Ich habe die Corona-Sportauszeit genutzt und in den letzten Wochen "The Great Nowitzki" durchgelesen. Der Artikel des Autors zum letzten Spiel im DBB-Dress hatte mir gut gefallen
(Link), entsprechend hoch waren die Erwartungen. Obwohl das Buch neben bereits ErzĂ€hltem einige interessante Einblicke gibt, spiegelt es fĂŒr mich nicht die komplette Basketball- und NBA-Karriere wider. DafĂŒr fehlen die detaillierten Augenblicke des Scheiterns. Damit meine ich nicht Geschwindners U-Haft oder Crystal Taylor, jedoch die sportlichen Misserfolge.
Ich finde es okay, dass in der RĂŒckbetrachtung 2011 vieles ĂŒberstrahlt und daher auch viel Raum einnimmt. Der Sommer 2011 entschĂ€digt fĂŒr viele Niederlagen, macht diese aber nicht komplett vergessen. Es ist schade, dass diese fast vollstĂ€ndig ausgeblendet wird. 2005 und 2006 ist leider mehr als eine Randnotiz in der Sportlerkarriere von #41. Das tat damals richtig weh, und hĂ€tte es deshalb auch verdient, ausfĂŒhrlich erzĂ€hlt zu werden. Da Pletzingers Recherche erst 2012ff Fahrt aufnahm, lag hier wohl keine PrioritĂ€t. So ist dann im Buch zu lesen, dass Dallas in 2001 gegen Utah 4:2 (sic) gewinnt. Im ersten Jahr hĂ€tte Nowitzki leichter Anschluss gefunden, weil er im gleichen Apartment-Komplex wie Wang Zhizhi wohnte (obwohl der erst gegen Ende der Saison 2001 zu den Mavs stieĂ, wo Nowitzki bereits seine dritte Saison spielte). Im Sommer 2010 hĂ€tte man Brandon Haywood aus Washington verpflichtet (obwohl der bereits vorher im Trade mit Butler kam). Da sind schon einige Ungenauigkeiten drin, die so nicht passieren sollten, wenn man jemanden derart intensiv ĂŒber mehrere Jahre begleitet.
Ăber viele misslungene Dinge, die man als Fan noch genau im Hinterkopf hat, liest man sehr wenig: der verhunzte erste Kidd-Trade, wo man die Veto-Option von Devean George nicht auf dem Schirm hatte. Josh Howards Eskapaden (Drogen in der Off-Season, I'm black âŠ,). Das schwierige VerhĂ€ltnis von Avery Johnson zu Jason Kidd und teilweise auch zu Nowitzki (inkl. Trade-Anfrage bei Cuban). Die Playoff-Serien im vermeintlichen Titel-Fenster unter Kidd von 2008 bis 2010, wo man wesentlich auch deshalb ausschied, weil Kidd gegen den jeweiligen gegnerischen Aufbau alt aussah. Chris Paul war 2008 nicht zu halten und machte 25/12. 2009 verlor man in Runde 2 trotz eines ĂŒberragenden Nowitzkis (34/12 bei 66% TS), da Kidd gegen den 32JĂ€hrigen Chauncey Billups kein Land sah. WĂ€hrend im Gegenzug ein Harris in Jersey dank Usage-Rate zum Allstar reifte.
Die vollkommen misslungene Free Agency-Perioden nach 2011. Die Pitchs fĂŒr Howard und Williams, das Odom-Desaster, das Rondo-MissverstĂ€ndnis, die Farce um das Signing von DeAndre Jordan. Alles Dinge, die im Buch kaum vorkommen. Generell gibt es so gut wie keine Kritik am Front Office oder fĂŒr fragwĂŒrdiges Verhalten der Mitspieler. Die ist sehr schade, weil hier in der RĂŒckbetrachtung ein wesentlicher Aspekt der Karriere unter den Teppich gekehrt wird. Und Pletzinger zeigt mit indirekten Spitzen gegenĂŒber Fleming und Schröder (EM 2017), dass er grundsĂ€tzlich den Finger in die Wunde legen kann.
Das Fazit des Buchs: "fantastischer Mensch, fantastische Karriere". Ein Fazit was ich mir gewĂŒnscht hĂ€tte: "fantastischer Mensch, auĂergewöhnliche Karriere mit Höhen und Tiefen". So wie ich immer noch sagen kann wo ich Spiel VI der Finals 2011 gesehen habe, erinnere ich mich eben auch an die nervigen langgezogenen hohen Jubel-Schreie von Hallensprecher und Hornets-Fans in 2008 -
@sefant77 und Co. haben das bestimmt auch nicht vergessen. Das tat damals sehr weh und ist trotz 2011 nicht komplett aus dem Kopf raus wenn man als Dallas-Fan an Nowitzki-Jahre denkt.
NatĂŒrlich kam spĂ€testens mit den letzten Seiten im Buch auch wieder etwas Wehmut auf. 21 Jahre sind eine lange Zeit. Ich bin glĂŒcklich, dass Nowitzki letzte Saison einen angemessenen Abschluss zelebrieren konnte (und Corona nicht ein Jahr frĂŒher ausbrach). Ich Ă€rgere mich sehr stark, im Herbst 2018 nicht auf Verdacht Tickets fĂŒr die letzten beiden Spiele der 18/19er Saison gekauft zu haben. Und bin dennoch dankbar, Nowitzki im Dallas-Dress fĂŒr 14 Spiele in sechs NBA-Arenen live gesehen zu haben, darunter sechs der letzten zehn Playoff-Partien. Und verspreche mir, zumindest fĂŒr die Retirement-Zeremonie mit Jersey und Statue die Ăra Nowitzki gebĂŒhrend im AAC ad Acta zu legen.