"Verwestlichung" der Klitschkos
Die Klitschko-Brüder Wladimir und Vitali wollen eigentlich die USA erobern. Der europäische Sportmarkt ist den mehrfachen Europa- und Weltmeistern aus der Ukraine im Boxen zu klein geworden. Schließlich haben beide in Sportwissenschaft promoviert. Leider hakt ihr Feldzug für Fresh Money etwas. Sie müssen sich immer noch mit ihrem alten Promoter Klaus Peter Kohl vom Hamburger Universum-Boxstall rumschlagen, bei dem sie gekündigt hatten. Außerdem haben sie auf das falsche Zirkuspferd gesetzt: Jahrelang träumten sie von einem Kampf mit der letzten großen US-Boxlegende Mike Tyson. Der ist allerdings mittlerweile sportlich wie finanziell ziemlich hinüber.
Dem noch amtierenden Präsidenten der Ukraine, Leonid D. Kutschma, geht es ähnlich – als wäre ein idiotisches Sportereignis zu feiern, tobt durch sein Land eine Opposition in Orange, die das für gelebte Demokratie hält. Das ist ungefähr so, als käme Willy Brandt als Gespenst bei der Marketingmaschine »Deutschland sucht den Superstar« vorbei, um seiner Poesiealben-Forderung, mehr Demokratie zu wagen, besonderen Nachdruck zu verleihen.
Die Klitschko-Brüder finden die Demos in Orange (was wollen die: Fanta? Niederländische Nationalmannschaft? Bhagwan?) so toll, daß sie sich kurzzeitig entschlossen haben, anstelle der USA die Ukraine zu erobern. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist das auch viel einfacher.
Zur Steigerung des Kitsches in der Ukraine haben sie eine multinationale Eingreiftruppe zusammengestellt, die per Video in verschiedenen ukrainischen TV-Kanälen voll orange rüberkommen soll. Sting ist dabei, Franz Beckenbauer, Boris Becker, Thomas Gottschalk, Chris de Burgh, Joe Cocker dito. Merkwürdigerweise wurden auch längst dahingeschiedene Bands wie Jethro Tull, Moody Blues, Uriah Heep und Def Lepard für das Projekt gewonnen. Ein Verein von Untoten, der sich auf einmal begeistert orange fühlen muß. Als Wladimir und Vitali anfingen, berühmt zu werden, erzählten sie in den Talkshows immer davon, wie sehr sie es schätzten, auf einmal den ganzen Prominenten die Hand schütteln zu dürfen. Die gab’s doch in keinem Russenfilm.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2004/12-01/028.php