Das ist keine Frage von entweder/oder - schlussendlich war es ein fataler Cocktail aus mentaler und körperlicher Erschöpfung, die sich auch gegenseitig verstärkt haben. Die generelle Anspannung war zentrale Ursache dafür, dass schon der Weg ins Halbfinale mit den ganzen 4-Satz Matches ungewöhnlich kraftaufwendig war und man muss auch nochmal betonen, dass Djokovic bereits in Wimbledon speziell im Finale teilweise gehemmt spielte. Da ging offensiv nicht sehr viel aber er hatte mit Berrettini und Shapo dann auch gute Matchups, die er hauptsächlich über die Defensive überdauern und zermürben konnte, da sie früher oder später eben den Fehler gemacht oder einen zu kurzen Ball gespielt haben.
Ganz allgemein sind die defensiven Fähigkeiten und das sichere Grundlinienspiel letztendlich die Basis dafür, dass Djokovic speziell in den letzten 2-3 Jahren diese enorme "Clutchness" und den entsprechenden Nimbus in wichtigen und engen Phasen entwickelt hat. Natürlich spürt er die Anspannung in diesen Situationen auch und sie beeinflusst sein Spiel, aber es ist mental deutlich einfacher den Ball aus der Defensive konstant und mit Länge immer wieder zurückzubringen, ergo ein gewisses Sicherheitstennis zu spielen, als im alles entscheidenden Moment unter Druck ein Ass schlagen oder auf den Winner gehen zu müssen.
Vor diesem Hintergrund erhellt sich auch, weshalb es bei Federer diese verhältnismäßig vielen Karrieremomente gibt, in denen er allerwichtigste Bälle verschlagen hat. Seine offensiven und risikoreicheren Schläge sind die ersten die nicht mehr funktionieren, wenn die Konzentration leidet und die Muskelfasern fest werden. Anhand von Nadal kann man es auch gut nachvollziehen - in seiner Prime, als er in der Lage war stundenlang die Grundlinie zu schrubben, war seine Punkteausbeute in entscheidenden Spielphasen ebenfalls bestechend. Seit dem er aus körperlichen Gründen deutlich offensiver spielen muss, hat sich das in den letzten Jahren sichtbar verschoben.
Novak war Sonntagnacht mental nicht in der Lage noch einmal so ein offensiv-variables Bravourstück wie in Melbourne abzuliefern und gleichzeitig war es ihm physisch nicht möglich, sich auf seine Rückfallebene zu begeben und die Sache an der Grundlinie auszusitzen und offen zu halten. Und hier kommt dann natürlich auch Medvedev ins Spiel, der abgesehen vom Aufschlag so ziemlich der totale Gegenpol zu Shapovalov oder Berrettini ist und bereits einem fitten Djokovic in den Ralleys auf Augenhöhe begegnet und genau dorthin will.
Als abschließendes Resumee halte ich also fest - Novak hat den Grand Slam nicht gewonnen, weil a) Federers machtvolle Netzwerke erneut ein Draw manipuliert und ihm Zverev in die obere Hälfte geschoben haben und b) das New Yorker Publikum sehr genau weiß, dass ein frenetisch bejubelter Djokovic zwar der glücklichste Mann der Welt aber gleichzeitig auch ein miserabler Tennispieler ist.
Nummer 21 gewinnt nur ein geschmähter und zorniger Djokovic. In diesem Sinne -