Aber Vidal wollte uns LEV nicht geben. Er hätte uns sicher gut zu Gesicht gestanden, aber nicht wegen seiner Klasse (die er natürlich hat), sondern wegen seiner Mentalität.
Wenn man sich Spieler für Spieler nimmt, ist unser Kader durchaus mit fast durchgehend guten Spielern besetzt, aber diese ergeben kein rundes Gesamtbild. Das Trainer-/Taktikproblem ist, dass es
a) auf dem Platz keinen Plan B gibt: wenn es nicht läuft, wird einfach so weitergespielt...nur schlechter als wenn es läuft. In Freiburg dachte ich zur HZ: Hoppla, Robben für Rafinha, das ist ja mal was. Ich dachte, man stellt auf Dreierkette um und Müller rückt mit in den Sturm - und dann volle Pulle. Das wäre mal was Überraschendes gewesen. Stattdessen ging Kroos auf die 6, Müller von rechts auf die 10, Lahm nach rechts und Alaba nach links hinten, Gustavo von 6-rechts auf 6-links. Zweitausend Umstellungen, nur um partout nichts an der Grundaufstellung zu ändern. Und danach dann Olic für Gomez, Stürmer für Stürmer. Hm.
b) es wird nicht nur kein Plan B einstudiert (obwohl Jupp vor der Saison noch meinte, er wolle viel rotieren und auch mal mit zwei Spitzen spielen - passiert aber nicht mal im Ansatz, beides nicht), sondern das alte System auch nicht mehr gepflegt. Ein festes, eigenes System erfordert nunmal, dass man es Tag für Tag wieder übt, über das Erbrechen hinaus. Das war bei vG so, macht den Spielern natürlich keinen Spaß, ist aber bei Systemfußball "alternativlos". Fragt nach bei Barca oder dem großen Milan unter Sacchi oder Ajax früher etc. Tennisspieler z.B. üben übrigens auch in der Weltklasse noch Tag für Tag die Grundschläge: immer wieder Aufschlag, auch wenn Spieler X der beste Aufschläger der Welt ist - dann sogar erst recht. Oder auch im Basketball ist es völlig normal, auch einstudierte Spielzüge in jedem Training zu üben. Bei uns ist das aber wohl zu viel verlangt.
Wenn unser System aber schlampig gespielt wird, die Pässe nicht mehr hart, flach und schnell, sondern nur irgendwie ankommen, ist es völlig nutzlos. Dann entsteht natürlich nie Überzahl, weil der Gegner viel Zeit hat.
Und das führt dann eben zum zweiten Problem, der Mentalität der Mannschaft. Flache Hierarchie soll ja heißen: es braucht keinen Leitwolf, weil viele oder jeder Verantwortung übernimmt. Passiert das, ist es ja auch gut. Wenn es aber bedeutet, dass keiner mehr brüllt und keiner Verantwortung übernimmt, ist es Quark hoch fünf.
Die Zahl derer, die bei uns die nötige Mentalität mitbringen, ist erschreckend gering, gerade auf den zentralen Positionen....und da ist es besonders wichtig. Schweinsteiger, ok. Aber hinten macht das keiner - Neuer ist der Typ dafür, wurde aber schon im Saisonvorfeld von der tollen Schickeria beschnitten. DvB ist einer, aber nicht mehr konstant leistungsstark genug. Im MF wäre T44 noch am Ehesten der Typ dafür, aber auch der hat nicht das nötige Standing, Gustavo und Kroos sind das komplette Gegenteil von Führungsspielern und von Alaba kann man es nicht verlangen.
Darum hätten wir Vidal gut brauchen können. Es kann nicht sein, dass im MF jegliche Konsequenz und Ansage von Schweinsteiger abhängt, der natürlich auch wenn er fit ist, wie jeder mal schlechte Tage hat. Insbesondere von Gustavo, der in Hoffenheim noch als mitunter zu aggressiv galt (wo ist das geblieben? Bei uns hängen sich seine Anhänger immer noch an ein tolles Spiel gegen Sneijder...vor einem Jahr. Ansonsten ergibt er sich demütig in der Maxime "bloß nix falsch machen". Das ist Ottl-Fußball auf besserem Niveau) und Kroos, der jede Menge selbstzufriedener Interviews gibt, aber nie da ist, wenn es darum geht, ein Spiel zu drehen oder Gift und Galle zu versprühen. Auf den Positionen in der Zentrale ist das Spielverhalten beider schlimm, wenn es nicht wie gewünscht läuft, finde ich, obwohl sie ja an sich sehr gute Fußballer sind. Aber diese Zaghaftigkeit und diese Körpersprache....
Das heißt ja nicht, das es zwangsläufig den alten Silberrücken braucht, der rumbrüllt und den maximo leader gibt.
Den gibt es nicht auf dem Markt und das funktioniert ja auch nur, wenn derjenige auch noch persönlich Leistung bringen kann. Ein van Bommel Nachweinen ist also fehl am Platz, denn der war am Ende in einer schlechten Halbserie so ziemlich der schlechteste von allen, da haben Leistung und Führungsanspruch nicht mehr gepasst (ähnlich wei bei Effenberg in seiner letzten Saison) und darum war es richtig, ihn abzugeben. Auf einen Leitwolf, der selbst nichts bringt, hört niemand. Das es bei Milan besser für ihn läuft,ist ihm a)zu gönnen und liegt b) daran, dass er da normaler Spieler ohne echte Führungsfunktion ist (diese Position hätte er bei uns bei seiner Leadervorgeschichte nie akzeptiert) und der Fußball in der Serie A eben ein gutes Stück langsamer ist.
Es muss auch nicht zwingend so ein Lautsprecher sein. Aber wir brauchen Spieler, die Verantwortung übernehmen können und auch wollen, die eine gewisse Klasse und Körpersprache haben. Aus eben diesem Grund spricht doch Kalle von VVL für DvB und Olic, weil sie eben Typen sind, die immer wollen und Verantwortung nicht scheuen (schlimm genug, wenn dafür Ersatzspieler herhalten müssen). Vidal wäre einer gewesen, gut, der ist weg.
Ich wünsche mir nach wie vor Montolivo:
Der kann auch mal hinlangen, hat individuelle Klasse, spricht deutsch und hat - für mich - auch wenigstens ein wenig Ausstrahlung auf dem Platz.
So einer neben Schweinsteiger in der Zentrale würde schon viel bringen, glaube ich.
In der IV Dante, bei dem die Chancen ja wohl gut sind, ist völlig ok, auch in der Mentalität. Einen neuen AV werden wir brauchen, da Rafinha eher enttäuscht (auch wenn er besser ist als im Moment), damit es auf rechts (oder eben links) einen guten, festen Partner gibt, mit dem sich Robben oder Ribery auch einspielen kann.
Vorne brauchen wir nichts. Wenn der Aufbau aus der Zentrale klappt, die Winger mit guten AV-Partnern besetzt sind und das Positionsspiel so umgesetzt wird, wie es im Ursprung vom Erfinder angedacht ist, sind wir da mit der bestehenden Formation plus Shaqiri gut besetzt. Die Kombinationsschwäche von Gomez gibt es zwar, ist aber unser kleinstes Problem. Den kompletten Kader umschmeissen können wir eh nicht.
Von erforderlichen Nichteinmischungen der Granden will ich gar nicht reden, das wird eh nicht passieren. Aber ein superstrenger Trainer mit Detailversessenheit und Sturheit und ein bis zwei oder drei Spieler in der Zentrale, ofensiv wie defensiv, die die Mentalität verändern (plus einen AV) wird es geben müssen. Und einen klaren Verhaltenskatalog für die Spieler, was Nebenaktivitäten wie Sponsorentermine, Buchveröffentlichungen und Anwesenheit auf dem Trainingsgelände angeht - und zwar einen strengen. Keine Bücher mehr, keine Interviews ohne sportliche Vorleistung, keine Wetten dass Auftritte, keine Nutten...nix da. Und keine kritischen Worte zu Systemen etc, wenn man selbst keine 110 % Leistung abgeliefert hat.