Das ist doch genau der Punkt. Genau deswegen Version 2.0. Steward hat ihm diesen Boxstil nahe gebracht und gelehrt, für den er erst eine zeitlang benötigt hat um diesen anzuwenden und im Verlauf seiner Karriere es auf die Spitze getrieben hat bzw. weiterentwickelt.
Nein, wir drehen uns im Kreise und werden da nicht überein kommen. Deshalb letztmalig eine Stellungnahme dazu. Ich verstehe Deinen Ansatz, teile ihn auch weiterhin nicht. Steward hat zunächst versucht, Wladimirs Schwächen dadurch abzustellen, dass er ihn in Richtung Lennox Lewis entwickeln wollte: Wenn es boxerisch alleine nicht reicht, den Widerstand des Gegners zu brechen und ihn aus dem Kampf zu nehmen, dann muss der Gegner körperlich erdrückt werden. Gegen Brewster ist genau diese Taktik in die Hose gegangen, eine der großen taktischen Fehlleistungen von Emanuel Steward, weil er die Möglichkeiten seines Boxer falsch beurteilt hat. Daraus haben Beide einiges gelernt. Dann kam die Phase der Neujustierung der Defensive hin zu einem Überdecken der Schwächen durch ein Verhindern der Situationen. Dabei sollte Wladimir aber immer noch sein Offensivarsenal ausschöpfen. Wenn man so will, dann ist das die Version von Wlad 2.0 - schon früh hat sich gezeigt, dass diese Stewardsche taktische Vorgabe von Wladimir aber nur dann umgesetzt wurde, wenn in der Person des Gegners kein Grund zur Annahme bestand, dass sich Wladimir durch offensiv variables Boxen in akute Gefahr begibt. Im Stewardschen Sinne verliefen nur wenige Kämpfe von Wladimir - meistenteils agierte Wladimir sehr zögerlich und beschränkte sich auf ein taktisch und technisch sehr eingeschränkte Offensive - das war sehr zum Missfallen von Steward, der regelmäßig in der Ecke über die Perversion seiner Anweisungen schimpfte wie ein Rohrspatz. "auf die Spitze treiben" oder "weiterenwickeln" passt insofern überhaupt nicht - das war nicht in Stewards Sinne. Was Wladimir Klitschko daraus gemacht hat, ist dann eher ein Wlad 3.0. Dieses Wlad 3.0 enthält nur noch sehr wenig vom Sdunekschen Wlad 1.0 - es sei denn, der Gegner hat von vorne herein keinen Grund zur Sorge geboten (Wach) oder war im Kampf defensiv so schwach auf der Brust (Pulev), dass etwas mehr variable Offensive erfolgversprechend war. Wenn man bedenkt, wie sehr sich Wladimir vor dem hilflosen und fertigen Hasim Rahman stehend, eingenässt hat, weil er glaubte, die halbtote Mumie könnte auf einmal explodieren und wie im ersten Lewis-Kampf ein volles Pfund raushauen und gleichzeitig mitbekam, wie sehr sich Steward über dieses Hasenfußgehampel aufgeregt hat - der weiß genau, dass dies weder Sduneks noch Stewards Boxphilosophie war sondern Wladimirs Angsthasenrevolution, die gerade die eigenen Offensivkinder fraß.
Man konnte jedoch schon in den ersten Kämpfen sehen was die Basis dieses Stils ist: Risikovermeidung. Sei es nun durch Clinchen, Führungshand rausstrecken, devensivere bzw bessere Beinarbeit, Runterdrücken, mehr Jaben, seltener die Rechte bringen usw. z.b. alles gegen Brock gesehen. Er hat jedoch, seit seinem von Steward gelehrten Boxstil (Wlad 2.0), seinen Stil nie wieder komplett umgestellt, wie mit der Steward Übernahme, sondern hat strickt an diesem Stil als Basis festgehalten und weiterentwickelt. Genau deswegen halte ich es für falsch von einer Wlad Version 3.0 zu sprechen und somit sollte auch klar sein, was mit Wlad 2.0 gemeint ist.
Das stimmt eben nur zum Teil. Steward hat erkannt, dass Wladimir defensiv nicht variabel agieren kann. Er hat ihm in der Tat beigebracht richtig zu clinchen, er hat im vor allen Dingen beigebracht - das lief in der Tat über die Beinarbeit - die Offensivaufbau des Gegners durch Gefechtsabbruch zu stören, das heißt die Distanz nach Möglichkeit zu vergrößern, wenn der Gegner in Wladimirs Komfortzone eindringt und wenn das nicht klappt, zu clinchen oder den Gegner durch runterdrücken, drauflegen am Infight zu hindern. Auch das Wegschlagen der Führhand des Gegners war zweifellos auf Steward Mist gewachsen. Wladimir sollte aber auch weiterhin den Kampf über eine lockere, mit weniger Snap geschlagene Führhand aufbauen und offensiv beidhändig die sich bietenden Lücken nutzen. Das hat Steward während der Kämpfe auch immer wieder in den Ring gerufen. Die Dirty Tactics, dort wo es notwendig wird, waren sehr wohl Stewards Ding, das Überziehen und die damit einhergehende Eindimensionalität mit Sicherheit nicht. Deshalb passt hier Wlad Version 2.0 schon nicht mehr - ich halte ohnehin nichts von dieser starr wirkenden Kategorisierung.
Die Sduneksche offensive Variabilität war schon durch Steward wegen der defensiven Schwächen weitestgehend erledigt, denn Rest hat Wladimir in den Folgejahren höchst selbst ganz tief vergraben und nur im Notfall (Pulev) oder bei offensiver Hilflosigkeit des Gegners (Wach, Leapai) noch einmal hervorgeholt. Es kann gesichert davon ausgegangen werden, dass sich Steward bei Wladimirs Leistung im Povetkin-Kampf im Grab umgedreht hat. Sdunek dürfte in Tränen ausgebrochen sein oder etwas in den Fernseher geschmissen haben.
Ich stelle dir eine simple Frage: Nenn mir einen vergleichbaren Gegner wie Wilder oder Joshua ab Stewards Beginn. Sowohl von den physischen als auch boxerischen Parametern ausgehend. Anmerkung dazu: Haye kommt den beiden schon nahe (wie in meinem Ausgangsbeitrag erwähnt) und ist in einigen Punkten sogar besser aufgestellt.
Mach ich. Als schönes Beispiel für die These, dass Körpergröße, körperliche Präsenz/Athletik und Punch alleine gar nichts aussagen, nenne ich Dir ein Beispiel aus der Vor-Steward-Zeit. Vor dem entsprechenden Kampf wurde Jameel McCline als ein solcher Gegner betrachtet, der sich physisch nicht nur auf Augenhöhe sondern sogar überlegen zeigte. Im Ring blieb von der körperlichen Präsenz und dem durchaus beachtenswerten Punch nicht mehr viel übrig, weil McCline weder mit dem Speed Wladimirs noch mit der noch von Sdunek geprägten variablen Offensive hinter einem rammenden Jab zurecht kam und die eigene Defensive einfach zu schlecht war. Der hochgehandelte McCline, der zuvor namhafte Gegner geschlagen - zum Teil auch weggebombt - hatte, kriegte den Zahn nach den ersten harten Jabs und den ersten einschlagenden Haken komplett gezogen. Größe, Athletik und Punch. Ein weiteres Beispiel für meine These: Corrie Sanders war 5 cm kleiner, nicht wirklich austrainiert und sein Punch war bei 28 (T)KO in 41 Kämpfen auch nicht wirklich furchteinflößend. Die Furcht wäre vielleicht gekommen, wenn man bei UBP vernünftige Videostudien betrieben hätte - so waren es letztlich wenige, höchsteffiziente Mittel, mit denen Sanders den riesigen Modellathleten mit "Immense KO-Power" Wladimir kurzrundig abgeräumt hat. Eine extrem effiziente Beinarbeit, eine überragende Präzision und ein grandioses Timing - Merkst Du was?
Zurück zu Deiner Frage: DaVarryl Williamson - ebenfalls ein Modellathlet von ähnlicher körperlicher Präsenz wie Wladimir und "Immense KO-Power" - hatte Wladimir sogar am Boden.
Ein physisches Tier trotz geringerer Größe als Wladimir und zweifelsfrei mit "Immense KO-Power" ausgestattet war Samuel Peter - den ich aus dem Wladimir I-Kampf betrachtet, über die jetzigen Wilder und Joshua stellen würde. Ja, er hat mit seiner physischen Präsenz und seinem Punch Wladimir vor große Probleme gestellt, trotzdem konnte Wladimir Peter mit boxerischen Mitteln knapp auf Distanz halten. Wie man so ein physisches Tier durch psychische Tricks vor dem Kampf und mit ganz sauberen boxerischen Mitteln trotz all der "Immense KO-Power" aus dem Kampf nehmen kann, hat dann Vitali Klitschko gezeigt. Nach dieser Niederlage war Peter nie mehr derselbe.
Körpergröße, körperliche Präsenz/Athletik und Punch sind wichtige Faktoren, sie können auch kampfentscheidend sein - meist sind es andere Fähigkeiten, die das Zünglein an der Waage spielen.