Das stimmt, ein weiteres Beispiel ist Malysz, der nach seiner überragenden Schlussphase in der Saison 2006/2007 und 3 Planica-Siegen hintereinander in den nächsten 4 Saisons nur noch ein mal gewonnen hat.
Bei Kobayashi spielt natürlich der recency bias eine große Rolle, aber er bringt wirklich alles mit das zu schaffen.
Er ist im besten Alter, er ist ein richtiger Dominator wie Malysz damals oder Prevc in seiner besten Saison und vor allem hat er gezeigt, dass er, auch wenn es mal etwas schlechter läuft, so stark wieder kommen kann wie jetzt.
Dazu kommt dann noch, dass die Altergrenze bis zu der man erfolgreich springen kann sich auch immer weiter nach hinten verschiebt.
Auch hatte er schon öfters das nötige Glück, wo er mit kleinen Punktabständen zum Zweitplatzierten den Sieg geholt hat.
Abschließend noch die interessante Tatsache, dass es bei 22/23 Weltcupsiegen eine Art Barriere zu geben scheint die in den letzten ~10 Jahren nur Stoch und eben jetzt Kobayashi durchbrechen konnten. Da hängen wie oben erwähnt Kraft, Freund, Prevc, Ammann und Morgenstern fest.
Man kann Japan da nur beglückwünschen und hoffen, dass seine Karriere ähnlich verletzungsfrei bleibt wie die von Stoch z.B.
Das mit der Fortune bei knappen Punkteabständen stimmt auf jeden Fall bei der Tournee. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Die meisten seiner Siege waren doch recht deutlich (so kommt es mir zumindest vor), manche gar mit astronomischem Vorsprung. Wenn wir uns seine gesamte Karriere anschauen: Er ist im Weltcup 25x Erster, 9x Zweiter und 8x Dritter geworden. Von seinen 42 Podiumsplatzierungen waren also knapp 60% Siege!
Das zeigt für mich: Wenn Kobayashi einen guten Tag hat, dann gewinnt er meistens auch. Während andere Athleten selbst in Topform zwar schon vorne reinspringen, aber immer noch schlagbar sind. Ein quasi identisches Sieg-Podest-Verhältnis hatten auch Schlieri und Nykänen, das ist schon mal ein vielversprechendes Indiz. Das kann auch anders aussehen, siehe zum Beispiel Ahonen (33,3%), Małysz (42,4%), Morgenstern (30,3%), Goldberger (31,7%), Kasai (27,0%), Prevc (41,9%) oder Ammann (28,8%). Selbst Stoch (48,0%) und Schmitt (53,8%) sind davon noch etwas entfernt.
Sicherlich wird es auch wieder Abwärtsphasen geben, die hatte Ryo ja selbst auch schon. Aber selbst in seinen zwei "schwächeren" Saisons in 2019/20 und 2020/21 ist er trotz zum Teil ausgedehnter Talphasen im Gesamtweltcup Dritter und Vierter geworden und hat jeweils drei Siege geholt. Das ist also nicht vergleichbar mit einem Prevc, der nach seiner Übersaison eigentlich nicht mehr Teil der absoluten Weltspitze war. Zumal Kobayashi gerade drauf und dran ist, seiner ersten Dominator-Phase eine zweite anzuhängen, was ich persönlich extrem beeindruckend finde.
Mit 25 hat er noch mindestens fünf Jahre auf hohem Niveau vor sich, wenn er verletzungsfrei bleibt (vielleicht auch noch deutlich mehr, siehe Kasai und Stoch). Man sollte sich nicht zu vorschnell aus dem Fenster lehnen, denn im Skispringen kann man schließlich deutlich schneller wieder in der Versenkung verschwinden als in anderen Sportarten, aber für mich hat Ryoyu schon wirkliches Potenzial zum GOAT. Eine Skisprung-Legende ist er ja eigentlich schon, das kann man bei 25 Weltcupsiegen und vielleicht bald zwei Tournee- und Gesamtweltcup-Siegen durchaus so konstatieren. Inwiefern er es in den "Pantheon" (Stoch, Nykänen, Weißflog, Ahonen, Malysz, Schlierenzauer etc.) schafft, muss man sehen, aber wenn man ihm aktuell zuschaut, sehe ich keinen Grund, wieso ihm das nicht gelingen sollte. Auch wenn er nicht mehr diese Tage hat, wo er zehn Meter weiter springt als alle andere, finde ich ihn nochmal deutlich stabiler als 2018/19.
Ob er irgendwann Olympia gewinnt, ist mir für die Bewertung seiner Gesamtkarriere tatsächlich relativ egal, da für mich Vierschanzentournee und Gesamtweltcup einen höheren Stellenwert haben (das dürfte den meisten eingefleischten Skisprung-Fans wohl ähnlich gehen), und da hat er ja schon eindrucksvoll abgeliefert. Das einzige, was ihm auf jeden Fall noch fehlt, ist ein Weltmeistertitel.