Die etwas andere Sicht aus Paris...
... da lob ich mir die früheren Zeiten: Kurzer Blick in die Handtasche und wenig später sass man auf seinem Platz und konnte das Tennisgeschehen geniessen. In den letzten Jahren sind die Sicherheitsvorkehrungen in Paris-Bercy auf ein Mass angestiegen, die eigentlich jeden Tennisfan abschrecken müssten, sich dem ganzen Prozedere auszusetzen. Man wartet in einer endlos langen Schlange, lässt sich herumstupsen, von zahlreichen Dränglern überholen, um dann mehrere Male, nicht gerade allzu freundlich, vom Sicherheitspersonal auf Herz und Nieren überprüft zu werden. An die 20'000 Personen müssen innerhalb kurzmöglichster Zeit ins Tennismekka geschleust werden... und mein lieber Schwan, das kann dauern. Und dies nicht nur einmal, sondern zweimal am Tag, da ja bekanntlich Day- und Nightsessions gespielt werden. Aber was nimmt man nicht alles auf sich, um seine Favs zu sehen?
... und da war ausgerechnet ein gewisser Rafa, der draussen vor seiner Luxusherberge mit rotem Regenschirm in der Hand über Facebook verkündete, dass er wegen Schmerzen in der Bauchgegend und auf Rat seiner Ärzte nicht gegen seinen Kumpel Fer Verdasco antreten könne. Zu dieser Zeit harrte ich in strömendem Regen auf Einlass, um mir danach seinen Ersatzmann Jaziri anschauen zu müssen. In diesem Moment war ich drauf und dran, meinem querido Rafa die Liebe zu kündigen
... da war aber auch ein gewisser Dominic Thiem, der dank seiner Romanze mit Kristina Mladenovic in Frankreich einen Sonderstatus geniesst und von den französischen Zuschauern fast wie ein eigener Sohn behandelt wurde. Kein Wunder, nachdem alle sechs Franzosen bereits nach der zweiten Rund Reissaus genommen hatten. Im Match gegen den auf wundersame Weise wiedererstarkten Jack Sock benötigte der Domi auch besondere Unterstützung von seiner Kiki, die sie ihm in Form von Applaus und Zurufen nicht verweigerte.
... und da war Kei Nishikori, der sich leicht und locker bis ins Viertelfinale vorgearbeitet hatte und dort am Maestro gescheitert ist. Der Grund, dass ich ihn hier erwähne, ist aber ein anderer. Im Match gegen Kevin Anderson konnten sich zwei neben mir sitzende Japanerinnen vor Lachen kaum mehr einkriegen, sobald der Schiri seinen Namen aussprach. Auf meine Frage, was es da zu Kichern gäbe, antworteten sie sehr höflich, dass der Name nicht Nischikori, sondern Nisskori ausgesprochen werde. In Zukunft werde ich ihn, um jedem Missverständnis vorzubeugen, nur noch Kei nennen.
... und da war der Maestro, angereist um beim Training zu entscheiden, ob er sich überhaupt den Strapazen eines Turniers aussetzen würde. Da er aber Mirka und die Kids im Schlepptau hatte war leicht zu erraten, dass er dies tun würde und auch sehr erfolgreich tat. Die Tatsache, dass die Plätze laut "L'Équipe eher seinen als Nadals Bedürfnissen angepasst worden sind, hat wahrscheinlich das Ihrige zu seinem Entschluss beigetragen. Nun, die Franzosen lieben Federer, obwohl er sie in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt hat. Dies taten sie bei seinen Auftritten lauthals kund, begegneten aber auch seinen Gegnern mit dem nötigen Respekt und applaudierten, wenn es etwas zu applaudieren gab.
... und da war der Djoker der mit jeder Faser bemüht ist, sich in die Herzen der Franzosen zu spielen. Er hat sich "Lacoste", der Marke mit dem Krokodil verschrieben, macht Werbung für Peugeot, hat sein Französisch, obwohl noch immer etwas holprig, enorm verbessert und verschenkt sein Herz nach jedem Sieg mit symbolischen Gesten an die Zuschauer. Trotzdem wird ihm in Frankreich immer noch mit etwas gemischten Gefühlen begegnet.
... und da war am Ende Karen Khachanov, der Titelgewinner. Herzliche Gratulation!
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(FFT)