Hier meine Liste nach zwei Jahren mal aktualisiert:
1. Oleksandr Usyk (+4)
Im Gegensatz zu David Haye damals ist Usyk tatsächlich die bewiesene unbestrittene Nr.1 im Cruisergewicht gewesen. Wie Haye ist er auf die Idee gekommen, im Schwergewicht an die deutlich größeren Fleischtöpfe zu kommen. Nach eher mauen Kämpfen gegen Chazz Witherspoon und Dereck Chisora ist er gegen Anthony Joshua auf den Punkt gekommen. Die boxerisch beste Leistung eines Schwergewichtlers seit Jahren hat gezeigt, dass er nur so hoch springt, wie er muss. Aber: Das Alter wird seine Möglichkeiten schon vom Stil her begrenzen. Der Rückkampf gegen Joshua (wird er wieder gewinnen) und danach muss das Duell gegen Fury bald kommen. Gegen Fury wird es deutlich schwerer, da Fury ein Ringfuchs ist und der Ringrichter Fury viel durchgehen lassen dürfte. Boxerisch ist er klar besser als Fury, ein gewichtiger Teil körperlicher Vorteile liegt aber bei Fury.
2. Tyson Fury (-1)
Fury hat Wilder auch im dritten Kampf geschlagen. Das ist auf dem Papier toll und hintenraus war es deutlich. Allerdings war es mehr Kampf, mehr Brawl als technisch gutes Boxen. Es spricht für Fury, dass er das taktische Mittel im Köcher hat. Trotzdem: Fury ist boxerisch nur Mittelmaß, dafür taktisch absolute Weltklasse P4P. Warum ist er dann bei mir nicht weiterhin auf 1 oder Co.-1? Weil der Sport Boxen heißt und nicht Gegner-erdrücken -schubsen, Ringen, Nackenschlagen etc.. Weiterhin zur Abwertung führt, dass er sich nur wenigen (und selektierten) Herausforderungen stellt. Da er jünger als Usyk ist, wird er wohl irgendwann die Nr. 1 wieder einnehmen. Wohl möglich geht es als Nächstes gegen Joyce oder doch endlich Whyte? Fury wird eher Helenius wählen...
3. Anthony Joshua (+/-0)
Joshua ist eine tragische Figur. Er ist keineswegs ein schlechter Boxer und stellt sich jeder Herausforderung. Seine Performance gegen Usyk hat nicht gereicht, war boxerisch aber weitaus besser als Wilder gegen Fury. Er ist leider taktisch zu eindimensional aufgestellt, daher wird es weder gegen Fury noch gegen Usyk (im Rematch) reichen. Trotzdem: Er ist die klare Nr. 3 und ist für jeden anderen Boxer außer den beiden Genannten eine schwer zu knackende Hürde. Man wird im Team Joshua viel über die Taktik und Technik in einem Rematch nachdenken - ein Trainerwechsel steht ebenfalls im Raum. Helfen wird das alles nicht.
4. Deontay Wilder (-2)
Wilder wurde boxerisch schon häufiger entzaubert. Er bleibt das Punchmonster der Gewichtsklasse. Hat er aber einen Gegner, der am statischen Jab von Wilder vorbeikommt und der im Infight harte Treffer vermeiden (oder nehmen) kann, dann ist Wilder entzaubert. An seinen erheblichen boxerischen und staminabedingten Schwächen wird sich nicht mehr viel ändern, der Trend zeigt klar nach unten. Als nächstes vielleicht gegen Ruiz Jr.?
5. Joe Joyce (neu)
Joyce ist ein sehr interessanter Boxer. Er ist relativ alt, eher statisch/langsam unterwegs, aber eben auch ein ausgemachter Stoiker mit sehr guter Kondition und einem Top-Kinn. Mir persönlich ist sein Stil nicht gesund, er nimmt zu viel, aber er trifft auch gleichzeitig und richtet Schaden an. Gegen Dubois war er sehr überzeugend. Sein Jab kam gut und er hat Dubois zermürbt. Joyce kann aber auch ausgeboxt werden, wie Carlos Takam (noch einmal) gezeigt hat. Trotzdem die stoische Ruhe im Ring, der enorme Druck den er aufbauen kann und die nicht zu unterschätzende Schlaghärte machen ihn für mich zur Nr. 5 seiner Gewichtsklasse. Nur gegen Usyk und Fury sehe ich keine Chance - alle anderen Gegner dürfte er über die Runden weichklopfen und hintenraus abschießen. Für Wilder wäre er eine Nemesis.
6. Dillan Whyte (+3)
Bisher der Typ ehrlicher Handwerker. Er boxte, was man ihm vor die Nase setzte und erarbeitete sich dabei seine Siege, die seine Position rechtfertigten. Das lag manchmal auch an der taktischen Blödheit und dem Phlegma seiner Gegner (Chisora, Parker) oder am Alter (Povetkin), aber sei es drum: Gegen Usyk und Fury keine Chance, gegen Joyce sehe ich ihn auch nicht vorne. Den Rest kann er - Stand Heute - schlagen. Den Kampf gegen Fury sollte er kriegen.
7. Joseph Parker (+4)
Boxerisch ist er eigentlich nicht schlecht. Aber er hat sich seit dem WM-Titel nicht weiterentwickelt. Boxer mit verhältnismäßig mittelprächtigem Punch altern auch nicht gut. Er muss konditionell und taktisch viel drauf legen, ansonsten gehört er auf Dauer nur noch zur zweiten oder dritten Reihe. Als nächstes gegen Derrick Chisora, gegen den er sich im ersten Kampf sehr schlecht verkauft hat. M.E. hat Chisora den ersten Kampf knapp gewonnen - jetzt muss ein überzeugender Sieg her, oder er wird zum Gatekeeper.
8. Dereck Chisora (+8)
Wie Whyte ein ehrlicher Handwerker und definitiv ein Steh-Auf-Männchen. Wurde mehrfach in seiner Karriere knapp geschlagen oder verschaukelt. Das bringt Sympathien ein, was aber auch immer wieder vergessen lässt, dass er der Mister Phlegma im Schwergewicht ist. Mittlerweile ein echter Gatekeeper in die Top 5. Sollte er gegen Parker gewinnen, was nicht auszuschließen ist, dann kann er vielleicht noch einmal einen WM-Kampf bekommen.
9. Daniel Dubois (neu)
Dubois war schon früher an der Grenze zur Top10 und wäre nach einem Sieg gegen den schwächer eingeschätzten Joe Joyce zweifelsfrei dort angekommen. Joyce tat im den Gefallen nicht. Der Jab, die stoische Ruhe und die Workrate von Joyce waren zu viel für Dubois, den die Augenverletzung zur Aufgabe zwangen. Von dieser Niederlage an einem ersten Scheideweg hat er sich mit zwei leichten Siegen gegen Aufbaugegner erholt. Dubois muss sich bald einmal einem echten Gatekeeper stellen, damit es nach oben geht.
10. Andy Ruiz Jr. (+/-0)
von Ruiz Jr. hört und sieht man, dass er im Alvarez-Camp trainiert. Angeblich soll er - wieder einmal - abgenommen haben. Ein beweglicher Boxer mit hervorragenden Basics, der sich um seine Möglichkeiten gefressen hat. Der Kampf gegen Chris Arreola war eine negative Offenbarung. Zum einen war Arreola hungrig, zum anderen war Ruiz Jr. zwar schlanker als zuletzt, aber der jahrelange Raubbau am Körper zeigte Auswirkungen. Boxerisch war das schwach und körperlich noch schwächer. Ob Ruiz Jr. sich erholt? Zunächst wohl nach einer Knie-OP erst im März 2022 gegen den berühmten TBA. im Ring.
11. Robert Helenius (neu)
Chapeau! Helenius ist zurück. Fokussiert, einigermaßen fit nach langer Verletzungsreihe hat er zweimal gegen Adam Kownacki, einen Brot und Butter-Boxer, der gut geranked war, als Gatekeeper gesiegt. Damit befindet er sich plötzlich wieder in der Nähe der Top 10, in der er aber einen ganz schweren Stand haben dürfte. Gatekeeper oder sogar Contender? Könnte sein, dass demnächst Tyson Fury die überraschend wiederbelebte Leiche als "Stay-Busy-Fight" fleddert.
12. Otto Wallin (neu)
Wallin ist technisch gut und hat die körperlichen Parameter. Tyson Fury sah gegen ihn eher mau aus, was für Wallin und gegen Fury spricht. Mit Dominic Breazeale hat er einen Gatekeeper der zweiten Reihe geschlagen. Er sollte sich eigentlich gegen Dillan Whyte beweisen und der Sieger wäre in direkter Nähe zu einem WM-Kampf gewesen. Whyte hat sich abgeseilt, was auch für Wallin spricht. Wie es weitergeht ist unklar.
Das Schwergewicht ist in der Breite besser besetzt als noch vor fünf Jahren. Ab Platz 13 kommen dann Leute wie Yoka, Sanchez, Gassiev, die noch nichts bewiesen haben und jetzt wenigstens mal einen Gatekeeper boxen sollten, sowie Boxer wie Pulev, Ortiz, die eindeutig Auslaufmodelle sind.