Ich war letzte Woche Freitag beim DRK Blut spenden und freue mich, dass jetzt - nach laaaaanger langer Zeit - endlich Anamnese-Fragebögen verwendet werden, die homo- und bisexuelle Männer nicht mehr (im gleichen Maße wie früher) diskriminieren.*
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube bei meiner ersten Blutspende wurde noch unverhohlen gefragt "Nur für Männer: Sind sie schwul?". So zumindest in meiner Erinnerung ... und dass es dann später - etwas höflicher ausgedrückt - hieß "Sind sie homosexuell?"
Hintergrund ist, dass laut einiger Studien das Risiko einer Übertragung von sexuell übertragbaren Infektionen wie HIV und Hepatitis bei Analverkehr höher ist als z.B. bei Vaginal- und Oralverkehr (z.B. aufgrund ggf. kleiner Verletzungen am After) ... insbesondere natürlich bei ungeschütztem Verkehr.
Ob dieser bei homosexuellen Männern häufiger vorkommt als bei heterosexuellen Männern, das sei dahingestellt.
Ergo waren homosexuelle Männer jahrzehntelang von der Blutspende ausgeschlossen ... wegen des angeblich größeren Risikos bzw. der größeren Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion. Ob sie in einer monogamen Beziehung leben oder ob sie überhaupt Analverkehr praktizieren, oder ob sie überhaupt Sex haben ... ganz egal. Sie waren ausgeschlossen.
Ich meine irgendwann mal von einer Story in Irland gelesen zu haben, laut derer dort ein junger homosexueller Mann seiner eigenen Mutter keine Niere spenden durfte, weil die Klinik dies - wegen angeblich höherem HIV-Risiko - ablehnte ... dabei war der Mann noch Jungfrau und seine Mutter fand keine andere Spender-Niere.
Wie dem auch sei, irgendwann ist den Erstellern des Fragebogens mal in den Sinn gekommen, dass nicht nur homosexuelle Männer Sex mit Männern haben.
Seit 2017 gilt die Formulierung "Männer die Sex mit Männern haben" (MSM), so dass nicht mehr zwischen homo- und bisexuellen Männern unterschieden wird.
2021 kam man dann auf den Trichter, Männer die Sex mit Männern haben nicht mehr generell von der Spende auszuschließen, sondern "nur" noch, wenn sie in den letzten 4 Monaten mit einem Mann Sex hatten (weil HIV teilweise erst 4 Monate nach der Infektion durch Labortests nachgewiesen werden könne).
Und jetzt - nach langer langer Zeit und vielen vielen Jahren - nach
entsprechender Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung, ist dann nun auch endlich mal bedacht, dass Männer mit anderen Männern Sex haben können, ohne Analverkehr zu praktizieren. Und es ist bedacht, dass Frauen Analverkehr haben können.
Die sexuelle Orientierung und auch das Geschlecht sind nunmehr kein explizites Auschlusskriterium mehr. Im Fragebogen lautet die Fragestellung nun:
Hatten Sie in den letzten 4 Monaten Sexualverkehr
► mit insgesamt mehr als zwei Personen, Analverkehr mit einer neuen Person oder Analverkehr mit mehr
als einer Person?
Es wird nicht mehr drumherum geredet, warum homosexuelle (und später auch bisexuelle) jahrelang stigmatisiert wurden, sondern es wird klar der Analverkehr als vermeintliches Risiko benannt.
Es wird auch nicht mehr nach Sexualverkehr mit Transmenschen (ganz gleich welcher geschlechtlichen Identität) gefragt, wie es in den Fragebögen mancher Blutspendeverbände der Fall war.
Na das ist doch mal ein Fortschritt, denke ich.
* Nungut, die Neuregelung nicht mehr "so sehr" diskriminierend wie der frühere Komplett-Ausschluss von MSM, aber Kritik gibt es nach wie vor
Die Deutsche Aidshilfe und Schwulen-Vertreter bezeichnen die neue Richtlinie als nach wie vor diskriminierend. Die neuen Kriterien würden die meisten schwulen Männer weiterhin ausschließen, ohne dies klar zu benennen. Aidshilfe, der Berliner Queer-Beauftragte und der Lesben- und Schwulenverband forderten neue Regeln. So hält die Aidshilfe die Regelung für Analverkehr für falsch - die Sexualpraktik an sich sei kein Risiko.
"Diese Annahme ist stigmatisierend", hieß es in einer Mitteilung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Schutzmaßnahmen wie Kondome und HIV-Prophylaxe in der Risikobewertung nicht berücksichtigt würden. "Zum wiederholten Mal hat die Bundesärztekammer eine inakzeptable Regelung vorgelegt." Der Plan der Ampelkoalition, der Diskriminierung schwuler Männer und Transmenschen ein Ende zu setzen, sei gescheitert.