Dann nenn mir doch mal positive Entwicklungen oder eine auf das Spiel übertragene Handschrift und ein Konzept das auch nur ansatzweise funktioniert unter Kohfeldt seit sagen wir ruhig mal April 2019.
Es steht doch völlig außer Frage, dass das vergangene Jahr eine Katastrophe war. Und alle Verantwortlichen riesige Fehler gemacht haben. Dazu gehört auch Kohfeldt. Definitiv. Kohfeldt hat den Karren in den vergangenen Wochen aber auch wieder aus dem Dreck gezogen. Wie gesagt: Werder war auch hier in den vergangenen Wochen und Monaten zigmal bereits abgestiegen. Nach dem Re-Start ist die Bilanz völlig in Ordnung, Werder hat jedes Do-or-die-Spiel erfolgreich bestritten (klammert man Mainz aus), teilweise natürlich auch die nötige glückliche Schützenhilfe bekommen, und bei jeder berechtigten Kritik an Kohfeldt finde ich es wirklich albern, wenn es dann trotzdem heißt, dass Kohfeldt die Mannschaft nicht mehr hinter sich hat bzw. das jetzt nur funktioniert hat, weil die Spieler mal in der Corona-Pause abschalten und sich sammeln konnten. Das hat doch nichts mit einer objektiven Betrachtung zu tun.
Und eben deshalb bin ich auch nicht der Ansicht, dass Kohfeldt komplett festgefahren in seinen Ansichten ist, nicht kritikfähig ist. Kohfeldt ist noch immer ein junger Trainer, der Fehler macht. Aber ich habe schon das Gefühl, dass er das vernünftig reflektiert - erst recht, nachdem man gestern die Interviews nach dem Spiel gehört hat. Der Typ hat eine extrem heftige Verbindung zu Werder, die schimmerte da auch nochmal deutlich durch, natürlich macht der sich unzählige Gedanken. Weder war Kohfeldt bis zur vergangenen Saison der kommende Welttrainer noch ist Kohfeldt jetzt nicht mehr in der Lage, eine Kreisliga-Mannschaft vernünftig einzustellen. Etwas weniger Extreme täten manchmal gut.
Als in den letzten Wochen die meisten Spieler wieder fit waren, da hat man gelegentlich sehen können, was eigentlich der Gedanke und Plan in dieser Saison gewesen ist. Das sah dann auch immer mal wieder richtig gut aus und es schimmerte durch, dass diese Mannschaft vom Potential natürlich nicht fast absteigen muss (oder darf!). Unzweifelhaft ist aber auch, dass es bisweilen grob fahrlässig war, im Transferfenster so zu handeln, wie gehandelt worden ist. Das muss intensiv in der Saisonanalyse angesprochen werden, ich bin mir aber absolut sicher, dass Kohfeldt das durchaus sieht.
Ich habe mich auch phasenweise in dieser Saison gefragt, ob das alles noch Sinn macht mit Kohfeldt oder ob man nicht doch mit ihm auch im schlimmsten Fall in die 2. Liga gehen sollte. Ich war hin und hergerissen, was ungewöhnlich ist, denn ich halte Kohfeldt für eine hochintelligente Person und weiterhin für einen guten Trainer. Ich habe aber schlichtweg keine Lösung gesehen, von der ich der Meinung bin, die macht es auch in mittelfristiger Sicht besser. Bei Kohfeldt halte ich dagegen eine gewisse Kontinuität für möglich. Dementsprechend bin ich inzwischen schon fest der Meinung, dass er auch weitermachen soll. Ich bin mir aber nicht sicher, dass er es auch tun wird. Da ließen die Interviews gestern auch noch gewissen Raum für Spekulationen.
Offenbar fordert Kohfeldt jetzt Änderungen im Trainerteam, gerade in puncto Fitnessbereich und Athletiktraining. Und aus der Ferne betrachtet sind das auch Sachen, die auf die Agenda kommen müssen. Genau wie Ilia Gruev, der ja nach außen hin auch klar dafür geholt wurde, dass er als "Standardtrainer" fungieren soll. Das mutet komplett grotesk an, wenn man sich reinzieht, wie dermaßen beschissen Werder in dieser Saison sowohl offensiv als auch defensiv bei Standards gewesen ist.
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Nochmal zu den paar angesprochenen Personalien und der Aufstellung. Ich bin nun wirklich nicht der größte Sargent-Fan, aber ich konnte die Aufstellung dann schon nachvollziehen. Füllkrug war monatelang verletzt, der kann nicht plötzlich 90 Minuten gehen. Ich fand es sinnig, ihn als Option von der Bank zu haben, wenn es im zweiten Durchgang wirklich eng wird. Ja, Sargent ist noch sehr roh, aber wenn er nach seinem tollen Solo nicht an Müller scheitert, dann ist er gestern plötzlich der gefeierte Held. Da hat sich aber natürlich das auch hier bereits angesprochene größte Problem gezeigt: Er ist einfach nicht sehr torgefährlich.
Friedl habe ich auch immer sehr kritisch gesehen. Aber dass der seit dem Re-Start sich ordentlich gesteigert hat, das ist doch nicht von der Hand zu weisen. Selbst als Linksverteidiger waren da einige gute Spiele dabei, so dass plötzlich nicht mehr Augustinsson erste Wahl war (der aber unzweifelhaft der bessere LV ist). Das Hinspiel gegen Heidenheim war dann richtig schlecht von Friedl, aber gestern hat man dann schon auch gesehen, dass er eben in erster Linie Innenverteidiger ist. Das war gestern doch wirklich ganz gut und sicher.