Mal eine Ferndiagnose zum enorm unterhaltsamen Dauer-Streit zwischen äußerst verhärteten, geradezu unversöhnlichen Fronten um Jürgen Klinsmann:
Ich habe das Gefühl, dass es hier nur vordergründig um die Person Jürgen Klinsmann und die Frage seiner Kompetenz oder seiner Identifikation mit dem FC Bayern geht. Und mehr um das, wofür er steht und weshalb er geholt wurde.
Aus meiner Sicht und vieler anderer, die den FC Bayern nicht mögen, stand dieser Verein über Jahrzehnte für humorlosen, sachlichen, nüchternen, meist defensiv orientierten, wenn man so will "hässlichen", aber dafür äußerst effizienten und erfolgreichen "Ergebnisfußball". Das ist eigentlich das, was die Identität, das Wesen dieses Vereins ausmachte - zuverlässig und möglichst lückenlos Titel zu erringen, und vor allem auch, dass es völlig egal war, auf welche Art und Weise das erreicht wurde und ob das dem Rest der Republik gefiel oder nicht. Man wollte vom restlichen "Fußballdeutschland" nie gemocht werden, im Gegenteil, man hat sich sogar in der Rolle des Vereins, der von allen anderen immer nur "beneidet" oder gar "gehasst" wurde, sehr gut gefallen. Vor allem auch sehr viele Fans.
Nun sollte das auf einmal alles nicht mehr gelten und man holte einen Trainer, der in erster Linie bei Nicht-Bayernfans sehr populär war und dem Verein einen neuen, "modernen" und "offensiven" Stil implementieren sollte. Das stellt insofern einen radikalen Bruch der Vereinsphilosophie dar, den man nicht unterschätzen sollte. Ich kann nachvollziehen, dass das vielen langjährige Fans, die sich gerade mit der rein erfolgsorientierten Philosophie identifizierten, damit ihre Probleme haben. Auf einmal wird Wert auf "attraktives und offensives Spiel" gelegt - und das bei dem Verein, dessen Fans für Konkurrenten, die zwar "attraktiv" und "offensiv" spielten, damit aber kaum Titel holten, in der Regel nur Spott übrig hatten.
Insofern habe ich volles Verständnis für die Klinsmann-Kritiker, da ich davon ausgehe, dass sie in erster Linie die neue "gefallsüchtige", aber weniger erfolgsorientierte Tendenz stört, die nicht zur Vereinstradition passt. Außerdem eignet sich diese Haltung dazu, sich von den (gerade im neuen Stadion viel stärker vertretenen) "Eventfans" abzugrenzen, die in erster Linie ein "Spektakel" sehen wollen, denen im Extremfall ein unterhaltsames 3:3 lieber ist als ein mühsames 1:0.