegen Deutschland am 3. und 4. Februar in Trier. Die Schweizer müssten zwei Runden überstehen, um am Finalturnier in Málaga vom 21. bis 26. November dabei zu sein. Am United Cup in Brisbane war Wawrinka der Schweizer Captain und die jüngere Garde voll des Lobes für ihn.
Der Romand muss nun stark sein. Nicht aufzustecken war ja schon immer seine grosse Stärke. Und wenn er gerade am Verzweifeln ist, kann er seinen linken Unterarm anschauen, auf den er sich 2013 das Zitat des irischen Schriftstellers Samuel Beckett tätowieren liess: «Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuch es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser."
(Quelle: tagesanzeiger.ch / Simon Graf)