LAOLA1: War Bemelmans ein guter Gegner zum Reinkommen?
Thiem: Ja, das glaub ich auch. Es war sicher keine leichte Partie, aber dafür ist er jetzt im Turnier drin. Er spielt derzeit ja auch ganz gut.
LAOLA1: Wie schätzt du Dominic im Vergleich zu den früheren Jahren für Wien ein?
Thiem: Ich glaube, dass die Planung heuer sehr gut war. Er hat nur in Shanghai in Asien gespielt, weil er dort nicht gerne spielt. Dadurch hat er jetzt für den Endspurt der Saison mehr Energien. Und das braucht er auch für die Masters-Qualifikation.
LAOLA1: Glaubst du, dass es heuer in Wien erstmals zum Titel reicht?
Thiem: Ich habe ein gutes Gefühl und ich hoffe, ich werde am Freitag auch wieder in die Stadthalle fahren (Anm.: Viertelfinal-Tag). Ich glaube, dass er heuer im Kopf frischer ist, als er es in den vergangenen Jahren war. Die Saison erscheint ihm diesmal nicht so lang und ich glaube, dass das in den nächsten Jahren noch besser werden wird.
LAOLA1: Wie zufrieden bist du mit der Saison?
Thiem: Mit der Saison bin ich eigentlich nicht zufrieden. Die war doch etwas durchwachsen. Eigentlich hatte Dominic vom Ergebnis her nur drei gute Wochen. Das waren Lyon (Turniersieg), Madrid und Paris (jeweils Finale) – wobei er in Lyon eigentlich gar nicht so gut gespielt hat. Und in Madrid war er im Finale gegen Zverev auch nicht gut. Er hatte leider auch immer kleinere Verletzungen oder Krankheiten. In Zukunft wird er da sicher etwas vorsichtiger sein und lieber mal ein Turnier rausziehen – so wie er es heuer in Halle hätte machen sollen.
LAOLA1: Eine merkbare Steigerung gab es bei Dominic in den letzten Monaten im Aufschlag.
Thiem In diesem Bereich haben sie sehr viel trainiert und gearbeitet. Der Aufschlag funktioniert jetzt wirklich sehr gut. Der Slice nach außen geht jetzt viel besser. Mir gefällt es immer, wenn der Return-Spieler nur mehr den Kopf schüttelt, weil er nicht weiß, wo er hin serviert. Das macht Jürgen Melzer zum Beispiel unglaublich gut. Raonic wusste einfach nicht, wo Jürgen hinserviert. Da hat Dominic sicherlich noch einige Reserven. Man muss beim Aufschlag nicht immer mit Brachialgewalt agieren.
LAOLA1: Welche Spieler werden in Wien deiner Meinung nach um den Titel mitmischen?
Thiem: Karen Khachanov spielt derzeit sehr gut und kann sehr gefährlich werden. Er hat erst letzte Woche in Moskau gewonnen und ist so ein Laufspieler. Einen John Isner oder Kevin Anderson hat man in der Halle nie gerne als Gegner. Und Borna Coric darf man natürlich auch nicht vergessen – der hat in Shanghai erst im Finale gespielt.
LAOLA1: Was fehlt Dominic noch, um so konstant aufzutreten wie beispielsweise ein Novak Djokovic, der kaum einmal gegen einen schlechter platzierten Spieler verliert?
Thiem: Djokovic spielt ein ganz anderes Tennis. Er spielt komplett risikolos und ist quasi eine lebende Gummiwand. Deshalb schau ich mir die Spiele von ihm auch gar nicht so gerne an. Irgendwie ist das fast ein bisschen fad im Vergleich zu einem Federer oder Nadal, wo mehr Action auf dem Platz ist. Da sehe ich lieber Spieler wie Khachanov oder Tsitsipas – das sind für mich attraktive Tennis-Spieler. Das soll aber nicht die Leistung von Djokovic schmälern.
LAOLA1: Für die Gegner ist Djokovic einfach zermürbend, oder?
Thiem: Ja, natürlich. Djokovic läuft auf der Grundlinie hin und her, grätscht jeden Ball raus und spielt extrem präzise und genau. Hut ab vor der Leistung – aber er spricht mich persönlich als Tennis-Spieler nicht an.
LAOLA1: Wie schaut’s mit einem Denis Shapovalov aus – spielt der auch bald ganz vorne mit?
Thiem: Grundsätzlich taugt mir der schon, er hat aber noch einige technische Mängel. Daran muss er noch arbeiten. Da ist ein Tsitsipas schon weiter. Shapolavov ist ein Bewegungs-Talent und extrem begabt. Vor zwei Jahren war der vor der Stadthalle ein paar Wochen bei uns in der Akademie und hat dort mittrainiert. Er wollte aber nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Wobei ich lieber das fünfte Rad beim Ferrari wäre, als das vierte Rad beim Golf.