Interstellar
Bin hier ja eigentlich eher der Mitleser, aber da manche wohl gerne eine frühe Meinung zum Film hören wollen, nun eine Kurzkritik:
Interstellar ist ein typischer Nolan-Film, und dennoch ist er es nicht.
Er ist konzeptuell brillant, energiegeladen, intensiv, ambitiös-visionär. Herauszuheben einerseits die optische Form: visuell atemberaubend, in jedem Moment wunderschön; anderseits der ingeniöse Score: eine äußerst symbiotische Mischung aus Zimmers pulstreibendem Gepumpe und kosmischer Stille. Löblich auch die darstellerischen Leistungen, ganz besonders die von McConaughey und Chastain. (Und eine kleine Cast-Überraschung zaubert Nolan auch noch aus dem Hut.)
Filmgeschichtlich ist Interstellar reich an Referenzen und Reverenzen - natürlich Tarkowskis Solaris, vor allem aber Kubricks 2001, wo in Dutzenden Reminiszenzen aufkommen (recht amüsant hierbei TARS als possierlicher HAL-Verschnitt), wenngleich ohne dessen intellektuelle Symbolik.
So erreicht der Film logischerweise nicht im Ansatz dessen metaphysische Tiefe (verspricht sie aber auch nicht) und krankt ansonsten an typischen Nolan-Drehbuchmängeln: Trotz gelungener Endwendung bleibt Interstellar über weite Strecken plotschwach; ärgerlich auch die hölzernen Dialoge und blasse Figurenzeichnung. (Außerdem schafft es Nolan schon wieder, sein Lieblingsmotiv der toten Frau - die im Übrigen nicht die geringste Rolle spielt, daher kein Spoiler - einzubauen.)
Inzenatorisch ist es jedoch eine sehr reife Leistung, und endlich erreicht Nolan den Rezipienten auch auf emotionaler Ebene. Zwar ist der Film geistig durchaus anspruchsvoll (und wissenschaftlich wohl nicht perfekt; hierfür fehlt mir die Expertise), löst sich aber ansonsten doch deutlich von seinen Vorgängern.
Vordem fungierte das Gefühl lediglich als MacGuffin, als plottreibende Apologie seiner Ideen - hier nichts zu sehen von der generischen Kühle, der sterilen Durchgeistigung; stattdessen existenzielle Wucht. Vielleicht propagiert Nolan seine Werte ungeschickt, unsubtil, sentimental, aber er tut es immer ehrlich, kraftvoll, und so hat Interstellar, was seinen Vorgängern fehlte: Humanität, Güte, Liebe. (Seufz!)
Möglicherweise Nolans Bester.
Leicht irrational überhöhte 8,5/10.