Es hat ein paar Duelle gegeben, die nächsten größeren Duelle stehen an (Wilder-Povetkin, Parker-Takam, Klitschko-Fury-Rückkampf), Hier nach längerer Zeit ein aktualisierter Stand:
1. Fury (+4) Mit einer taktischen, keineswegs boxerischen Meisterleistung hat Fury den Mann besiegt, denn es zu schlagen galt. Chapeau. Ich sah ihn boxerisch überfordert gegen Wladimir Klitschko, dem war nicht so. Es reichten letztlich einfache Mittel und den dämlich agierenden Klitschko mit ganz wenigen boxerischen Elementen zu schlagen. Wenn er jetzt noch lernen würde, einfach mal die Fresse zu halten, dass unkontrollierte Fressen zwischen den Kämpfen zu lassen und an der ausbaufähigen Workrate zu arbeiten, dann könnte es zu einer längeren Regentschaft reichen. Den Rückkampf dürfte er ebenso gewinnen wie den Hinkampf, da Klitschko sich mental und taktisch nicht verbessern dürfte.
2. Klitschko (-1) - Ein Hall-of-Famer. vielleicht sogar ein ATG - der mit einfachen, aber sehr cleveren Mitteln und ganz viel eigener Dämlichkeit und Angst die Titel verloren hat. Recht so. Das Maß der Selbstperversion von einem sehr ansehnlichen Offensivboxer zu einem Meister des ungeahndeten Fouls zur Vermeidung nicht existenter Gefahr durch mediocre Gegner hat ihn so derart selbst limitiert, dass ein nicht dem üblichen Beuteschema entsprechender Gegner ihn vor unlösbare Probleme stellt. Klitschko müsste im Rückkampf bereit sein, ein Risiko einzugehen, indem er versucht in die Halbdistanz zu kommen und die Fäuste fliegen zu lassen. Weil die große Gefahr besteht, sich dabei derbe Konter einzufangen, wird er dazu mental nicht in der Lage sein. Ebenso wenig wird er aus dem Kaninchen-Schlange-Problem rauskommen. Angst fressen Seele auf, d.h. es wird keine Variationen geben, es wird keine annehmbare Workrate geben, es wird immer noch keinen Killerinstinkt geben und Fury hat den Kampf mental schon vor dem ersten Gong im Griff. Rente in Sicht. Gut so.
3. Povetkin (-1) - Povetkin hat seit der desaströsen Niederlage gegen Wladimir Klitschko erkennbar mit mehr Ernsthaftigkeit trainiert. Boxerisch bleibt es durchwachsen, was gerade auch der Kampf gegen Carlos Takam gezeigt hat. Gegen den phlegmatischen und konditionsarmen Wach gab es einen überzeugenden Sieg, trotzdem bleiben Zweifel an seiner Entwicklung. Der Kampf gegen Wilder kommt nun endlich und in diesem wird sich zeigen, ob Povetkin wirklich etwas dazu gelernt hat. Technisch steht er über Wilder, hat aber beim Punch und den Körpermaßen klare Nachteile. Wilders maue Deckung sollte die Möglichkeiten eröffnen, die Artur Szpilka bereits mehr als verdeutlicht hat. Es hängt davon ab, ob Povetkin taktisch diszipliniert aus einer sicheren Defensive agiert und mehr zu bieten hat als planloses Anstürmen.
4. Wilder (-1) - Es ist völlig egal ob man nun bei Wilder selbst oder bei Haymon die Schuld sucht, beide sind fragwürdige Figuren. Große Gegner fordern, irgendwelche Graupen oder (Never-)hasbeens wegklatschen und sich bereits gegen schwächere Contender schwer tun - Ganz großes Kino. Gegen Artur Szpilka, einem Boxer der vierten Reihe, sah Wilder bis zum KO nicht gut aus. Es bleibt ein überdurchschnittliches taktisches Verständnis und der wirklich hervorragende Punch. Das würde gegen den Povetkin aus dem Klitschko-Kampf reichen, daher entscheidet sich der Kampf daran, ob Povetkin mehr in den Ring mitbringt. Nach den letzten Eindrücken könnte das der Fall sein.
5. Joshua (+4) Technisch solide, körperlich hat er die richtigen Parameter. Mit Airich und Bakhtov, Sprott, Johnson namhafte Leute weggehauen. Technisch und taktisch ist noch viel Luft nach oben, aber die Ansätze stimmen. Wahrscheinlich der kommende Mann. Einen WM-Titel hat er bereits gegen den völlig überforderten Zufalls-WM Martin abgreifen können. Als nächstes wohl gegen den Sieger aus Pulev/Parker vs. Takam. Das wird dann eine Standortbestimmung.
6. Ortiz (+9) - Er ist eigentlich schon zu alt für einen Prospect, gestofft hat er auch schon, aber er wusste zuletzt zu überzeugen. Erst Jennings dann Thompson weggehauen. Er ist am Ehesten ein Old School-Boxer mit Punch und das macht ihn im derzeitigen, erratischen Schwergewicht zu einem Top10-Boxer mit Potenzial.
7. Pulev (-3) - Typ ehrlicher Handwerker mit einigen Schwächen. Nach der klaren Niederlage gegen Wladimir konnte er gegen den Veteran George Arias überhaupt nicht überzeugen. Gegen Chisora boxte er phasenweise gut, phasenweise taktisch dämlich. Das lässt wenig Hoffnung für höhere Weihen trotz des Sieges, weil er auch defensiv ungemein schwach ist. Die Idee, den Trainer zu wechseln, kann ich nicht nachvollziehen. Wegner hat ihn keinen Deut weiter gebracht.
8. Takam (-2) - Solider Mann mit guter Workrate, dem es aber an der letzten Konsequenz für ganz oben fehlt. Gerade gegen Povetkin hat er es taktisch lange Zeit geschickt gemacht, am Ende fehlten die Kondition und die Ringintelligenz. Nun gegen Parker und damit gegen einen Prospekt, dem man höhere Weihen zuschreibt.
9. Parker (neu) - Parker ist noch relativ jung. Er boxt gegen den üblichen Mix aus Laufkundschaft und (Never-)hasbeens und sieht dabei ganz brauchbar aus. Das reicht schon für höhere Weihen. Immerhin boxt er relativ häufig, und hat mit Takam auf dem Weg zu einem WM-Kampf gegen Joshua, der über Pulev führt, nun eine erste echte Standortbestimmung. ich gehe davon aus, dass er Takam schlägt.
10. Stiverne (+2) - Es soll alles besser werden, außerdem war er im Wilder-Kampf dehydriert etc. pp. Bla Bla... Ich erwarte von Stiverne nichts mehr. Ein vielleicht nicht einmal solider Mann, der in seiner Karriere einen herausragenden Kampf hatte. Vielleicht so ein bisschen ein amerikanischer Chisora. Auch gegen Rossy konnte er nicht überzeugen.
11. Ruiz Jr. (+2) - Ruiz schien lange Zeit ein zweiter Solis zu sein. Er besitzt so etwas wie Talent, hat Punch, soweit so schön. Leider war er viel zu fett. Daran hat er nun was geändert. Sehr gut! Trotzdem schleicht sich nach zuletzt wenig überzeugenden Leistungen der Verdacht auf, dass mit den Pfunden auch die boxerische Fähigkeit gegangen ist. Ich befürchte, dass Ruiz Jr. ein zweiter Arreola ist. Nunmehr gegen Ray Austin - wer will das sehen?
12. Scott (+2) - Scott kann boxen, wenn er den will - manchmal will er, wie gegen Leapai und Thompson - manchmal will er eben nicht, wie gegen Wilder und Chisora. Trotzdem, seine Siege bringen ihn nach oben, ich bezweifele aber, dass er sich da halten kann.
n/a. Haye (neu) - Haye ist vom Potenzial immer noch mindestens ein Top 5-Mann. Nachdem er früher viel Geld mit wenig (Klitschko) oder nichts (Harrison) gemacht hat, macht er nun viel Geld mit Kämpfen gegen nichts, niemanden oder Hasbeens. Doll. Der selbsternannte Retter des Schwergewichts braucht noch weitere Aufbaukämpfchen gegen handselektierte Gegner - Chapeau!
In das Schwergewicht ist nach den Titelverlusten Wladimir Klitschkos Leben gekommen, das sieht eigentlich gut aus. Dumm nur, dass das Schwergewicht trotzdem ein Trauerspiel bleibt. Fury, Joshua, Ortiz, Parker, vielleicht noch Wilder/Povetkin. Das war es. Mehr denn je sind Leute in den Top30, die entweder technisch, taktisch oder körperlich eine Zumutung sind. Oftmals treffen zwei oder gar drei Kriterien zu. Das konnte man zuletzt bei einem EU-Kampf sehen. Not gegen Elend. Wann hat es zuletzt mal einen Prospect gegeben, der über mehrere Kämpfe gegen qualitativ besser werdende Gegner überzeugen konnte?