"Ich will hier nicht weg"
Trainer Peter Neururer über das Bewußtsein beim VfL Bochum. seine starken Sprüche und fußballlose Tage
FAZ: Ein Teil der Bochumer Fans hat jüngst versucht, Sie während eines Heimspiels aus dem Stadion zu mobben. Wie haben sei das empfunden?
PN: Es hat wirklich weh getan, ich hatte so etwas noch nie erlebt, egal wo ich war. Richtige Anhänger tun so etwas nicht. Fans haben das Recht, ihren Unmut zu äußern, aber sie sollten es mit Respekt tun. Die Abteilung "Niedermachen" will einfach nur den Trainer weghaben.
FAZ: Hätten Sie nach dem Erreichen des 5. Platzes mehr Kredit erwartet?
PN: Das hier ist ein Beispiel dafür, wie schnell die Stimmung kippen kann. Es zählt nur das Ergebnis. Das ist alles unverhätnismäßig. Als wir Erfolg hatten, bin ich über Gebühr belohnt worden, dafür bin ich jetzt alleine für die Niederlagen zuständig. Ich arbeite und denke genau wie vorher. Aber das können die Fans nicht beurteilen. Dazu brauchten Sie den nötigen Sachverstand. Wo sollen sie den herhaben? Und selbst wenn sie ihn hätten, dann müßten sie jedes Training beobachten, bei jedem Gespräch dabeisein, um sich ein Urteil bilden zu können. Dafür haben sie keine Zeit, sonst wären sie alle arbeitslos, und das wäre schlimm.
FAZ: Macht es Ihnen noch Spaß, in Bochum zu arbeiten?
PN: Ja, wir sind noch enger zusammengerückt. Beim VfL darf ich authentisch sein, hier im Ruhrgebiet bin ich zu Hause. Ich fühle mich wohl.
FAZ: Kein Wunder, so einen hochdotierten Vertrag wie beim VfL bekommen Sie vermutlich so schnell nicht wieder.
PN: Doch. Ich hatte, auch in dieser Saison, einige Angebote aus dem Ausland. Da gab es einige exotische Interessenten, die mich mit Geld zugeschüttet hätten. Aber ich will hier nicht weg. Ich werde nie wieder umziehen.
FAZ: Vor der Saison haben Sie gehauptet, die aktuelle Mannschaft sei besser besetzt als jene, die das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte eingespielt hat. Bereuen Sie diesen Spruch?
PN: Ich habe auch gesagt, wir sind einer Meisterschaft näher als einem weiteren Abstieg. Das hat mir vielleicht geschadet, aber ich würd es wieder so machen, es war aus der Situation heraus notwendig. Ich wollte das Bewußtsein in Bochum verändern. Wir müssen hier um jeden Zuschauer kämpfen Da kann ich doch nicht sagen, wir werden eine Zittersaison haben, also kauft keine Dauerkarte. Unser 5. Platz war das größte Fußballwunder der letzten zehn Jahre. Aber ich habe immer wieder gehört, sogar aus dem Umfeld unseres Vereins, bald gehe es wieder bergab wie vor ein paar Jahren nach der ersten UEFA-Cup-Teilnahme des VfL. Mit dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung herumzuspielen ist nicht mein Ding. Das muss raus aus den Köpfen. Wir sind wer beim VfL und wir bleiben wer, auch wenn wir absteigen sollten.
FAZ: Haben Sie die Lage nicht zu lange schöngeredet?
PN: Sie glauben gar nicht, wie früh ich an die Situation gedacht habe, in der wir jetzt sind. Aber das konnte ich doch nicht nach außen transportieren, um Gottes willen. Da sind wir doch wieder an dem Punkt mit dem Bewußtsein.
FAZ: Leider Sie darunter, wieder in die alte Schublade des Schwätzers gedrängt zu werden, der überall nur am Anfang Erfolg hat und dann abstürzt?
PN: Wir hatten hier zum 31.12.2001 bis zum 30.09.2004 eine unglaublich erfolgreiche Zeit. Eigentlich sollte dieses Klischeedenken total verschwunden sein. Aber mein eigenes Image interessiert mich nicht mehr. Ich werde daran nichts ändern können. Mich interessiert nur, was meine Familie und Freunde sagen. Neulich traf ich jemanden aus meinem alten Tennisclub, den ich 15 Jahre nicht gesehen hatte, der hat gesagt, hey Junge, du bist älter geworden, aber sonst noch genauso wie früher. Das ist für mcih das größte Kompliment.
FAZ: Wenn es Ihnen nicht ums Geld geht: Warum verlassen Sie den VfL nicht einfach?
PN: Unabhängig von meinem Vertrag bis 2007 stehe ich beim Verein und beim Präsidenten im Wort.
FAZ: Sie würden auch wieder in die 2. Liga gehen?
PN: Wenn dieser Fall eintreten sollte, haben wir alle zusammen die Verpflichtung, so schnell wie möglich wieder nach oben zu kommen.
FA: Sie könnten viel Freizeit haben.
PN: Ich könnte Golf spielen oder mit meiner Hrley durch die Gegend fahren. Aber das füllt mich nicht aus. Über Ostern habe ich den Spielern ein paar Tage freigegeben. Den 1. Tag habe ich mit einem dicken Hals überstanden, am zweiten habe ich gemerkt: Ohne Fußball fehlt mir das Wesentliche. Dann werde ich für meine Familie zur Belastung und fange an, die Fliegen an der Decke zum Beschimpfen.
FAZ: Glauben Sie noch an den Klassenverbleib?
PN: Wenn wir in Gladbach gewinnen, sind wir wieder mitten in der Bundesliga. Sollten wir aus dieser Nummer noch rauskommen, sind wir gestärkt bis in alle Ewigkeit.
Das Interview führte Richard Leipold