Mist... You war schneller
aber ich werfe meine ÜS trotzdem mal in den Raum
Asahi: Lange nicht gesehen! Ich durfte Sie schon vor ca. 10 Jahren interviewen.
Kasai: Oh, ist es schon so langer her? (Händeschütteln)
Asahi: Sie haben ja große Hände, und so warm! Die Finger sind so lang und die ganze Hand öffnet sich.
Kasai: Das sind Affenhände. In letzter Zeit springe ich immer mit geöffneten Händen.
Asahi: Ihre 6. olympischen Spiele rücken näher.
Kasai: In letzter Zeit gibt es viele Veranstaltungen und plötzlich wurde das Gefühl „es ist Olympia“ immer stärker. Ich bin gut in Form und kann kaum erwarten, dass es los geht.
Asahi: Gibt es einen Unterschied zu den bisherigen Spielen?
Kasai: Ja. Seit Saisonbeginn ist es bei mir gut gelaufen und ich hatte im Weltcup gute Ergebnisse. Ich habe das starke Gefühl, eine Medaille gewinnen zu können. Bis jetzt hatte ich immer das Gefühl, nicht mit den anderen mithalten zu können, aber dieses Mal habe ich wirklich ein erwartungsvolles Gefühl.
Asahi: Worauf legen Sie bei der Vorbereitung besonderen Wert?
Kasai: Ich komme gerade gut in Form, da versuche ich, mich immer genug auszuruhen. Normalerweise wenn ich nicht trainiere, werde ich unsicher, aber im Moment habe ich den Mut, mich einfach auszuruhen.
• Gleichstand mit ausländischen Sportlern
Asahi: Sie haben an Ihrer Anfahrtsposition gearbeitet, nicht wahr?
Kasai: Im Moment ist das Wichtigste für mich die Anfahrt[shocke]. Früher war mein Kopf immer etwas höher und mein Hintern etwas tiefer. Dadurch war der Luftwiderstand höher, also habe ich den Kopf nach unten und den Hintern nach oben genommen, sodass mein Oberkörper und die Anlaufspur parallel sind. Auch den Winkel meines Fußgelenks stelle ich so an, dass mein Schwerpunkt weder zu weit vorn noch zu weit hinten liegt, sodass ich meine Kraft [beim Absprung voll aus]nutzen kann. Dann sind da noch die Knie. Jetzt öffne ich die Knie, sodass ich sie mit der Brust berühren kann. Bisher waren sie eher geschlossen. Wenn sie geschlossen sind, dann ist das Becken geschlossen und Knie und Brust können sich nicht berühren, also wird leicht ein Luftwiderstand aufgebaut. Als ich die junge Itô (Skispringerin der Shimokawa Mittelschule) springen sah, dachte ich „Das ist es!“ Danach war ich im Anlauf ca. 1km/h schneller. Zuvor hatten die ausländischen Springer immer so um die 90km/h und ich bin 11km/h hinterher gefahren. Jetzt hat sich die Geschwindigkeit ungefähr angeglichen.
Asahi: Sie nehmen leicht zu. Hat das Einfluss auf Ihre Weite?
Kasai: Vor ca. 3 Jahren gab es eine Zeit, als ich an Gewicht zugenommen habe. Damals wurde mir von meinem finnischen Trainer gesagt, dass jedes Kilo mehr ca. 2 Meter Verlust bedeuten würde. Damals habe ich vor jedem Wettkampf 3 Tage lang gefastet und bin wie ein Boxer auf Mittelgewicht abgemagert. Jetzt esse ich sonntagabends nach dem Wettkampf wie ein Bekloppter. Montags esse ich auch. Und dann befällt mich dieses Schuldgefühl, dass ich mich so vollgestopft habe und ich nehme mir vor, ab morgen besser durchzuhalten [= weniger zu essen]. Ab Dienstags esse ich weniger, ab Mittwoch gibt es zu Mittag nur noch Suppe und abends etwas Gemüse oder so. Und das wiederholt sich immer wieder. Um mich nahrhaft zu ernähren, esse ich viel Obst, sodass mein Körper keinen Schaden nimmt. Okabe und Itô sind das genaue Gegenteil von mir. Sie sind seit jeher Leichtgewichte, also geht es einfach nicht, dass sie nichts essen. Deswegen denke ich mir immer, wenn wir zusammen essen und sie vor meinen Augen das Essen in sich reinschaufeln „Mann, die haben es gut.“
Asahi: Wann haben Sie eigentlich Ihren ersten Sprung gemacht?
Kasai: Mit 9 Jahren. Ein Freund hat mich gefragt. Am Anfang habe ich Abfahrt gemacht, aber gleich neben dem Abfahrtsgelände stand eine Skisprungschanze. Erst habe ich sie gar nicht beachtet, aber mein Freund sagte „Lass uns doch mal springen.“ Es hat viel Spaß gemacht. Mit meinem Freund zu wetteifern – wer weiter springt – ich wurde süchtig danach. Bei der Stadtmeisterschaft gewann ich Silber. Beim Wettkampf wetteiferte ich mit meinem Freund und dachte mir „Ich habe eine Medaille gewonnen, das ist ja lustig.“
Asahi: Woran denken Sie während eines Wettkampfes?
Kasai: Im Lift nach oben beobachte ich die Windfähnchen und denke mir „ob ich wohl guten Wind haben werde?“ Auch am Ablauf beobachte ich den Wind und versuche ein gutes Timing hinzubekommen. In der Anlaufspur schaue ich zwischen die beiden Spuren und denke „hoffentlich laufen meine Ski gut.“
Asahi: Und beim Absprung?
Kasai: Wenn ich die Kante sehe, denke ich nur noch „jetzt!“ Während dem Sprung ist mein Kopf leer. Ich schaue auf den Punkt wo ich lande.
Asahi: Und wann merken Sie, dass es gut läuft?
Kasai: Kurz nach dem Absprung, wenn das Timing stimmt und die Ski mir entgegen kommen, dann merke ich es.
Asahi: 37 Jahre. Hat sich Ihr Körper verändert?
Kasai: Wenn ich jetzt trainieren würde wie früher, würde ich mir Hüfte und Knie kaputt machen. Vor 8, 9 Jahren konnte ich mit beiden Beinen noch Hürden mit 1,40m Höhe überspringen. Das kann ich heute nicht mehr. Außerdem lande ich jetzt auf einer Matte, da sonst bei der Landung die Knie ziemlich gestaucht werden.
Asahi: Und was denken Sie, können Sie weiterhin machen?
Kasai: Mit den anderen zusammen Badminton, Squash, Basketball oder Volleyball spielen, denn da gewinnt keiner gegen mich.
Asahi: Ihre körperliche Form / Ihr Körper hatte vor 8, 9 Jahren die beste Zeit?
Kasai: Ja. Damals konnte ich beim Krafttraining noch mit einer 200kg Hantel in die Kniebeuge gehen. Beim Seilhüpfen konnte ich 4x soviel springen. Jetzt bin ich bei ca. 80%.
Asahi: Wie kommt es, dass Sie immer noch so selbstsicher sind?
Kasai: Weil ich jetzt mit meiner Kraft besser umgehen kann. Früher hatte ich zu viel Power, sodass ich meine Kraft im Sprung nicht rüberbringen konnte. Es hat nicht gepasst, manchmal habe ich sogar extra Muskelkraft verloren. Dann wurde meine Leistung besser. Damals hatte ich das Selbstvertrauen, körperlich/physikalisch der Beste zu sein.
Asahi: Warum, glauben Sie, können Sie immer noch mitmischen?
Kasai: Ich hasse es zu verlieren. Meine größte Motivation ist es, dass ich bei Olympischen Spielen bisher noch keine Medaille erringen konnte. Im Jahr gibt es ca. 30 Weltcup Springen und wenn man in Form ist, hat man eine gute Chance dort zu gewinnen. Ich habe insgesamt 15 Siege errungen, aber in allen anderen zu gewinnenden Wettkämpfen habe ich noch nicht gewonnen. Dazu muss man einmal in 4 Jahren seine Form gezielt auf den Punkt bringen. Und dann gibt es noch Windbedingungen usw. Ich bin auch ungeduldig und möchte die Weltbesten Athleten überholen. Ich glaube, es ist wirklich schwierig, bei den olympischen Spielen eine Goldmedaille zu erringen, aber da ich immer besser in Form komme, ist meine Erwartungshaltung groß.
Asahi: Die Vergangenheit lebt wieder auf.
Kasai: Bei meinen ersten Spielen 1992 in Albertville kam der V-Stil zum ersten Mal zum Einsatz. Das war damals noch nicht so mein Ding. 1994 in Lillehammer war ich in guter Form und „wollte gewinnen“, also nahm ich an allen Wettkämpfen teil und war letztendlich zu den Spielen so erschöpft, dass ich mich nicht richtig vorbereiten konnte. 1998 war ich verletzt… Mit diesen Erfahrungen kann ich sagen, dass es jetzt gerade richtig gut aussieht.
• Tränen in Nagano
Asahi: Können Sie die Tränen der Trauer, als Sie in Nagano nicht im Gold-Team waren nicht vergessen?
Kasai: Ich glaube, das hat mich bis hierher gebracht. Die Wunde, die sich damals in mein Herz gebrannt hat, keine olympische Medaille bekommen zu haben, die lässt mich nicht aufhören.
Asahi: Ihr Schwachpunkt?
Kasai: Meine Anspannung. So stark, dass ich auf dem Turm meinen Herzschlag hören kann. Ich habe zwar eine Methode, um mich zu beruhigen, aber manchmal hilft mir nicht mal das.
Asahi: Methode zur Beruhigung?
Kasai: Das ist mein Geheimnis. Hahaha. Ich tue etwas, aber von außen betrachtet würde man es vielleicht nicht verstehen.
Asahi: Wollen Sie es uns nicht verraten?
Kasai: Nach den Olympischen Spielen. Hahaha. Wenn ein Wettkampf näher rückt, während ich nicht in Form bin, meine Form dann aber besser wird, werde ich verdammt nervös. Wenn ich dann den ersten Sprung in den Sand setze, ist die Spannung beim 2. Sprung komplett weg, wenn ich in einer Position bin, wo ich mich wieder nach vorne orientieren kann. Aber dann wird mein Absprung zum Supergau. Das ist mir 2x passiert. Letztes Jahr bei der WM in Liberec auf der Normalschanze und 2006 in Turin auf der Normalschanze. Es waren die gleichen Umstände. Deswegen ist es auch nicht gut, wenn ich gar nicht angespannt bin. Also möchte ich in Vancouver genau das richtige Maß an Spannung aufbauen. Aber diesmal war ich immer in guter Form. Letztes Wochenende beim WC gab es eine Niederlage, aber das war eine gute Erfahrung. Ich habe bei einem nationalen Springen gewonnen und mir angewöhnt, zu siegen, also ist diesmal alles ok!
Asahi: Darf man eine Goldmedaille von Ihnen erwarten?
Kasai: Ja!
• Wettkampunterstützende Neckerei
(Nachwort) Bei den vergangenen 5 Teilnahmen an olympischen Spielen hat er wie kein anderer Angst und Schwierigkeiten, sowie Traurigkeit erfahren. Aber wenn er über seine Aufregung von über die Spiele in Vancouver spricht, glänzen seine Augen wie die des Kindes, welches gerade erst den Spaß des Skispringens kennenlernt. Als er den Raum betrat, öffnete er erst die Tür einen Spalt und steckte schelmisch den Kopf herein. Ich glaube, der Grund warum er so lange an der Weltspitze mitmischen konnte ist der, dass er wie ein großer Junge ist, der alles genießt.