@Sanderson
Hier geht es nicht so sehr um diese eine Analyse die hier gepostet wurde. Es sind viel mehr die ganzen Puzzleteile (Die reports und news in der Zeit von der Filmankündigung bis heute) die sich über die letzten 12-18 Monate angesammelt haben.
Bevor ich da näher drauf eingehen möchte erstmal was grundsätzliches. Mir ist durchaus bewusst, dass das Wort reshoots ein relativ negativ belasteter Begriff ist, weil viele Leute einfach nicht wissen wie man Filme dreht. Filme sind im Dauerentwicklungszustand und selbst Tage und Stunden vor der offiziellen "Abgabe" können und werden Dinge noch geändert. Bevor es zu einem Final Cut kommt, gibt es noch 100 weitere Cuts. Und selbst verständlich dreht man mehr und verschieden um mehr Material zu haben. Das macht mal als Regisseur. Ein guter und präziser Regisseur braucht dementsprechend weniger Cuts und Takes.
Nun zu der Situation von Rogue One. 4 Wochen Reshoots ist ne verdammt lange Zeit. In 4 Wochen kann man eine Menge an Film drehen, besonders da man bei Reshoots bereits weiß was man braucht zum Flicken und da nicht all zu viel ausprobiert wird. Daher sind reshoots szenen qualitativ und schauspielerisch nicht immer auf dem aller höchsten Stand. 4 Wochen deutet auch daraufhin das sehr viele Szenen und Settings getweakt werden müssen. Entsprechend die damaligen Meldungen, dass Edwards und Gilroy sogar second unit kram machen müssen, damit das in den 4 Wochen hinhaut.
Kommen wir zur Drehbuch timeline. Die Grundidee der Geschichte stammt von John Knoll, aber da dieser keinerlei Autorenerfahrung hat, ist das ganze dann irgendwie bei Gary Whitta gelandet. Dieser hat das dann in ein erstes Script verwandelt. Als es aber dann Richtung Produktion ging, hat man Chris Weitz engagiert, der dieses Script begleiten und während der Produktion gegebenenfalls umschreiben sollte. Kurz vor der Star Wars Celebration im April kam dann der erste Teaser raus. Da Trailer in der Regel von speziellen Trailer Produktionsfirmen geschnitten wird, haben die ihr Filmmaterial wahrscheinlich so Mitte März erhalten. Dieses Filmmaterial ist oftmals ein sehr großer Auszug aus dem First cut. Manchmal mit und manchmal ohne Spezialeffekte, aber in der Regel haben diese Firmen recht viel Material zur Auswahl um einen Trailer zu schneiden. In der Regel wird vorher aussortiert und gefiltert was ein großer Spoiler sein könnte, aber oftmals wird da nicht all zu großen Wert drauf gelegt. Kurz nach/während der Star Wars Celebration sind reports erschienen, dass reshoots anstehen und das Tony Gilroy engagiert wurde um das Script nochmal zu bearbeiten und neue Szenen für reshoots zu schreiben und zu filmen. Hierzu sollte man wissen, sowas passiert bei so gut wie jedem Studiofilm. Ein Script geht durch so viele Hände (und das nicht mal chronologisch. Scripts befinden sich oft in mehreren Händen gleichzeitig an anderen Orten) und der allgemeine Zuschauer kriegt das nicht mit das sehr viele Leute daran mitschreiben, aber nur ein Teil seinen Namen unters Script setzen darf. Was bemerkenswert hier ist, ist das Gilroy offiziell engagiert wurde für reshoots. Das ganze wird umso bemerkenswerter, weil sie seine Rolle im Verlauf der Produktion NOCHMAL erweitert haben. Die Kosten für Gilroy sind damit von ca 200/250k auf 5 Millionen gestiegen. Gleichzeitig hat man Gilroy dieselbe Entscheidungskraft gegeben wie auch Edwards. Das ganze hat aber jetzt nichts mit Machtverlust von Edwards zu tun. Die Beiden haben bereits an Godzilla zusammengearbeitet.
So für mich spielt also nicht die Tatsache, dass es überhaupt reshoots gab, eine Rolle. Es ist, dass mit Edwards, Weitz und Gilroy bereits 3 erfahrene Regisseure/Autoren/Produzenten am Film arbeiten. Das bedeutet für mich, dass diese bereits sehr präzise mit Budget arbeiten können und es nicht dasselbe ist als wenn nur ein Autor die rewrites macht ("Lass uns diese Szene doch mal komplett umschreiben auch wenn wir nicht die Zeit haben, was am Setting zu ändern"). Dementsprechend pragmatisch werden die rewrites sein.
Jetzt zur Frage wieso überhaupt das ganze? Anscheinend hat Disney/Kennedy was gesehen, was sie nicht mochten. Im Februar (2 Monate vor der Celebration) wurde ja bereits selbst bewusst angekündigt, dass der Film ja praktisch schon fertig ist. Meine Vermutung sind das die Testscreenings nicht so verlaufen sind wie erhofft. Vor allem was die Charaktere anging. Das wurde in einigen Berichten bereits angedeutet und gibt der Vergleich Trailer/Film sehr gut her. Die Trailer produktionsfirma hat quasi kein neues Promomaterial erhalten und Disney hatte kein Problem damit, dass 50% des Materials nicht im Film auftaucht. Es ist nichts ungewöhnliches, wenn Promo- und Filmmaterial nicht übereinstimmt, aber die Vielzahl an Szenen macht das ganze sehr ungewöhnlich.
Desweiteren ist ungewöhnlich, dass der beworbene Charakter von Jyn Erso sehr anders ist als was die Trailer suggerieren. Ihre rebellische Ader wurde fast vollständig aus dem Film genommen. Man sieht nur noch Teile davon in den Dialogen mit K2-SO. Als ich den Film ein zweites mal gesehen hab, ist mir aufgefallen, dass sie im 1. und 2. Akt kaum, quasi gar nichts sagt. Ich hab mir keine Notizen gemacht, aber gefühlt kriegt sie keine halbe Seite an Dialogen zusammen. Das ist ebenfalls sehr ungewöhnlich. Es wird für mich umso ungewöhnlicher wenn ich an die Szenen denke, in denen sie was sagt. Die Szene mit Saw Gerrera die ja die persönliche Verbindung herstellen soll, fühlt sich nicht komplett an. Sie macht genau das falsch was die Prequels falsch gemacht haben ("telling but not showing"; "We're such good friends obi wan. - I know Ani"). Aus einigen Reports weiß ich, dass die Saw Szenen auch Teil der reshoot szenen waren und das viel mehr gedreht wurde zwischen Jyn und Saw. Auch Actionszenen außerhalb der Höhle. Dies kann man im Celebration Reel sehen.
Naja ich hab meinen roten Faden verloren, darum fasse ich mal kurz zusammen was ich eigentlich sagen wollte.
Die Geschichte ist für mich schlecht geschrieben und das kann man mMn an den Charakteren sehen. Der Vergleich mit den Trailer, dem Behind the Scenes kram und dem tatsächlichen Film zeigt, dass ganze Charaktere umgeschrieben wurden. Darunter leiden Jyn, Crennic und eigentlich jeder andere Charakter auch. Ich weiß nicht ob ich diese Diskussion hier im Forum hatte oder woanders, aber es gibt mehrere Arten von Dialogen. Es gibt unter anderem Charakterdefinierende Dialoge/Szenen, die sich darauf konzentrieren einen Charakter zu entfalten oder ihm eine weitere Facette geben. Und dann gibt es auch Dialoge/Szenen die einen Plot vorantreiben wollen. Davon hat Rogue one eine Menge. Man mag es kaum glauben wie oft und über den ganzen Film hinweg erwähnt wird, dass man die Pläne braucht und die Waffe zerstören will.
Ich hatte kein Problem damit, dass sie alle sterben, aber ich hab ein Problem damit, wenn die Charaktere es sich nicht verdient hatten. Das emotionale Gewicht mancher Szenen war einfach nicht da (Ein paar Beispiele: Crennic vs. Jyn showdown; Cassian's change of mind; Death of Baze; etc. Ich könnte da generell so viel schreiben).
Nehmen wir mal eines meiner Beispiele:
Cassian's change of mind
Cassians character arc ist eigentlich das Paradebeispiel für das für das der film stehen sollte. Ein Kriegsfilm, der uns zeigt, dass nicht alles gut und böse ist, schwarz und weiß, sondern krieg ist dreckig, krieg ist schmutzig, krieg ist grau. Cassian ist der Spion, der schon seit er 6 ist zwischen gut und böse wandert und so langsam seinen moralischen Kompass verliert. Seine Arc ist, dass er diesen aufgrund eines persönlichen Bezuges wieder gewinnt. Dies kann für seinen Charakter verschieden enden je nachdem wie der weitere Verlauf der Geschichte ist (beispiele: er entscheidet sich aufzuhören; er entscheidet sich dafür "das richtige" zu tun; Er tut Dinge für eine Person und weniger für eine Sache). Eine ähnliche Arc ist häufig in James Bond Filmen zu finden. Diese Arc wird jedoch an mehreren Stellen aufgeweicht. Zum Einen seine Einführungsszene wo er nach der Ermordung seines Informanten bereits Gewissensbisse hat und zum anderen die Szene wo er Galen Erso ermorden sollte. Der Charakter wird bereits mit Zweifeln eingeführt, was bereits keinen starken Wandel dann zulässt und endet seine Transformation (kein Attentäter sein) nahezu unbegründet. Jedoch zwischen diesen Szenen versucht der Charakter und der Film uns weiterhin weiß zu machen, dass er ein erfahrener, (knallharter) Spion ist. Dies sagt er uns selbst, aber versucht uns der Film auch zu übermitteln (keine Zweifelszene als er den Tötungsbefehl bekommt, Irruts Frage ob er wie ein Killer aussieht). Gleichzeitig suggeriert uns der Film das Jyn der Trigger für seinen Sinneswandel ist (Ihre persönliche Verbindung zum Zielobjekt; seine wachsende "Zuneigung" zu ihr im späteren Verlauf). Jedoch gibt uns der Film keine Szenen dafür. Zwischen Diesen beiden Ereignissen ist Jyn nicht mehr als eine Mission. Der Schlüssel zu Saw im ersten Abschnitt und die "Nachricht" im zweiten Abschnitt. Als knallharter Spion, der zwischen diesen Szenen keine Zweifel aufkommen lässt, dass er für diese Mission geeignet ist, gibt es eigentlich keinen Anlass für ihn nicht auf Galen zu schießen. Meine Erinnerung sagt mir, dass er erst zögert und dann Jyn auf der Plattform entdeckt. Sollte es umgekehrt sein, dann ist Jyn sehr offensichtlich der Auslöser für seinen Sinneswandel, aber wie ich bereits sagte, der Film hat sich noch keine Beziehung zwischen den Beiden verdient. Sie sind etwas geflogen und in der Stadt rumgelaufen. Dementsprechend gibts keine nähere oder emotionale Beziehung zwischen den beiden. Die Vollendung oder Feinschliff seiner Transformation liegt in der letzten großen Ansprache die er hält. Diese hat den Zweck zu erklären, warum er weiterhin an der Mission beteiligt sein möchte. Sie greift zwar alle Aspekte wieder auf (Grenzen zwischen gut und böse überschritten; persönliche Verbindung zwischen Cassian und Jyn[non-verbal], aber die ultimative Begründung für seine weitere Motivation hat kaum noch was mit der bisher erzählten Arc zu tun, sondern ist auf "Egoismus" und Selbstbestätigung begründet. (Seine bisherigen Taten dürfen nicht umsonst sein). Man kann den Charakter jetzt komplex nennen, aber bei einem komplexen Charakter passen diese Puzzleteile besser zusammen bzw. nimmt man sich die Zeit und Szenen diese besser zusammen zusetzen. Da er jedoch kein Hauptcharakter ist und dementsprechend nicht die Zeit da ist, dies zu tun, hätte man ihn kompakter schreiben müssen. Für mich ist er nur ne Ansammlung an typischen Motivationen für seinen Charakterarchetypen und darum zerbricht seine Charakterlogik für mich. Dem ganzen die Krone aufsetzen tun, ist das Beziehung zwischen Jyn und ihm dann auch vollendet wird...auch ohne jegliche Basis (in dem Fall Chemie). Apropros Jyn, die ist auch nicht zu Ende geschrieben worden und hat ähnliche Lücken zwischen ihren Szenen.