Jetzt gibt es also ein Australian Open-Viertelfinale zwischen Roger Federer und Mischa Zverev... im Jahr 2017... das ist durchaus überraschend!
Das ist durchaus katastrophal für den Sport und nichts Anderes. Dieses Match und andere Erscheinungen des Turnierverlaufs, legen eindrucksvoll Zeugnis darüber ab, wie horrend die Krisensituation im aktuellen Tennisport ist. Und mag M. Zverevs Erfolg auf persönlicher Ebene auch erfreuen, so ist er besonders in der aktuellen Epochenkonstellation doch besorgniserregend, allerdings natürlich in deutlich geringerem Maße als Federers erneuter Griff nach der Macht in diesen instabilen Zeiten.
Zunächst eine klare Absage an alle Träumereien und Verklärungen, die hier schon wieder gedeihen: Rogers Leistung ist für niemanden überraschend oder gar beeindruckend, der sich rational und sachlich mit ihr außeinandersetzt. Es ist offensichtlich, dass er und seine Hintermänner diesen "Vorstoß" von langer Hand kalkuliert haben. In der letzten Saison, besonders bei den AOs, mussten sie erkennen, dass der einstige Maestro unter gleichen Voraussetzungen nicht konkurrenzfähig ist gegenüber den wirklich Topspielern und Zukunftsträgern, selbst wenn er nahezu in Topform agiert. Daher erneut diese sehr fragwürdige Vorgehensweise, die Konkurrenz durch Absagen und Turnierpausen zu übervorteilen, wie es schon in der Zeit der French Open und Wimbledon (erfolglos) praktiziert wurde.
Die lange Pause, nach außen hin geschickt als notwendige "Verletzungspause" dargestellt, hat er explizit genutzt um sich zu regenerieren und sich einen nachhaltigen Vorteil über die Konkurrenz zu sichern, während die sich im zweiten Halbjahr 2016 in körperlich und mental aufzehrenden Rangkämpfen gegenseitig verschlissen hat.
Das systematische Tiefstapeln im Vorfeld war nichts Anderes als Koketterie und rhetorische Taktik. Ebenso wie die Äußerungen nach dem Nishikori Match, mit denen er und die ihm wie eh und je freundlich gesonnene Tennisjournaille nun mit aller Macht den alten Mythos wieder neu beleben möchten. Wie man anhand dieses Forums sehen kann, fallen diese propagandistischen Winkelzüge ja auch durchaus auf fruchtbaren Boden bei einer nach wie vor alte Götzenbilder verehrenden Anhängerschaft. Federer und seine Jünger wollen nichts Anderes als mit Unterstützung ihrer immer noch mächtigen Lobby in das Machtvakuum vordringen, welches Djokovic und Murray für den Moment hinterlassen haben.
Mit Wawrinka und Thiem hat man zusätzlich wie gewohnt die üblichen Flügelmänner geschickt platziert um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Jeder weitere Erfolg Federers oder gar der Turniersieg wären unter diesen Bedingungen sportlich minderwertig und verwerflich. Auch Wawrinka als erneuter Sieger wäre ein Triumph der reaktionär-irrationalen Kräfte und hochgradig verderblich für den Sport und seine Zukunftsaussichten.
Die Lage ist durchaus bedrohlich, ich werde es nicht beschönigen. Djokovic außer Gefecht gesetzt (siehe Pepe Imaz und die, die ihn geschickt haben) und Murray wie immer nur 2. Wahl, kann die absolute Kalamität nun nur noch durch einen aufrechten und geradlinigen Typen mit Schneid wie Raonic oder den ewigen aber leider schon arg ramponierten und kriegsmüden Retter der Wahrheit Rafael Nadal abgewendet werden. Goffin ist zu fragil und schöngeistig, Tsonga zu sehr hallodri um in diesen knallharten tennishistorischen Machtkämpfen ein entscheidender Faktor zu sein. Frei schwebend fernab von allen tennisweltanschaulichen Strömungen befindet sich noch Dimitrov, der zwar das eigentliche Symbol der reaktionären Bewegung, die einhändige Rückhand spielt, sich jedoch letztendlich in seiner osteuropäisch geprägten Nonkonformität stets der Anhängerschaft des Maestro-Regimes verweigert hat, die Nähe zu Djokovic suchte und dafür allerdings auch teuer bezahlen musste. Sehr fraglich ob er der Auserwählte seien kann, der in dieser Stunde über sich hinauswächst und den Sport und seine wahren Fans vor Schlimmerem bewahrt.
Quo vadis Tennissport? Aufbruch in eine geordnete Zukunft getragen von Zucht, aufgeklärten Werten und asketischen Kämpfernaturen oder doch der Rückfall in dunkle Zeiten der Dekadenz und des Irrationalen, wo eitle Günstlinge der Macht verklärt und und kultisch verehrt werden und unsolide GS-Sieger in Badehosen das Ansehen des Sports schädigen. In den kommenden Tagen wird es sich erweisen.