Wilder hat in seiner Karriere schon öfter gewackelt, war sogar mehrfach am Boden. Der Kampf gegen Harold Sconiers ist nirgendwo mehr zu finden, wortreich wurde vom Team Wilder im Nachhinein erklärt, dass der Niederschlag illegal war, Beobachter sehen das anders. Weiteres Beispiel:
Auch hier sagen Beobachter, dass Schlagwirkung im Spiel war.
Oder hier:
Gegen Fury war Wilder insgesamt fünf Mal am Boden und hat in der zwölften Runde des ersten Kampfes deutlichst gewackelt. Fury ist kein großer Puncher, aber seine Treffer richten Schaden an. Das macht Wilder keineswegs zum ohnehin überstrapazierten Glaskinn, er ist aber auch kein Oliver McCall.
Wenn es also Leute gibt, die so tun, als wäre ein Niederschlag Wilders durch Usyk in einem hypothetischen Kampf ein undenkbares Weltwunder, was mag deren Beweggrund sein? Wenn man Wilders boxerisches Gesamtkonzept über seine bisherige Karriere betrachtet, dann kann man klare Veränderungen sehen. Bis zum Bermane Stiverne 1-Kampf hat er Leute aus der dritten und vierten Reihe oder (Never-)Hasbeens geboxt. Er wurde dafür kritisiert, sich keinen Herausforderungen zu stellen. Seine Schlagkraft war immer über jeden Zweifel erhaben, seine boxerischen Fähigkeiten wurden in Zweifel gezogen und sein Boxen als eher unökonomisch bewertet. Trademark waren seine wilder Schwinger, die wenn sie trafen, jeden Kampf beenden konnten.
Je besser die Gegnerschaft wurde, desto deutlicher wurden die boxerischen Defizite auf höherem bis höchstem Niveau. Der Punch blieb und wusste weiterhin zu beindrucken. Der erste echte Gamechanger war der erste Ortiz-Kampf. Ortiz, selbst ein Puncher und zudem boxerisch gut ausgebildet, vermochte Ortiz Wilder nicht nur wie zuvor schon Artur Szpilka auszuboxen, Wilder war sichtlich von Ortiz Punch beeindruckt. Man muss Wilder und seinem Team zugute halten, dass sie das selbst bemerkt haben und versucht haben Wilder boxerisch und taktisch zu verbessern. Wilder baute alle weiteren Kämpfe über den Jab auf und wartete auf Lücken in der Deckung um sein variabler gewordenes Schlagarsenal unterzubringen. Wenn man wie Breazeale und Helenius seine Deckung komplett vernachlässigt oder wenn man wie der ältliche Ortiz seine Konzentration aufgrund mangender Kondition verliert, dann kann der Kampf noch immer mit einem Treffer vorbei sein. Fury hat gezeigt, dass die Taktik problematisch wird, wenn der Gegner den Kampf intensiv führt. Fury ist selbst kein Konditionswunder, versteht es aber meisterlich, dem Gegner u. a. durch Einsatz der Masse die Kraft zu rauben. Usyk hat die Masse nicht, ist aber konditionell sehr stark. Wilder geriet gegen Fury in Bedrängnis, wenn Fury Druck machte und Wilder in den roten Bereich führte. In den Kämpfen 2 und 3 war nach der fünften Runde die Messe gelesen, weil Wilder nicht mehr die Kraft hatte, die (gar nicht so schlechte) Linie aufrecht zu erhalten. Da gab es auch keinen zweiten bzw. dritten Wind und kein Erholen, sondern nur noch den Versuch zu überleben und einen Heumacher unterzubringen. Wilder ist daher auch kein Warrior und die schiere Summe der Schläge von Usyk könnte in einem Duell auf andere Weise zum gleichen Ergebnis wie bei Fury führen, der auch kein Mordspuncher ist. Zurück zur Beweggrundfrage: Wenn das zuvor Gesagte im Bereich des Möglichen liegt, könnte dann Wilder vielleicht nicht ganz so toll und gefährlich sein, wie man ihn für Furys Legacy gerne hätte.