Momentan geht es hier verhältnismäßig gut. Die Blutwerte sind halbwegs ok und sie ist schmerzfrei, was sie lange nicht mehr war. Ist halt schwach und schnell erschöpft, aber kein Vergleich zu vor ein paar Monaten (der Arzt hat letztens noch gesagt, dass es da ganz schlecht aussah) und momentan genießen wir jeden Tag, an dem es so ist, wie es jetzt gerade ist. Irgendwo ist aber immer im Hinterkopf, dass es ganz schnell wieder anders aussehen kann.
Nächste Woche hat sie nochmal Chemo und dann mal ein bißchen "frei", was meine Eltern und mein Bruder nutzen wollen, um für zwei Wochen an die Nordsee zu fahren. Hoffe, dass das klappt.
Das mit deinem Vater tut mir leid. Krebs ist so ein *********
Das ist so. Meine ehemalige Verlobte und große Liebe hat es vor ein paar Jahren mit Leukämie erwischt. Dreimal konnte sie das Drecksding besiegen, am Ende starb sie "offiziell" nicht mal daran (war zu dem Zeitpunkt mal wieder "krebsfrei"), sondern weil sie einer Unterleibs-Op in Vollnarkose wegen einer völlig anderen Sache zustimmte/zustimmen musste, aber nichts mehr entegenzusetzen hatte und einfach nach erfolgreicher OP nicht mehr aufwachte. Die Familie entschied sich dann nach ein paar Tagen, die Maschinen abzustellen - was auch richtig war. Mit gerade einmal 42. Wir haben sie gemeinsam beerdigt und ich kann sagen, dass der Trauergottesdienst das Schlimmste war, was ich je erlebt habe. Ich meine, es war toll, was "Arrangement", Anteilnahme, Reden etc angeht, ein ganz toller und würdiger Rahmen. Aber zum allerersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich komplett überfordert und weit über meine eigenen Grenzen katapultiert. Das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem, was ihre zwei Töchter (nicht meine) erleiden mussten - oder ihre Mutter. Wie schlimm muss es sein, das eigene Kind zu beerdigen? Aber ich kenne ja nur mein eigenes Gefühl und wenn jemanden wirklich über fast 30 Jahre von Herzen geliebt hat (und umgekehrt)...nun ja.
Aktuell hat es meinen Vater erwischt. 78, Prostata. Das muss kein Todesurteil sein, in dem Alter sterben die meisten Männer nicht an, sondern mit ihrem Krebs. Wenn er nicht streut, wachsen die Viecher nur sehr langsam. Gleichzeitig wurden Zysten am Darm festgestellt (zum zweiten mal in sehr kurzer Zeit) und die Aufregung war natürlich entsprechend groß. Dann hat dieser Vollidiot auch noch ohne Absprache beschlossen, angesichts der kommenden Blutuntersuchungen seine Blutverdünner eigenmächtig abzusetzen. Und *padautz* vor zwei Wochen Schlaganfall mitten in der Nacht im Bad. Einfach umgefallen, zum Glück war meine Mutter noch wach und konnte sofort nen Rettungswagen rufen. Sonst wäre er bereits tot.
Es hat ihn heftig genug erwischt: die linke Körperhälfte ist nervlich intakt, aber es sind so große Bereiche seine Gehirns betroffen, dass sein Hirn diese Seite einfach nicht erkennt, die Befehle kommen nicht automatisch an. Die Umsetzung müssen jetzt andere Hirnbereiche übernehmen und das ist mit 78 natürlich schon ne Challenge.
In den ersten Tagen danach sah es nach schwerem Pflegefall aus, aber da der Mann einen starken Willen und mit 1,65 ein ausgeprägtes Napoleon-Syndrom hat, geht es ganz gut voran. Geistig ist er voll da (obwohl natürlich zum Teil irrationales und auch leicht aggressives Verhalten wg der Unsicherheit), Sprache ist schon wieder komplett intakt. Er streamt schon wieder illegal Fußball und will mal wieder empört aus der SPD austreten. Laufen geht nicht toll, aber es geht, auch Treppen. Aber selbststöndig anziehen, beidhängiges Essen etc - gar nicht, weil eben eine Körperhälfte nicht "mitmacht". Nun denn, Führerschein etc wird eh weg sein, macht ja auch nichts. Jetzt geht es seit heute in die Reha, zum Glück in Bremen (also nah bei mir, Hamburg), hoffentlich bringt das was, die Gefahr eines weiteren Schlaganfalls ist natürlich immer präsent.
Und danach kommen eben noch die Krebsbestrahlungen, die jetzt nach hinten geschoben werden mussten, was natürlich auch nicht so toll ist. Beides zusammen mit 78....mein Dad (ehemaliger Boxer) war für sein Alter vorher topfit, das hilft ihm jetzt, aber ob er diese beiden Hammer am Stück auch noch packt....
Glücklicherweise ist meine Mutter (auch 78) nicht nur eine komplett nervige Glucke
, sondern eine echte Löwenmama mit einer unfassbaren Power, wenn es um ihre Liebsten geht. Aber auch sie ist natürlich mittlerweile komplett am Anschlag (hat auch selbst einen Minitumor im Darm, den "wir" aber bis jetzt gut unter Beobachtung und im Griff haben). Da ist im April der nächste "haarige" Termin, wo über OP oder nicht entschieden werden muss. Sie schiebt das natürlich komplett zur Seite und ist im "Kümmermodus". Dadurch ist die Sache aber ja auch nicht weg.
Schon schwere Zeiten, meine Schwester (lebt in Holland) versuchen, an den jeweils freien Tagen wechselnd hinzufahren. Aber es hilft ja nichts. Zusammenhalten, füreinander da sein und Liebe geben, egal wie lange der Weg jetzt geht und egal, was noch kommt. Kann alles noch wieder halbwegs gut und lebenswert werden, aber natürlich müssen sich alle auf alles einstellen, allein schon des Alters wegen. Niemand weiß, wie groß die Reserven wirklich sind, sei der Wille auch noch so groß.
Zum Glück haben wir ein ausgesprochen enges und liebevolles Miteinander in der Familie, vom Schwager bis hin zu den Enkeln greift da jedes Rad ins andere und alle sind sich komplett einig, wer wann was tut und wo ist.
Herrjeh, plötzlich ist der Ernstfall eben da.