Noch ein kurzer Blick auf die Juniorinnen-Konkurrenz. Da mit Leonie Küng auch eine Schweizerin mit dabei gewesen ist, hab' ich mir dieses Mal zu Gemüte geführt.
Gegnerin von Küng war heute die Polin Iga Swiatek, von welcher ich seit geraumer Zeit die Ergebnisse verfolge und heute zum ersten Mal über die volle Spieldauer beobachten konnte. Swiatek, davon bin ich überzeugt, wird sich weit nach vorne spielen. Was sie teilweise ausgepackt hat, war beeindruckend, doch alles in allem muss sie noch weitaus mehr Konstanz in ihr Spiel bringen. Die Polin geht konsequent auf Winner, sucht die Linien und bringt die Bälle unglaublich geradlinig zurück, dass Küng oftmals nicht die kleinste Chance hatte, den Ball zu erreichen. Der Aufschlag kommt phasenweise unglaublich stark, präzise und mit ordentlich Power. Aber auch der zweite Aufschlag mit viel Schnitt ist stark, packt diesen nur nicht so oft aus. Beim Service geht ihr bislang die Konstanz noch am ehesten ab.
Nur eine Hau drauf-Spielerin ist sie trotzdem nicht. Ihre Stopbälle kommen zwar nicht unerwartet, sind aber unglaublich stark gespielt, sodass Küng selten einen erreichen konnte. Und auch wenn sie ihn nicht oft gespielt hat, der Slice von ihr ist - zumindest heute - sehr unangenehm zu kontern. Sehr flach und mit starker Länge. Dieser ist mir zuvor in "Highlight"-Videos allerdings noch nie derart aufgefallen. Dringend verbessern muss sie sich in ihrer Defensivarbeit. Sobald sie ins Laufen gebracht wurde, kam da nicht mehr all zu viel. Zudem klebt sie mir noch zu sehr an der Grundlinie.
Leonie Küng sehe ich jetzt zum zweiten Mal über die volle Distanz und die junge Schaffhausnerin macht tolle Fortschritte. Dass sie überhaupt im Finale stand, ist schon eine ziemliche Überraschung, in Anbetracht, dass sie Anfangs Juli in Roehampton turniermässig erstmals auf Rasen gespielt hat. Küng setzt auf ein angriffiges Spiel, also ist von der Spielanlage ähnlich wie Swiatek. Anders als die Polin setzt sie das Spielen durch die Mitte auch als taktisches Mittel ein, denn dort agiert sie mit sehr guter Länge und bringt die Bälle flach zur Gegnerin. Swiatek hat mit dieser Taktik mehrfach ihre Probleme gehabt, allerdings auch zu einigen Winnern ansetzen können, wenn Küng die Bälle nicht mit letzter Konsequenz gespielt hat. Mit dem Aufschlag konnte sie nicht so viel Gefahr ausstrahlen wie ihre Konkurrentin, aber sie liefert diesen mit weitaus grösserer Konstanz.
Ihre Probleme hat die Ostschweizerin wie Swiatek in ihrer Athletik, auch wenn sie hier weitaus weniger Probleme hat. Ihr Problem ist vor allem die Fußarbeit, wo definitiv noch Verbesserungsbedarf besteht. Auch die Stopbälle muss sie noch verbessern, die waren eigentlich immer zu hoch angesetzt. Interessanterweise folgt sie bei den meisten ins Halbfeld und hat dort ein gutes Antizipationsvermögen, wodurch sie viele der Bälle wieder abfangen konnte. Allgemein hat sie immer wieder den Weg ins Feld gesucht, nur Swiatek hat ihr heute wenige Chancen geboten.
Das Finale heute war nicht eine derart klare Angelegenheit wie das Ergebnis vermuten lässt und dennoch ist Swiatek die verdiente Siegerin dieses Turniers. Küng war merklich nervös, die Polin hat durchaus mehr Erfahrung auf grösserer Bühne (und unter anderem immerhin auch schon Spielerinnen wie Chirico (2x), Duque Mariño und Falconi geschlagen). Und Küng hat einige Körner mehr verbraucht. Dennoch darf sie mehr als zufrieden sein; das Turnier hat sicherlich gezeigt, dass sie in ihrer Karriere auf dem richtigen Weg nach oben ist. Auch in diesem Jahr ging es für die 17-jährige schon mehr als 200 Plätze nach oben und darf sich in der kommenden Woche im Main Draw von Gstaad versuchen, wo sie in der ersten Runde auf Johanna Larsson trifft.