Meine erste Reaktion, als ich von Ulis Treiben hörte war – das war es für Dich Uli, zurücktreten, Du bist nicht mehr unser Präsident. Er hat es nicht getan. Vielleicht auch deshalb, weil er die bevorstehenden triumphalen Wochen miterleben wollte. Verständlich, nach dieser Lebensleistung für den Verein. Aber trotzdem in meinen Augen falsch. So zumindest meine erste Reaktion.
Aber es ist für mich nicht einfach eine klare Position zu Uli zu finden.
Seine Verdienste sind nicht mehr in Worte zu fassen. Und er hat ja nun auch Niemanden umgebracht, sondern "lediglich" Steuern hinterzogen. Er hat er sich zu einer Selbstanzeige entschlossen, warum auch immer.. Eine Frage ist, woher und warum dieses Geld kam, die Nike/Adidas Geschichte stinkt zum Himmel. Die Frage ist auch, warum das Geld in der Schweiz landete. Ich frag mich, was ihn zum Zocken getrieben hat. Mir ist unerklärlich, warum er das Geld nicht versteuert hat. Ich kann seine Beweggründe immer noch nicht nachvollziehen.
Hoeneß war eine Instanz. Für Anstand, für Aufrichtigkeit. Für soziales Engagement, er hat zig Leute eine zweite Chance gegeben, Promis wie Gerd Müller, Lars Lunde oder Jürgen Wegmann, nicht-Promis, die er in seiner Wurstfabrik untergebracht hat. Er hat sich in den fordeste Front gestellt, als man in München Dominik Brunner totgetreten hat. Und er hat nicht nur Reden geschwungen. Der hat der Familie geholfen. Er hat eine Stiftung gegründet. Er hat die Politiker so lange getreten, bis sie sich ernsthaft dieser Sache angenommen haben. Dank Uil ist Brunner auch heute noch nicht vergessen. Praktisch Jeder der mit ihm zu tun hatte, äußerst sich über das große Herz von Uli . Er hat Werte vertreten und diese auch vorgelebt. Aus kleinen Verhältnissen zum Big Player. Das Alphatier, welches seine Herde, also den FCB, bis aufs Äußerste immer wieder verteidigt hat. Ein erfolgreicher Unternehmer des Mittelstands. Ein Patriarch und Philanthrop der edelsten Sorte. Jemand, der eine Meinung hatte und diese immer ungeschönt kund tat, egal ob es klug war oder nicht, ohne Rücksicht auf Verluste oder das eigene Ansehen.
Aber dann ist irgendwann etwas gewaltig aus der Spur geraten. Im Verein beim Umgang mit den Fans, privat im Umgang mit Geld. Er hat seinen Kompass verloren, seine Bodenständigkeit. Er hat sich selbst verraten. Eine beeindruckende Lebensleistung mit dem Ar.sch umgeschmissen, ganz ohne Not. Und dadurch seine stärkste Waffe, seine soziale Reputation, unwiederbringlich verloren. Höchststrafe - gesellschaftlich wie privat.
Was ich vermisse, ist echte Reue. Die zeichnet sich dadurch aus, dass sie kein "Aber" kennt, keine Aufrechnung mit Verdiensten, keinen Seitenhieb auf andere. Die JHV hat für mich keine echte Reue erkennen lassen. Ich sah einen alten, unbelehrbaren, zerknirschten, ja verzweifelten Menschen. Aber ich konnte keine Reue heraushören, eher eine Portion Selbstmitleid. Echte Reue braucht aber zunächst Selbsterkenntnis. Und dann Konsequenz. Die konnte ich bislang leider nicht entdecken.
Über die juristischen Fragen braucht man nicht diskutieren. Das wird ein Gericht entscheiden. Wobei dieses nicht um seine Aufgabe zu beneiden ist. Für den geifernden Pöbel ist - ohne dass er maßgebliche Fakten kennt oder diese überhaupt berücksichtigen wollte - ja schon ausgemachte Sache, dass alles unter Todesstrafe nur Korruption oder bayerischer CSU-Amigo-Sumpf sein kann.
Die gesellschaftliche Ächtung ist für mich erschreckend. Uli wird aktuell sozial exekutiert. Wenn ich mir ansehe, was ein Breuckmann so von sich geben darf, bin ich fassungslos. Uli hat natürlich diese Exekution durch sein Verhalten in den Jahren zuvor, selbst provoziert. Es hätte ihm klar sein müssen, dass er als Manager und späterer Präsident der FCB, als CSU Verehrer, als selbsternannte moralische Instanz eine äußerst exponierte Stellung einnimmt – da werden solche Fehltritte zurecht nicht akzeptiert. Aber hier soll ein Mensch komplett vernichtet werden.
Die modernen Medien haben eine Infrastruktur geschaffen, die eine ganz neue Art von Justiz möglich macht: Die virtuelle Lynchjustiz. Und die hört nicht am Internet-Router auf, sondern schwappt brutal ins wirkliche Leben. Die virtuelle Welt eröffnet viele positive Möglichkeiten der Kommunikation, Information und Meinungsbildung. Aber sie kennt keine Grenzen mehr, keine Ethik, weil sie sich in der Anonymität verstecken kann (wie man hervorragend hier im Forum aber auch in den Stadien der Republik sehen kann). Und die Meute hört nicht auf, das Tier zu Tode zu hetzen. Beispiele gibt es inzwischen genug. Und wenn die Beute endlich erlegt ist, verwandelt sich der Mob ganz schnell wieder in eine erschrockene Betroffenheitsgemeinde, die virtuelle Kerzen ins Fenster stellt und die Kälte unserer Zeit beklagt. Die Heuchler bringen den Heuchler zu Fall und halten anschließend heuchlerische Grabreden. Ich möchte nicht wissen was los wäre, sollte sich Uli am nächstbesten Baum aufknüpfen. Wie viele Betroffenheitsapostel dann plötzlich wie im Fall Enke ihr Treiben hinterfragen um es bei nächst bester Möglichkeit wieder genauso zu machen.
Seine juristische Strafe wird er bekommen - ich hoffe, sie fällt gerecht aus. Muss er in den Knast, dann wünsche ich ihm alles Gute, vertraue aber darauf, dass die Justiz getan hat, was sie tun musste. Seine gesellschaftliche Strafe hat er schon bekommen - sie ist nicht nur viel zu hoch ausgefallen, sie ist absolut ungerecht, nicht zu rechtfertigen. Deshalb halte ich es so, wie ich es auch mit einem echten Freund oder Familienmitglied machen würde: Nach Innen Tacheles reden, nach Außen bis zum Äußersten verteidigen.
Deshalb ist es auch richtig vom FC Bayern und seinen Fans, als unbeugsames Bollwerk denen entgegen zu treten, die längst übers Ziel hinausgeschossen sind. Die meinen, sie könnten uns diktieren, was wir zu tun hätten. Die aus niedersten Gründen (auch hier wieder Grüße ins Forum) einen von uns nicht nur bestrafen, sondern komplett vernichten wollen. Ihr könnt euch ärgern, bis euch die Halsschlagader platzt. Aber wir fi.cken euch trotzdem. Denn wir sind der FC Bayern. Mia san Mia!