Dead to Rights (Nanjing Fotostudio) (2025) Krieg, Geschichte, Drama
Eben erst released, hat der Filmemacher Ao Shen ein Werk abgeliefert, welches von China als Beitrag für den Oscar 2025 in der Kategorie bester internationaler Film vorgeschlagen wurde.
Der Film wird bei IMDb immerhin mit 8.1 bewertet, was sehr gut ist. An den Kinokassen winkt ein grosser finanzieller Erfolg, wurden doch schon bereits über 400 Millionen US Dollar eingespielt.
Hintergrund ist die Aufarbeitung des
Massakers von Nanking. Für das Drehbuch waren Ao Shen, Luyang Xu und Ke Zhang verantwortlich.
Plot:
Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg. Die Japaner greifen Nanking an. Trotz tapferer Gegenwehr der Chinesen gelingt es nicht, die Stadt zu halten. Die Japaner fallen in Nanking ein. Gleich zu Beginn machen wir Bekanntschaft mit dem Helden Su Liuchang (Ah Chang oder andere Namen), der als einfacher Pöstler arbeitet. Er möchte fliehen, verpasst den vermeintlich rettenden Lastwagen, als er einer Bitte eines Citoyens entspricht und für ihn einen Brief von dessen Tochter heraussucht. Er sieht in der Folge "seinen" Lastwagen davonfahren und wie diesen eine Bombe trifft.
Wir machen Bekanntschaft mit dem japanischen Kriegsfotografen Hideo Ito. Sein Problem ist, dass er die Filme erstmal nicht selber entwickeln kann und dafür händeringend Abhilfe sucht.
Ah Chang wird für einen Soldaten gehalten, gefangen. Ito soll ihn erschiessen, was eine neue Wendung nimmt, als er Fotoalben bei Ah Chang entdeckt. Ob er in einem Fotostudio arbeite? Wang, ein Japan-freundlicher Chinese hat übersetzt. Ah Chang lügt und bejaht dies, um sein Leben zu retten. Ob er Filme entwickeln könne? Ah Chang nickt. Ito führt aus, dass Ah Chang genau diese Person sei, welche er suche. Wang ist verheiratet, hat ein Kind, aber auch eine Geliebte: Yuxiu, welche Opernsängerin ist und für die Japaner singt. Sie wird bei einem Auftritt gedemütigt, als die Soldaten sie auffordern, sich auszuziehen. Der chinesische Soldat Cunyi rettet Yuxius Situation, indem er das Licht ausmacht.
Ito, Wang und Ah Chang erreichen den Fotoladen. In einer Komode entdeckt Ah Chang den Geschäftsbesitzer Chenzong, der sich dort versteckt hält. Ito will die Dunkelkammer sehen., was ihm Ah Chang gewährt. Der japanische Fotograf ist zufrieden mit dem, was er sieht, gibt ihm eine Filmrolle und verlangt von Ah Chang, dass er sie bis zum nächsten Tag entwickelt. Ito stellt Ah Chang ein Papier aus, welches ihn bei japanischen Nachfragen schützen soll und verlässt den Fotoladen. Im Untergeschoss wird Ah Chang von Chengzong, dessen Frau Yifang, die Tochter Wanyi und das Baby Huahua vorgestellt. Sie alle halten sich vor den Japanern versteckt. Chengzong führt Ah Chang dann in der Folge in die Kunst des Filmeentwickelns ein.
Im Wesentlichen handelt es sich also um ein 9-Personenstück (wobei es noch zahlreiche andere Nebenfiguren gibt):
Der japanische Fotograf Ito, der Uebersetzer Wang, der eine Sympathie für Japan hegt, die Opernsängerin Yuxiu, welche zwischen beide Fronten gerät, Ah Chang, der sich mit Filmeentwickeln über Wasser hält und Chengzong, welcher mit seine Frau Yifang, der Tochter Wanyi, dem Baby Huahua im Untergeschoss lebt. Dazu stösst im weiteren noch der Soldat Cunyi.
Hintenraus werden Ah Chang und Chengzong Greueltaten der Japaner auf entwickelten Fotos sehen und Ah Chang beschliesst, diese zu kopieren und der Nachwelt als Beweise zu sichern.
Wie funktioniert diese Gruppe, welche Interessen werden die einzelnen Mitglieder verfolgen? Wie reagieren ihre Mitglieder, als es zur crunch time kommt? Wer wird sich ändern, wer wird überleben, mit welchen Strategien? Gibt es Verrat und welche Rolle spielt das geschützte internationale Gebiet von Nanking bei der Geschichte?
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Nundenn: Der Film ist mit einer Länge von 2 Std. und 17 Minuten nicht besonders kurz. Trotzdem ist den Drehbuchschreibern Ao Shen, Luyang Xu, Ke Zhang ein grosses Kompliment auszusprechen: Die Geschichte ist hervorragend erzählt, viele überraschende Twists und Turns sind eingebaut. Das Drehbuch ist sehr schlau und intelligent komponiert. Sowas habe ich noch nicht oft so gut gesehen.
Selten so ein Mitfiebern mit Filmdarstellern gespürt. Seltsam, wie tief man in einem Film mitfühlen kann, wenn die Story gut erzählt ist.
Habe durchaus Parallelen zu den Filmen wie Anne Frank oder Schindler´s List feststellen können. Wer diese 2 Filme mag, könnte evtl. auch dieses Werk zu schätzen wissen.
Der Film ist hervorragend inszeniert. Die düstere Atmosphäre mit dunklem Grau transportiert die Geschichte perfekt. Die Kombination grau-blutrot funktioniert. Die Locations sind eindrücklich.
Das Handwerk des Filmeentwickelns wird gut erklärt, ist lehrreich.
Die Filmmusik vermag zu überzeugen, der Schlusssong ist der Hammer.
Was mir nicht so behagte war, dass ich ständig Untertitel lesen musste. Das war bei so einem Output an Dialogen recht anstrengend. Falls es eine deutsch gesprochene Version gibt, würde ich diese unbedingt empfehlen.
Der Film wird als FSK 16 gelistet. Ganz üble Gewalt wird nicht gezeigt, viele Szenen nur angedeutet. Trotzdem gibts in diesem Film eine Szene, mit welcher ich seit 2 Tagen nicht klar komme. Es gibt einige Kommentare, welche sie deutlich als DIE SZENE beschreiben. Auf Videos/Clips habe ich sie noch nirgends gesehen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie in die Filmgeschichte eingehen wird.
Die Darsteller sind mit Ausnahme von Liu Haoran, der Ah Chang spielt und Wang Chuanjun, der Wang verkörpert, keine bisherigen absoluten Top-China-Schauspieler zu sehen.
Denke schon, dass sich dies mit diesem Film ändern wird. Die 9 haben echt durch die Bank hervorragende Leistungen abgeliefert und was Gao Ye hier aufgeführt hat, war schlicht stunning.
Würde schon noch eine Warnung aussprechen wollen: Wer psychisch nicht stabil ist, sollte sich diesen Film nicht geben. Viel Frohes gibts hier nicht zu sehen und eine absurd traurige Stimmung ist nicht auszuschliessen.
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Der Film beruht insofern auf wahren Ereignissen:
Im Dezember 1937 besetzten die Japaner Nanjing. Der unten abgebildete Junge ist der damals 15-jährige Luo Jin, der im East China Photo Studio arbeitete. Im Januar 1938 erschien ein japanischer Militäroffizier in seinem Laden, um zwei Rollen mit 120 er Sakura-Markenfilmen zu entwickeln. Luo Jin erkannte vergewaltigte Frauen, massakrierte Landsleute, und riskierte sein Leben, indem er mehr als 30 Bilder entwickelte. Von diesen wählte er 16 aus (manche Bilder waren nicht guter Qualität, andere Photos von Vergewaltigungen erschienen ihm nicht richtig, diese zu saven, da er fand, dass so üble Erniedrigungen die Ehre der Geschundenen zu sehr beschmutzte) und erstellte ein Album, welche beim Kriegsverbrechertribunal eine wichtige Rolle spielte. Aelter geworden bereute er es zutiefst, diese Bilder nicht auch noch aufbewahrt zu haben.
Luo Jin verliess das Fotostudio 1940 und trat ein Studium in einem Verkehrs- und Telekommunikationsschulungsteam an, welches in einem Pilu-Kloster stattfand. Als es Bombenalarm gab und eine Durchsuchung anstand, versteckte Luo Jin sein Album in der Wand der Toilette des Pilu-Tempels. Als er bei einem Kontrollgang sah, dass das Album nicht mehr dort war, packte ihn Panik und er floh aus Nanjing, bereiste viele Orte und eröffnete ein Shanghai-Fotostudio im Kreis Datian, Fujian. Luo Jin hat eine Autobiographie verfasst und ist 2005 verstorben.
Wu Liankai war ein Kollege Luo Jins und nahm an der gleichen Schulung teil. Er fand das Album in der Toilette und sah sofort, dass dies ein wichtiges Dokument war, welches die Greuel der Japaner dokumentierte. Er versteckte das Album neuerdings unter einem sitzenden Buddha des Tempels. Nach seiner Ausbildung nahm er das Album mit und versteckte es bei sich. Als die Chinesen Beweise suchten für die Untaten der Japaner liess Wu Xuan (er hatte inzwischen seinen Namen geändert)´den Untersuchungsbehörden das Album zukommen. Es ging als Beweisstück Nr. 1 in die Geschichte ein und wird auch von Iris Chang in ihrem Buch erwähnt. Wie meine Recherche ergibt, starb Wu Xuan im Jahr 1998.
So sieht das Album von aussen aus.: Das Schriftzeichen oben rechts heisst übersetzt: Schande.
Dokumentfarfilm "Blood Evidence of the Massacre" aus dem Jahr 1987. Regie führte Luo Guanqun.
Am 9. Dezember 1994 veröffentlichte die "Sanming Daily" einen Beitrag, um über Luo Jins Geschichte zu berichten. Danach wurden Luo Jins Taten von den Medien weithin bekannt gegeben.
Die beiden Protagonisten Luo Jin links und Wu Xuan rechts, als sie sich in den 90 er Jahren wieder begegneten.
Das Originalalbum befindet sich im 2. Historischen Archiv Chinas. Am 9. Oktober 2015 wurden 11 Archive des Nanjing-Massakers von der UNESCO aufgenommen, darunter das besprochene Album.
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Iris Chang - the Rape of Nanjing liefert für geschichtlich interessierte gutes Material. Die abgebildeten Fotos sind allerdings nur schwer zu ertragen.
Frau Chang weist nach, dass in Nanking über die 3 monatige Periode gerechnet, alle 20 Sekunden ein Mensch sein Leben verlor.
Sie kommt konservativst gerechnet auf 260000 Tote oder höchstens 350000 Tote des Massakers.
Die Zahl der vergewaltigten Frauen beziffert sie auf 20000-80000 wobei sie darauf hinweist, dass die Grausamkeiten auch, abgeschnittene Brüste, das Nageln an eine Wand, Väter, die ihre Töchter , Söhne ihre Mütter vergewaltigen mussten, als Familienangehörige zuschauten (wohl eher zuschauen mussten). Zudem kam es zu lebend Begrabungen, Kastrationen, Entfernung von Organen, oder Aufhängen an Zungen usw. Kurz: Die Grausamkeiten hatten kaum Grenzen und bestimmte Bilder hätte ich wohl lieber nicht gesehen.
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Zu guter Letzt bedanke ich mich bei allen, welche an diesem Film mitgearbeitet haben, den indonesischen und chinesischen Freunden, welche mir das Sehen des Films ermöglicht haben.
Spezielles Danke an "Tschü au".