Hertha BSC
Mitte März endete mit dem Verkauf seiner Anteile an 777 Partners die Ära von Lars Windhorst bei Hertha BSC. Windhorst war 2019 mit seiner Tennor Holding bei Hertha eingestiegen und prägte anschließend den Begriff des "Big City"-Clubs, der mit seinen Investitionen in den Europapokal kommen sollte. Den Begriff, der angesichts der ausbleibenden Erfolge Anlass für viele Witze wurde, würde die Vereinsführung unter Ex-Ultra Kay Bernstein, der im Juni 2022 zum Präsidenten gewählt wurde, am liebsten noch gestern beerdigen. Über 350 Millionen Euro sollte Windhorst in den vergangenen Jahren in den Verein pumpen, genützt hat es wenig. Nachdem seine Zeit als Investor abgelaufen war, kündigte Windhorst umgehend seine Vereinsmitgliedschaft. Vielleicht will er seine Ausgaben reduzieren, wer weiß. Aber genug zu Lars Windhorst, lasst uns kurz auf den neuen Investor schauen. Das in Miami ansässige Private-Equity-Unternehmen nennt ein ganzes Netzwerk an Fußballvereinen sein Eigen. Bei sechs weiteren Klubs ist 777 beteiligt - FC Sevilla, FC Genua, CR Vasco da Gama, Standard Lüttich, Red Star Paris und Melbourne Victory.
In der Saison 2021/22 konnte sich Hertha BSC unter Medizinballfetischist Felix Magath über die Relegation noch retten. Dieses Glück blieb dem deutschen Meister von 1930 und 1931 diesmal verwehrt. Keven Schlotterbeck besiegelte mit seinem Kopfballtor zum 1:1-Ausgleich der Bochumer am 33. Spieltag das, was sich schon lange angedeutet hatte: den Abstieg. Hertha ist damit erstmals seit 2013 wieder Teil der zweiten Liga. Aber nochmal zurück zur Abstiegssaison. Diese startete schon denkbar schlecht. Im Pokal flog man gegen Braunschweig nach Elfmeterschießen raus und am ersten Spieltag verlor man das Derby gegen Union. Am Saisonende sollten beide Vereine über dreizig Punkte trennen. Den ersten Sieg unter Sandro Schwarz, den Fredi Bobic als neuen Trainer auserkoren hatte, feierte man am 5. Spieltag in Augsburg. Es sollten bis zu seiner Entlassung nur noch vier weitere folgen - darunter der einzige Rückrundensieg unter seiner Verantwortung. Nach einem 2:5 auf Schalke und dem Absturz auf Platz 18 wurde Schwarz entlassen. Fredi Bobic war da schon längst nicht mehr Sport-Geschäftsführer. Bobic wurde nach der Rückrundenauftaktniederlage (0:2 gegen Union Berlin) entlassen und befindet sich momentan im Rechtstreit mit seinem früheren Arbeitgeber, da dieser die ordentliche in eine fristlose Kündigung umwandelte, nachdem Aufnahmen von Bobic, in denen dieser einem Journalisten eine Ansage ("Wenn du noch mal fragst, kriegst du eine gescheuert") machte, bekanntwurden. Im Februar kommenden Jahres soll der Fall verhandelt werden. Nachdem Schwarz entlassen wurde, kehrte Pal Dardai ein weiteres Mal auf die Trainerbank der Hertha zurück. Die sieben Punkte, die man unter ihm in den verbleibenden sechs Spielen holen sollten, reichten aber nicht.
Hertha BSC steht bei der Kadergestaltung vor einer Mammutaufgabe. Die Ausgaben mussten dringend verringert und Spieler, die ihre hohen Gehälter nicht ansatzweise rechtfertigten, abgegeben werden. Insgesamt konnte man bisher etwas mehr als vierzehn Millionen an Transfererlösen erzielen. Weitere könnten folgen, wenn sich noch jemand finden sollte, der einen akzeptablen Preis für Spieler wie Dodi Lukébakio und Suad Serdar zahlt. Noch sind sie aber Herthaner, aber es kann sich noch viel tun. Definitiv nicht mehr Spieler von Hertha sind Jessic Ngankam (für vier Millionen zu Eintracht Frankfurt) und Lucas Tousart (3 Millionen - Union Berlin), die allein knapp die Hälfte der Einnahmen brachten. Stürmer Ngankam kam verletzungsbedingt erst zum Ende der Hinrunde erstmals zum Einsatz, konnte dann aber in den verbleibenden Spielen immerhin viermal treffen. Für Mittelfeldspieler Tousart gab die Alte Dame 2020 in der Hochzeit des Geldausgebens 25 Millionen aus. Omar Alderete und Santiago Ascacíbar bleiben nach Ablauf ihrer Leihgeschäfte bei den Vereinen, wohin sie ausgeliehen waren. Alderete wechselte für vier Millionen fest zu Getafe. Ascacibar brachte 2,5 Millionen, die Estudiantes an die Spree überweist. Miniablösen konnte man für Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart, 500.000 Euro) und Tolga Cigerci (zurück in die Türkei für 350.000 Euro). Bei Krzysztof Piatek war man einfach nur froh, ihn von der Ausgabenliste zu bekommen. Basaksehir bezahlt zunächst keinen Cent an Ablöse. Hertha erhält aber erfolgsabhängige Zahlungen. Also falls der Pole in der Türkei mehr zeigt als in Berlin. Bei Alexander Schwolow einigte man sich auf eine Vertragsauflösung. Der 31jährige Torwart verzichtete auf eine Abfindung, dafür durfte er ablösefrei gehen. Schwolow bleibt in der Stadt und wechselte zu Union. Chidera Ejuke (ZSKA Moskau) und Ivan Sunjic (Birmingham City) kehren nach dem Auslaufen ihrer Leihverträge zu ihren Vereinen zurück. Sportlich haben beide wenig Schlagzeilen geschrieben, dafür lieferte sich Sunjic mit Dardai ein Wortgefecht auf dem Trainingsplatz an dessen Ende der Trainer Sunjic mit den Worten "verpiss dich!" vom Platz schickte. Wenig überraschend macht der Mittelfeldspieler danach kein Spiel mehr. Stevan Jovetic, Jean-Paul Boëtius, Marvin Plattenhardt sowie Rune Jarstein und Kevin-Prince Boateng sind noch vereinslos. Boateng wollte seine Karriere eigentlich beenden, hat aber noch nicht entschieden, ob er nicht doch weitermacht. Eigentlich wollte er sich dazu in den letzten Tagen äußern, aber zumindest mir ist dahingehend nichts bekannt.
Fangen wir doch bei den Neuzugängen mit dem Mann an, der momentan alles nur keine sportlichen Schlagzeilen schreibt - Markus Gersbeck. Dieser wurde per Option für 300.000 Euro zurück aus Karlsruhe geholt und sollte der neue Stammtorwart und Rückhalt werden. Sollte, denn im Trainingslager lieferte sich Gersbeck, der eh schon wegen einer Daumenverletzung kürzer treten musste, eine Schlägerei mit einem Mann, der von Gersbeck schwer verletzt wurde. Gersbeck wird sich in Österreich noch vor Gericht verantworten müssen und ist momentan vom Verein suspendiert. Dagegen lief es bei Fabian Resse, der ablösefrei von Kiel kommt, in der Vorbereitung optimal. Bei Hertha erhofft man sich, dass der 25jährige ähnlich gute Werte wie in Kiel, wo er 21 Scorerpunkte hatte, liefern kann. Ein möglicher Abnehmer für seine Vorlagen ist Smail Prvaljak. Der bosnische Nationalspieler traf für seinen ehemaligen Arbeitgeber Eupen in der Vorsaison sechsmal. Jeremy Dudziak kommt mit über 150 Zweitligaspielen im Gepäck an die Spree. Sein letztes Spiel machte der 27jährige, dessen Vertrag in Fürth auslief, aber vor über fünf Monaten für Hatayspor, wohin der Hamburger mit tunesischen Wurzeln ausgeliehen wurde. Mit Linksverteidiger Anderson Lucoqui (Mainz, zuletzt an Hansa verliehen) und Innenverteidiger Toni Leistner (St. Truiden) holte man zwei neue Abwehrspierler, die ebenfalls ablösefrei waren. Leistner wurde aufgrund seiner Union-Vergangenheit von einigen Fans mit einem beleidigenden Banner empfangen. Der dänische Linksaußen Gustav Christensen ist mit 18 Jahren noch blutjung und spielte zumeist in den Jugendwettbewerben, allerdings kam er für den FC Midtjylland in der vergangenen Saison sogar in einem Europa League-Spiel zum Einsatz. Zwar nur eine Minute, aber das ist eine Minute mehr als ich vorweisen kann. Für Christensen wurden 250.000 Euro Ausbildungsentschädigung fällig. Durch die Rückkehr von Palko Dardai, der die letzten beiden Jahre in Ungarn bei Fehérvár spielte, wird der Dardai-Counter auf vier erhöht. Pal ist Cheftrainer, Marton und Palko sind bei den Profis und in der Jugend gibt es noch Bence Dardai. Hashtag "Familienunternehmen." Zudem holt man jede Menge Spieler aus der Jugend und der zweiten Mannschaft hoch. Erwartet bitte nicht, dass ich zu diesen Spielern eine halbwegs seriöse Einschätzung gebe. Nur Gott weiß, was die können.
Vorsicht, Baustelle! Der Kader ist noch Wochen von der Fertigstellung entfernt. Man weiß gar nicht, wo man zuerst anfangen soll. Selbst die Torwartposition, wo man mit der Gersbeck-Verpflichtung Ruhe einplante, wirft Fragen auf. Gibt man Tjark Ernst mit 20 Jahren das Vertrauen oder steht doch Oliver Christensen zu Saisonbeginn im Tor? Der Däne steht eigentlich vor dem Absprung und könnte eine dringend benötigte Millionenspritze für den klammen Verein bringen, der wohl oder übel zum "Berliner Weg" mit vielen Eigengewächsen gezwungen ist. Das Mittelfeld ist so karg wie die Vegetation in der Wüste Gobi und es gibt noch jede Menge Verkaufskandidaten. Hertha spielt auf keinen Fall um den Aufstieg mit. Man sollte lieber aufpassen, dass man nicht wie Arminia Bielefeld endet.