Hannover 96
Im Jahr 1998 kehrte Hannover 96 durch den Aufstieg aus der Regionalliga Nord in die Zweite Liga in den bezahlten Fußball zurück. Seitdem sind also ein paar Jahre vergangen. Die Saison 2020/21 geht es als seitdem schlechteste in die Vereinsgeschichtsbücher ein. Mit 42 Punkten reichte es lediglich zu Platz 13 und einer Saison, die man wohl am liebsten schnell vergessen würde. Dabei war die Hinrunde sogar gar nicht mal so übel. Einem Sieg-Niederlage-Sieg-Niederlage-Sieg-Niederlage-Start folgten zwar vier sieglose Spiele und Platz 14, aber man robbte sich nach und nach oben und konnte mit einem 5:2 in Nürnberg die Hinrunde mit Platz 6 und ganz okayen 26 Punkten abschließen. Zwischen Mitte Februar und Mitte April ging dann aber gar nix mehr und acht sieglose Spiele mit mickrigen drei Pünktchen führten dazu, dass man sich aus oberen Tabellenhälfte verabschieden musste. Letztlich verhinderte nur das Polster aus der Hinrunde ein Abstürzen in die ganz heiklen Tabellenregionen, denn auch nach dem Heimsieg gegen Regensburg am 30. Spieltag kam keine Ruhe rein. Kurze Zeit darauf wurde offiziell verkündet, dass sich die Wege von Hannover und Cheftrainer Kenan Kocak am Saisonende trennen würden. Diese Entscheidung kam für niemanden überraschend.
Der neue Trainer Jan Zimmermann (zuvor Havelse) übernimmt in einer mal wieder unruhigen Phase das Ruder. Ich muss gestehen, ich steige da gar nicht mehr so richtig durch, wer da sportlich jetzt das Sagen hat - also abgesehen von Gesellschafter Kind natürlich. Mitte Juni wurde Marcus Mann von der TSG Hoffenheim geholt und zum neuen Sportdirektor ernannt. Mein letzter Sachstand ist, dass er es noch immer ist. Wie angedeutet, bei 96 kann sich das schon mal schnell ändern. Da haben dann auch mal Leute die Verantwortung, die eigentlich gehen sollen und sich im Rechtsstreit mit dem Verein befinden. Die bisherigen Neuzugänge wurden jedenfalls von Gerhard Zuber, also dem Vorgänger von Mann, eingetütet. 96 und Zuber hatten sich nach Horst Heldts Entlassung überworfen, vor Gericht gestritten und Kind hat mehr als einmal durchblicken lassen, dass er Zuber lieber heute als morgen rausschmeißen würde, es aber nicht so einfach wäre, weil er bis 2023 vertraglich gebunden ist und eine Entlassung teuer würde. Und da fragt man sich, warum es sportlich nicht läuft?
Naja, mit Mann und Zimmermann und ohne Zuber und Kocak (die auch zerstritten waren) soll es auf jeden Fall aufwärts gehen. Das wird aber nicht so einfach, denn mit Genki Haraguchi hat einer der besten Spieler der Liga den Verein verlassen. Haraguchi war nach Torjäger Marvin Ducksch der zweitbeste Scorer der 96er und spielt jetzt bei Union Berlin in der Bundesliga. Ebenfalls ins Oberhaus verabschiedete sich Innenverteidiger Timo Hübers, den es an den Rhein zum FC Kölle zog. Hübers war in der letzten Saison zweimal mit Knieproblemen für einige Wochen raus, ansonsten aber Stammspieler. Beim FC wird er auch wieder auf Kingsley Schindler treffen. Dieser kehrt nach einer enttäuschenden Leihe und nur einer Torbeteiligung zu seinem Stammverein zurück. Besser lief es für Jaka Bijol, der im defensiven Mittelfeld gesetzt war. Für ihn heißt es jetzt aber wieder ZSKA Moskau statt Hannover. Der Vertrag mit Michael "Bruno" Esser, der eigentlich noch bis 2023 lief, wurde aufgelöst und Esser kehrte zum VfL Bochum zurück. Josip Elez zieht es nach einer Saison, in der er ein ziemliches Wechselbad zwischen Platz, Bank und Tribüne , in seine Heimat Split zu Hadjuk zurück. Michael Ratajczak hat seine Karriere beendet und ist nun als Torwarttrainer beschäftigt, während der 22jährige Niklas Tarnat noch auf der Suche nach einer Anschlussbeschäftigung ist.
Fangen wir bei den Neuzugängen mit einer schrägen Nummer an. Julian Börner steht dort nämlich bisher erstmal unter Vorbehalt. Er hat sich mit 96 geeinigt, aber dafür muss sein bisheriger Verein Sheffield Wednesday mitspielen und ihn aus seinem Vertrag, der noch bis zum 30. Juni nächsten Jahres läuft, lassen. Und da wird es kompliziert. Börner sagt, dass er seit Monaten keine Kohle bekommen hat und möchte ablösefrei gehen. Er hat auch Klage gegen den englischen Verein, der momentan aufgrund von "Unregelmäßigkeiten" keine Spieler verpflichten darf, eingereicht und in Aussicht gestellt, die Klage fallen zu lassen, wenn man seinen Wechselwunsch abnickt. Es gilt als sicher, dass Verteidiger Börner, der auf über 140 Spiele in der zweiten Liga kommt, irgendwann die Freigabe bekommt, die Frage ist nur wann. Die drei Sebastians - Kerk, Ernst und Stolze - sind dagegen alle schon an Bord und einsatzbereit. Zu Stolze habe ich ja schon beim Regensburg-Text etwas geschrieben, daher beschränke ich mich auf Kerk und Ernst. Kerk spielte eine starke Saison, konnte aber trotz seiner zwanzig Scorerpunkte den Abstieg von Osnabrück nicht verhindern. Besser lief es für Sebastian Ernst, der mit Fürth in die Bundesliga aufstieg, nun aber zurückkehrt zu Hannover 96, wo er die Jugendabteilung durchlaufen hat. Ron-Robert Zieler kehrt nach seiner Ausleihe an den 1. FC Köln zurück. Zieler wurde von Kind öffentlich mehr als nur angezählt. Zieler hätte man gar nicht erst verpflichten dürfen und er habe auch keine Chance auf einen Stammplatz, so Kind vor etwa genau einem Jahr. Jetzt sieht es so aus, als würde Zieler als Stammtorwart in die Saison gehen. Hannover 96 und Martin Kind in a nutshell.
Der Kader war auch letzte Saison viel besser als das Ergebnis, aber das Theater drumherum macht es fast unmöglich in Ruhe zu arbeiten. Den Abgang von Haraguchi hat man mit dem Trio der Sebastians gut aufgefangen. Mit Ducksch hat man einen der besten Stürmer der Liga in den Reihen. Die Offensive sollte also funktionieren, defensiv ist das aber weiterhin zu wenig. Börner wäre ein guter Griff, aber wer weiß, wie lange sich das noch zieht. Potential für eine gute Platzierung ist vorhanden, aber es wird wieder die üblichen Störfeuer geben. Am Ende reicht es für eine kleine Verbesserung.