Ich finde, hier wird viel zu oft ein fehlendes Konzept als Pragmatismus ausgelegt.
Was genau soll den der Ansatz von Valverde in Barcelona sein? Pragmatisch zu sein ist eine Eigenschaft, kein taktisches Konzept.
Ich finde sowieso, dass er für die Liverpool-Spiele viel zu gut wegkommt, weil das aufgrund der schrägen Ergebnisse zu einer Mentalitätsfrage gemacht wird.
Mit Hinblick auf das Bayern-Pool-Spiel war ich sehr gespannt, wie Barca in der eigenen Hälfte mit dem Druck Liverpools auskommen würde. Die Bayern konnten nicht wirklich hinten raus spielen, oder haben das so auch gar nicht richtig versucht. Auf der anderen Seite haben sie Pool aber auch nicht so häufig in gefährliche Umschaltsituationen gelassen. Das war im Grunde ein etwas destruktiver, aber auch pragmatischer Ansatz von Kovac.
Barca ist für die Passsicherheit bekannt, und für mich war das Zusammentreffen deswegen so interessant, auch weil zum ersten Mal ein Klopp-Team auf Barca getroffen ist.
Ich habe bei Barca dann diesbezüglich taktisch überhaupt nichts gesehen. Man konnte eigentlich nur von hinten sinnvoll aufbauen, wenn sich Messi in die eigene Hälfte zurückfallen ließ und dann dort mit seiner Wendigkeit/Ballkontrolle/Übersicht/... mehr oder weniger alleine das Pressing aushebelte. Ansonsten hat man Pool etliche gefährliche Umschaltsituationen erlaubt.
Das einzige taktische Konzept, was mir bei Barca wirklich gefallen hat, waren diese Überladungen auf den Außen. Das sind aber einzelne Spielzüge.
Ansonsten war man in 180 Minuten gegen ein stark ersatzgeschwächtes Liverpool, was eigentlich keine Qualität in der Breite hat, locker 120 Minuten deutlich unterlegen.
Ich finde es schon sehr erstaunlich, wie krass Kovac Gesamtbild unter dem Spiel gg Pool gelitten hat, und wie wenig Valverdes dies tut. Ich weiß, dass dies nicht viele so sehen, aber den Ansatz von Kovac fand ich pragmatisch, den von Valverde kaum zu erkennen.
Natürlich ist "Pragmatismus" kein Konzept. Wenn ich den Begriff verwende will ich damit ausdrücken, dass ein Trainer eher flexibel ist. Also im Gegensatz zu einer "dogmatischen" Herangehensweise. Wobei es hier natürlich immer Graustufen gibt und ich keine Seite als grundsätzlich "überlegen" ansehe. Ich finde man muss klare Prinzipien für seine Spielweise haben und sich aber auch immer hinterfragen inwieweit das unter den gegebenen Umständen funktioniert.
Guardiola oder auch van Gaal sind wohl Beispiele für eher dogmatische Trainer und beharren manchmal schon fast stur auf ihren Grundsätzen. Unter Pep hat man bei Barcelona zum Beispiel immer den Torhüter im Spielaufbau eingebunden auch wenn im Pokal der fussballerisch sehr limitierte Pinto statt Valdes zwischen den Pfosten stand. Da gab es nur ganz selten Kompromisse. Aber als man bei einer Regenschlacht in Bilbao in einer gewaltigen Pfütze spielen musste, ordnete auch Pep irgendwann Kick and Rush an weil alles andere unter diesen Bedingungen nicht funktionierte.
Valverde würde ich nicht in die eher dogmatische Kategorie einorden. Als bei Barcelona im letzten Jahr keine Winger verfügbar waren wurde eben auf ein 4-4-2 umgestellt. Pep hätte da wohl eher einen A-Jugend Außenstürmer nominiert als seine Formation so zu verändern. Und um wieder auf das Duell mit Liverpool zurückzukommen:
Valverde war wohl der Meinung, dass man das Risiko im Spielaufbau gegen Liverpool minimieren muss und ordnete vermutlich an, dass im Zweifelsfall die Bälle auch lang gespielt werden sollen. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt dann am Ende natürlich bei den Spielern auf dem Feld. Denn die müssen in jeder einzelnen Situation entscheiden ob sie sich den flachen Pass zwischen die Linien zutrauen oder das Risiko meiden und lang spielen. Ich bin übrigens auch der Meinung, dass Barca es mit den langen Bällen übertrieben hat und dass diese Balance nicht immer gepasst hat. Insofern kann ich die Kritik daran nachvollziehen. Aber ganz grundsätzlich fand ich es logisch und richtig, dass man gegen Liverpool (Stärken liegen ja eindeutig bei Pressing, Dynamik und schnellem Umschalten über das Tempo von Salah und Mane) nicht in jeder Situation stur von hinten rauskombinieren will und jeden Abstoß kurz ausführt.
Und ganz nüchtern betrachtet hat diese Herangehensweise funktioniert. Es war vielleicht ungewöhnlich, dass Barca einem Gegner im Camp Nou die Hälfte der Spielanteile überlässt (und wie gesagt, mir war es auch zu ausgeglichen) aber letztendlich waren die Reds bei eigenem Spielaufbau nicht wirklich gefährlich. Die haarigen Situationen gab es immer dann wenn Barca in Ballbesitz Fehler machte und dann Salah (per Dribbling) und Mane (mit langen Bällen hinter die Abwehr) in Szene gesetzt wurden. Das Risiko in solche Situationen zu geraten hat Barca minimiert. Umgekehrt hat ja auch Liverpool nicht dauerhaft Druck ausgeübt. Die haben den ersten Ball hoch zugestellt und sobald die erste Pressingwelle überspielt war, hat Liverpool mit allen Mann in der eigenen Hälfte verteidigt.
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Ich bin kein Fan von Valverde. Ich halte ihn auch nicht für einen "Weltklassetrainer" (wobei ich diese Kategorien auch schwierig finde). Ich finde es ist offensichtlich, dass Barca sich (seit dem Abgang von Pep) schrittweise vom dogmatisch dominanten Ballbesitzfußball entfernt hat. (Und man wäre nach City zusammen mit PSG wohl trotzdem noch die Nummer 2 weltweit wenn es darum geht wieviel Ballbesitz ein Team haben will) Das hat mit den Trainern zu tun aber du kannst Xavi/Iniesta nunmal auch nicht einfach so ersetzen.
Außerdem muss man auch dazu sagen, dass der Trend (gerade in der Championsleague aber auch bei den Nationalteams) nicht in diese Richtung gezeigt hat. Frankreich hat mit abwartendem Fußball die WM gewonnen während Spanien und Deutschland kläglich performt haben. Real Madrid hat in der Championsleague eine eher "pragmatische" Mischung aus Spielkontrolle über Ballbesitz und aber gleichzeitig auch tiefes Verteidigen und Umschaltspiel. Ballbesitz City scheiterte immer wieder in der Championsleague (wenn auch teilweise unglücklich).
Insofern glaube ich nicht, dass man unbedingt totale Kontrolle anstreben muss um erfolgreich zu sein. Ich finde bei Valverde ist der Fußball im Ligaalltag häufiger ein wenig zu passiv und speziell auswärts dann eher zäh. Ich wünsche mir da mehr hohes Pressing, Gegenpressing und Initiative beim Verteidigen. Aber ich sehe auch, dass das Personal bei Barca dem Coach in der Hinsicht in den letzten zwei Jahren nicht soviele Gestaltungsspielräume erlaubt. Offensiv war die Abhängigkeit von Messi viel zu groß. Ein fitter Suarez ist noch immer ein toller Stürmer aber er ist abhängig von der Physis und die spielt nicht mehr über eine ganze Saison mit. Dembele war im ersten Jahr eine absolute Vollkatastrophe und hatte dazu noch Verletzungspech. Als er in diesem Jahr für einige Wochen fit war und dann Selbstvertrauen dazu kam war der Fussball von Barcelona sofort auf einem anderen Level. Messi war nicht mehr der Alleinunterhalter und Dembele konnte die Räume nutzen und auch torgefährlich werden. Leider kamen dann immer wieder kleine Blessuren und gegen Ende war er wieder angeschlagen und jegliches Selbstvertrauen verschwunden.
Ohne Dembele ist Messi der einzige Spieler der mit Dynamik Löcher reißen kann. Im Mittelfeld spielen mit Arthur, Rakitic und Busquets tolle Fußballer aber Dynamik ist nicht die große Stärke. Vidal war am Anfang ein Fremdkörper aber der hat gegen Ende der Saison im Mittelfeld wirklich super gespielt. Aber wenn ein Spiel hohes Tempo hat sind die Jungs in der Barca Zentrale schnell an ihren Grenzen. Gegen Real oder Atletico (und generell in der spanischen Liga) fällt das nicht so sehr ins Gewicht. Im Clasico wird das dann sogar zur eigenen Stärke wenn Kroos und ein unfitter Modric auf der anderen Seite stehen. Aber diese Defizite werden in der Championsleague aufgedeckt und da ist Liverpool besonders unangenem auch wenn Henderson und Wijnaldum technisch vielleicht nicht in die oberste Kategorie gehören. Insofern freue ich mich auf Frenkie de Jong.
Dazu Verstärkung für die Offensive (vielleicht Coutinho und Malcolm abgeben und dafür einen dynamischen Winger mit der Qualität für die Startelf) und dann würde ich mich nicht beschweren wenn der Verein Valverde noch einmal die Chance gibt. Ich würde dann eine Entwicklung und Verjüngung erwarten. Ich sehe seine Arbeit auch nicht unkritisch. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass einige Kritikpunkte einfach unfair sind. Man sieht das ja hier am Forum wenn sich die Leute nicht mit seiner Arbeit auseinandersetzen sondern nur die früheren Stationen aufzählen. Und schon vor dem Liverpool Spiel gab es etliche absolut sinnfreie "Hausmeister" Beiträge die teilweise einfach nur realitätsfremd waren. Auch du
@Tony Jaa hast dich schon letztes Jahr geäußert, dass es ein Witz sei wenn Dembele nicht spielt. Dabei war er eindeutig eine Schwächung für das Team. Valverde hat ihm so häufig die Chance gegeben aber was Dembele dann teilweise gespielt hat, erinnerte an Space Jam als die Aliens das Talent geklaut hatten. Seine gesamte erste Saison war (auch durch Verletzungen zurückgeworfen) ungefähr auf dem Niveau seiner Jonglage Fähigkeiten bei der Spieler Präsenation im Camp Nou
Und das ganz davon abgesehen, dass es wohl auch neben dem Platz mit der Disziplin etwas schwierig war. Kein Vorwurf an den jungen Spieler. Der war wohl nach dem Wechsel mit der gesamten Situation ein wenig überfordert und hat dann auch die Kurve gekriegt. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte man Valverde nun wirklich nicht vorwerfen, dass Dembele auf der Bank war.
Also da gab es immer wieder einige Kritikpunkte die aus meiner Sicht nicht haltbar waren.
Und im Bezug auf das Duell mit Liverpool war es aus meiner Sicht eher die Niederlage des Teams und nicht des Trainers. Das waren schlicht zuviele individuelle Aussetzer. Ich sage nicht, dass Barca grandios gespielt hat und taktisch perfekt war. Vielleicht im Hinspiel zu passiv und ich hätte auch Coutinho früher ausgewechselt. Aber das war nun wirklich nicht der Knackpunkt in dem Duell aus meiner Sicht. Man hatte genug Chancen und gute Angriffe um das wichtige Auswärtstor zu machen und hinten hat man geschlafen und sich die Dinger selbst reingelegt. Das war für mich mit Hin und Rückspiel keine "taktische Niederlage".