Bin ich absolut bei dir, allein wenn ich noch einmal an die Abschiedsrede im Schloss Bellevue mit "Ich war immer aufrichtig" denke, möchte ich mich unweigerlich vom Empire State Building in die Tiefe schmeißen oder wahlweise mit dem Kopf voran immer wieder gegen irgendeine Betonmauer rennen.
Doch trotz aller berechtigten Kritk am Verhalten beider Personen sollte man dann irgendwann auch mal wieder Ruhe einkehren und die Justiz ihre Arbeit machen lassen. Mit dem Prozess und den Folgen der öffentlichen Brandmarkung werden beide Präsidenten schon genug zu kämpfen haben, da braucht's keine zusätzliche Häme mehr.
Eine gewisse Häme müssen Personen, die ja auch von Öffentlichkeit leben, schon abkönnen - jedenfalls dann, wenn ihr eigenes Handeln die Ursache des ganzen Vorgangs ist. Mitleid ist da selbstredend fehl am Platze.
Ich habe aber massive Probleme damit, wenn so etwas aus dem Ruder gerät und eine Eigendynamik entwickelt, die mit der Sache nichts mehr zu tun hat. Wenn bei Wulff dann Bobbycars gesucht werden, man z.B. Manni Breuckmann oder so manchen Online-Kommentator z.B. bei zeit.de sich über Hoeneß und den FC Bayern als solchen echauffieren sieht bzw liest, oder aber das Kindheitsverhalten des Limburger Bischofs medial seziert wird, das komplette Beziehungsleben im Leben des Herrn Kachelmann ausgebreitet wird....dann ist schon ziemlich deutlich, dass es keineswegs mehr um die Sache, sondern um persönliche Rachefeldzüge und die angestrebte Vernichtung dieser Leute geht. Warum im Einzelfall auch immer. Da geht es dann eben nicht mehr um Rechtsprechung, auch nicht um Gerechtigkeit, sondern darum, jemanden fertig zu machen.
Und das ist eben mMn nicht in Ordnung, ganz und gar nicht. Aufklärung, klares Vorgehen der Justiz ohne Rücksicht auf Ansehen oder berufliche bzw gesellschaftliche Bedeutung der Person zu verlangen, ist eine Sache. Das ist eine Selbstverständlichkeit und naturgemäß auch Aufgabe der Medien und das Recht (wenn nicht sogar die Pflicht) jeder Privatperson. Aber die "der hat es sowieso und schon lange mal verdient" und "jetzt geben wir's ihm aber richtig und zwar für alles"-Mentalität, dieses sich am Absturz anderer weiden, was man in den genannten und noch etlichen anderen Fällen sieht, ist mir schon zuwider.
Es ging bei Wulff am Ende halt nicht mehr nur um den Rücktritt als BP und um die strafrechtliche Weiterverfolgung seines Handelns (was ja völlig richtig war). Viele haben mindestens innerlich gejubelt, als ihm dann auch noch die Frau abgehauen ist - nicht zuletzt ermutigt durch eine Berichterstattung, die das ursprüngliche Szenario längst hinter - oder besser unter sich gelassen hatte. Und was den öffentlichen Tonfall angeht, ist es bei Hoeneß teilweise ein sehr ähnliches Prozedere. Das hat mir Mitleid nichts zu tun, ich habe keins für Hoeneß übrig - und wenn sich vor Gericht herausstellt, dass er in den Bau muss, dann ist das eben so. Das hat er sich dann selbst zuzuschreiben. Aber wenn es irgendwann gar nicht mehr darum, nicht mehr um den Sachverhalt geht, sondern darum, dass gefälligst geteert, gefedert und geschlachtet werden soll, dann läuft da nach meinem Empfinden was nicht richtig.