Das sehe ich nicht so. Haye wusste sehr wohl worauf er sich einlässt und hat genauso geboxt, wie er es Wladimir vorwirft und was auch alle anderen an Wladimir kritisieren. Er hat risikominimiert geboxt und da war eben nicht mehr drin. Haye hier mit einer "mangelnde Einstellung" -was auch immer Du damit meinst- wegkommen zu lassen finde ich zu einfach.
Dein gutes Recht es anders zu sehen. Mir ist da Deine Analyse zu undifferenziert. Haye hat vor allen Dingen am Anfang versucht, mit überzogenen Mätzchen den Ringrichter auf die üblichen, meist ungeahndeten Dirty Tactics von Wladimir aufmerksam zu machen und ihn so zum Handeln zu zwingen. Das ist für sich genommen vielleicht eine gute Idee, wenn man die Ausgangslage bedenkt. Dummerweise droht dabei die Gefahr, dass man es übertreibt und dann wie ein Hampelmann aussieht und was noch viel schwerer wiegt: Haye hat sich damit den eigenen boxerischen Rythmus zerstört und Chancen liegen lassen. Daneben war er überwiegend nicht bereit durch's Feuer zu gehen, Risikominimierung war offenkundig oberstes Gebot. Das ändert aber nichts daran, dass er trotzdem Runden gegen Wladimir gewonnen hat und in diesen Runden lag die Blaupause für einen Sieg. Er hat in ihnen gegen Wladimir den eigenen Jab etabliert (was sehr wichtig ist, siehe Thompson I) und hat in Wladimirs Aktionen reingeschlagen und Wladimir in den Rückwärtsgang gezwungen. Letzteres leider nicht konsequent. Diese Art zu boxen hat er nur für wenige Runden aufrecht erhalten, was zweifelsfei auch, aber eben bei weitem nicht ausschließlich an Wladimir lag. Man kann mutmaßen, dass auch nicht die Kondition vorhanden war, diese Taktik bis zum Ende der zwölften Runde zu gehen und er war eben nicht bereit, harte Treffer zu nehmen, um dieses Konzept durchzusetzen. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Konzept das Potenzial hat, Wladimir objektiv im Ring zu besiegen.
Man muss hier auch mal klar machen, dass allein Talent und die eigenen Skills m.E. nicht reichen, um gegen Wladimir zu gewinnen. Haye ist m. E. einer der komplettesten Boxer die da derzeit so rumkrepeln. Mann muss es aber eben auch hinbekommen, Wladimir im Ring zu vermeiden -ich nenn das mal so-. WK hat es bisher immer geschafft, dem Gegner seinen Stil aufzuzwingen. Da hat auch Haye nichts gegen machen können.
Da Wladimir ein unzweifelhaft harter Puncher ist, sollte man natürlich harte Treffer vermeiden. Damit alleine gewinnt man aber keinen Kampf. Die Blaupause gegen Wladimir scheint bei den meisten Gegnern und deren Trainern immer die Gleiche zu sein. Man duckt sich ab, versucht zum Körper zu schlagen oder springt überfallartig in den Mann rein, um dann vom Klammer- und Drauflegeaffen dankend erwartet zu werden. Diese Taktik orientiert sich vielleicht an Brewster I, aber egal wer sie ansonsten vorträgt (Pianeta zuletzt): sie ist dämlich, da sie Wladimir nicht aus seiner Komfortzone lockt, weil sie nicht Wladimirs stärkste Waffen neutralisiert und weil sie seine Schwächen nicht zum Tragen lassen kommt. Insoweit hatte Wladimir auch meist keine Mühe, den Gegnern seinen Stil aufzuzwingen, da sie ihn immer wieder dazu eingeladen haben.
Die offenkundig beste Methode um Wladimir zu stören, besteht darin, Wladimirs Jab zu neutralisieren. Das funktioniert am Besten, wenn man selber einen Jab schlägt. Das schmeckt Wladimir nicht, was man an Haye und Thompson sehen konnte. Wenn man es beherrscht, dann ist das Reinschlagen in Wladimirs Aktionen und wenn es die Beinarbeit zulässt, das Kontern mit dem blitzschnellen Überbrücken der Distanz/dem Nachsetzen wie von Sanders gezeigt, das beste Mittel. Das funktioniert sogar dann ganz gut, wenn der Speed von Sanders fehlt, man aber wenigstens über Timing und Präzision verfügt (Thompson I).
Wladimir wird zum Stolperer, wenn er sich im Rückwärtsgang von einem nachsetzenden Gegner lösen will, auch das hat Haye nochmal gezeigt, aber eben nicht konsequent umgesetzt. Daher bleibe ich insgesamt bei meinem Urteil, das Haye die grundsätzlichen Fähigkeiten für einen Sieg gegen Wladimir gezeigt hat, es aber in ihrem Kampf letztlich - m.E. aus eigener Dummheit - nicht umgesetzt hat, wobei letzteres ersteres nicht negiert.
Letztlich muss man Wladimirs hinlänglich bekannten Schwächen zum Tragen lassen kommen und nicht einen Stil boxen, der ihn in seiner Komfortzone hält und ihm einlädt, seine Dirty Tactics zu entfalten.
Solis ist weg, von dem muss man sich verabschieden, alles andere ist Träumerei oder Wunschdenken.
Beweglich ist er wie eine Bahnschranke, null Beinarbeit, keinerlei Explosivität und sein stets zunehmendes Gewicht gepaart mit dem älter werden und immer weniger Athletik ist leider Solis Ende.
Ich habe nie etwas anderes behauptet und das
hier auch noch einmal so geschrieben. Deshalb war auch die Prämisse
theoretische Fähigkeiten≠aktueller Leistungsstand
Wenn man sich Solis Amateurkämpfe anschaut und sein gelegentlich aufblitzendes Talent betrachtet, dann kann man nur zu dem Schluss kommen, dass das grundsätzliche Poetenzial vorhanden war. Das es nie wirklich und offenkundig nie mehr zur Entfaltung kommt, ändert an dieser Feststellung rein gar nichts.