So hab mir nach Jahren des passiven Mitlesens nun wieder ein Profil mit etwas abgewandelten Namen zugelegt, war hier auch schon mal vor gut 10-15 Jahren im Forum unterwegs, vorrangig Radsport und Basketball
Sehr interessanter Artikel bezüglich des "Grand Slam" im Radsport.
Meine Einschätzung zu den genannten vier Fahren:
Pogacar:
Ihm traue ich es zweifelsfrei zu den Grand Slam zu machen, da er ja im Gegensatz zu den Grand-Tour Fahrer der 2000er ein Vielfahrer ist.
MSR liegt sehr nah an Tirreno und Paris-Nizza, also Rennen die sowieso in seinem Rennkalender stehen zur Vorbereitung auf die Tour de France, zudem hat er eine sehr hohe Baseline, d.h. er fährt eigentlich bei vielen Rennen ohne groß vorherige Rennkilometer immer vorne mit.
Insofern erwarte ich auch, dass er dieses Rennen in den nächsten Jahren sehr häufig bestreiten wird. Natürlich hat er hier aufgrund des eher einfachen Profils auch die meiste Konkurrenz, dennoch ist dieses Rennen sehr situationsspezifisch (kommt man am Poggio weg), aber in den letzten Jahren war hier ja nur noch sehr selten ein größerer Sprint, so dass ich denke das er hier bei entsprechender Rennsituation auch mal in den nächsten Jahren ohne spezifische Vorbereitung vorne sein wird.
Bei Roubaix: Grundsätzlich hat er ja schon bewiesen, dass er Kopfsteinpflaster kann (siehe Tour de France 2022). Hier kommt es meiner Meinung drauf an, wie sehr er wirklich "Lust" auf dieses Rennen hat und wie gut er bei seinem Debüt bei P-R sein wird. Denn davon wird abhängen, ob er dann in den kommenden Jahren dort auch antritt mit Siegambitionen, denn ggf. wird er sicherlich auch mal das Giro-Tour Double in Angriff nehmen und dann wird man Ihn wohl kaum im Frühjahr in Belgien/Frankreich sehen.
Glaube auch, dass er hier jetzt nicht extra Gewicht draufpacken muss: Pogacar ist einfach ein Rennfahrer der sehr schnell auch dazu lernt und sich entwickelt, siehe die Flandern-Klassiker (sein Sieg bei der Flandern-Rundfahrt war nun sein 4. oder 5. Rennen in Flandern). Insofern denke ich, dass hier der wesentliche Aspekt (neben der Portion Glück bei P-R) Streckenkenntnis und Erfahrung auf den Pavées für Ihn ist. Denke auch, dass er nach 2, spätestens 3 mal P-R hier das Rennen gewinnen kann aufgrund seiner physischen Fähigkeiten.
Van der Poel:
Lüttich und Lombardei sind jetzt nicht die Rennen die ihm unbedingt liegen, ich glaube auch nicht, dass er automatisch hier ein Rennfavorit ist wenn er beispielsweise 5 Kilo weniger auf die Rippen bringt.
Bei Lüttich könnte ihm die geänderte Zielführung entgegenkommen (kein Schlussanstieg mehr) und eine Rennkonstellation, in der an den vorherigen Anstiegen keine absolute Selektion stattfindet, aber diese Konstellation muss natürlich auch erst mal eintreten und das auch in den Jahren wo er am Start dann steht.
Bei der Lombardei-Rundfahrt sehe ich ihn nur mit Chancen, wenn der Kurs sich mal wieder ändert und das Finale einfacher wird. Hier muss er auf eine Strecken-Änderung hoffen, die es ja bei der Lombardei-Rundfahrt ja auch gerne mal gibt.
Van Aert:
Von den vorhandenen Grundfähigkeiten sicherlich prädestiniert für alle 5 Rennen, um dort immer vorne mitzufahren.
Dennoch wird dort immer auf Fahrer treffen, die ihm bei den Frühjahrsrennen mindestens ebenbürtig sind und bei den Hügel/Bergklassiker sogar stärker als er.
Er wird in den nächsten Jahren sicher andere Taktiken verwenden um diese Rennen auch zu gewinnen, da er im direkten Duell mit seinen Konkurrenten dieses Jahr nicht ganz so stark aussah (ist jammern auf hohem Niveau, 1-2% Form und Glück nächstes Jahr und er gewinnt vielleicht beide Rennen).
Ich denke er wird sicherlich noch Flandern und Roubaix in seiner Karriere gewinnen. Die anderen Rennen wahrscheinlich nicht, außer bei günstiger Renntaktik, wenn er weiter auch das Programm im Sommer und Winter fährt.
Ein weiterer Punkt wird hier sein, wie er seine Legacy noch beeinflussen möchten.
Stimmen aus Belgien sagen ja er ist kein Champion, da er ja Rennen wie Gent-Wevelgem an Laporte verschenkt hat dieses Jahr.
Zudem fährt er in einem Team, das eben noch weitere Kapitäne hat, anders als van der Poel, wo das Team mehr oder weniger voll auf seine Fähigkeiten abgestimmt ist.
Ich denke auf Gesamtklassement wird er nicht mehr fahren, da ich kaum glaube das hier mehr als ein Top 10 Platz herauskommen wird, er wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren nochmals zu einem Team wechseln, wo er uneingeschränkter Kapitän ist und dann versucht alles zu gewinnen was er noch gewinnen kann.
Evenepoel:
Zunächst einmal wird es hier interessant, wie er sich sich im direkten Duell mit den zuvor drei genannten schlagen wird. Möchte die Leistungen die er jetzt bisher erreicht hat nicht klein reden, aber seine großen Siege (Vuelta, LBL, WM) hat er stets in Abwesenheit (gut WM letztes Jahr Hotelzimmer-Teenie-Van der Poel; Van Aert fährt das komplette Jahr 2022 durch, keine Peak-Form mehr) der drei geholt.
Grundsätzlich sehe ich in Ihm einen Fahrer, der ähnlich wie Pogacar sehr schnell bei verschiedenen Rennen dazulernt und ebenfalls eine sehr hohe Baseline hat.
Das Thema Bike-Handling ist bei ihm sicher ein Thema, da er halt ein Quereinsteiger ist und nicht wie die anderen drei auch andere Radsportdisziplinen betrieben hat/betreiben, aber ich denke auch er wird sich sicherlich noch verbessern.
Denke mit seiner Leistungsfähigkeit kann er bei allen Rennen vorne mitmischen, alleine schon dadurch, dass er versucht die Rennen immer möglichst früh zu entscheiden, die Frage ist halt wie stark ist er wirklich im Duell mit den oben drei genannten.
Einen wirklichen Vergleich gab es ja aufgrund seines immer abweichenden Rennprogramms halt bisher nicht.
Hier wird sicherlich Aufschluss geben, wie er bei einer GrandTour im Vergleich zu Pogacar und Vingegaard abschneiden wird. Werden ihm hier Grenzen aufgezeigt, könnte ich mir vorstellen, dass er dann wieder mehr Richtung Klassiker geht.
Zudem spricht für Pogacar und Evenepoel der Faktor Zeit:
Beide sind nochmals 4-5 Jahre jünger als MVDP und Van Aert, diese werden dann wohl als erstes Abtreten, was dann natürlich Siege bei den Frühjahrsklassikern für Pogacar und Evenepoel "einfacher" machen wird, vorausgesetzt es kommen nicht wieder so Ausnahmeathleten nach.
Könnte mir aber Vorstellen, dass die beiden als Blaupause für die kommenden Rad-Generationen gelten werden.
Interessant wird auch sein, dass ja alle vier Fahrer Vielfahrer sind und sehr jung schon große Erfolge auf der Straße hatten, ob dies mit fortschreitendem Alter dazu führen könnte, dass die Leistungsstärke vielleicht mit Anfang 30 schon rückläufig sein kann.
Auf jeden Fall stehen uns interessante Jahre bevor!