In der Sache hat Löw ja völlig Recht. Mir fällt kein einziger Spieler ein, der in den letzten 20 Jahren acht derart schwache LS am Stück machen durfte. Nur hat das natürlich in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Es gibt ja Spieler, bei denen öffentliches Anzählen mitunter leistungsfördernd wirkt (Boateng vor der EM z.B.), bei Schmelzer kann ich mir das eher nicht vorstellen. Aber das werden wir ja nachher sehen. Grundsätzlich halte ich von öffentlicher kritik eines Trainers an einzelnen Spielern nichts - egal von wem an wem.
Allgemein ist das sicher ein weiterer Beleg für die derzeitige Stimmungslage in und um die NM. Das schwankt ja zwischen angespannt und blanker Aggression und kann so auf Dauer nicht weiter gehen.
Das gilt sowohl für Löw, der mit Kritik einfach souveräner umgehen und dahin kommen muss, Fehler oder Niederlagen wie gegen Italien in positive Wut und Energie umzumünzen. Auch das gehört zu seinem Job und das gelingt ihm in den letzten paar Monaten erkennbar nicht. Rein sportlich habe ich nach wie wenig auszusetzen, denn sowohl in der Personalauswahl (inkl Ballack/Frings/Kuranyi) als auch in der Spielweise mit dem Wandel hin zu weitgehend attraktivem Fußball hat er in den 6 Jahren wesentlich mehr richtig als falsch gemacht. Wie er aber mit der derzeitigen Lage pädagogisch und medial umgeht, ist alles andere als gut.
Das gilt aber auch für Medien und Fans. Wenn ich die ständigen Popelbeleidigungen lese, die ja mittlerweile zum Volkssport in den so herrlich anonymen Internetforen geworden sind (überall, leider auch hier bei uns), krieg ich das ganz große Kotzen. Wenn ich sehe, wie selbsternannte Experten und Reporter seit Wochen hämisch aus allen Rohren schießen und die absurdesten Personalvorschläge machen (zuletzt Uwe Morawe gestern auf Sport1 mit Koka Rausch als LV), dann frage ich mich, ob wir nach 6 Jahren Grottenkick bei der EM mit einem 0:5 gegen Luxemburg in der Vorrunde ausgeschieden sind? Es war eine schlimme Niederlage im HF, aber auch die erste wirklich schlimme in 6 Jahren, 6 mehr als überwiegend guten Jahren.
Aber so wie es derzeit vor allem atmosphärisch abläuft, sehe ich nur 2 Möglichkeiten:
1. es entsteht wieder eine positive Dynamik und dadurch automatisch mehr Spielfreude. Das geht neben der natürlich erforderlichen Arbeit an taktischen Dingen (Defensive) nur über Erfolge. Mit denen erledigen sich viele atmosphärische Dinge auch medial von alleine. Ist immer so. Es braucht Siege und zwar überzeugende und das pronto. Geduldige Arbeit an taktischen Dingen zu Lasten von Ergebnissen und Attraktivität kann sich Löw bei der breiten Stammtischmasse derzeit nicht leisten, auch wenn es vielleicht richtig wäre.
2. es kommt in absehbarer Zeit, also den nächsten Monaten, zu einem echten Eklat mit unabsehbaren Folgen. Das kann schon bei der nächsten Niederlage sein, spätestens bei zweien in Folge.
Aus meiner Sicht wäre das völlig unnötig, aber die Stimmung um die NM ist derzeit nunmal so, wie sie ist.
Alle miteinander, Löw selbst, Medien und Fans sind momentan auf einem sehr guten Weg, das Erreichte der letzten insgesamt 8 Jahre mit ihren Hintern einzureissen - und das ist so schade wie es an sich unnötig ist.