Vega
Bankspieler
- Beiträge
- 8.325
- Punkte
- 113
SC Verl
Nach der fantastischen ersten Drittliga-Saison, in der der SC Verl eine der positiven Überraschungen der Liga war und Siebter wurde, verlief die vergangene Spielzeit äußerst mühsam. Erst am letzten Spieltag konnte der Klassenerhalt dingfest gemacht werden, so dass die Ostwestfalen nun ins dritte Drittliga-Jahr gehen - wo es einmal mehr einzig und allein um den Ligaverbleib gehen wird. Die vergangene Saison begann eigentlich gut: Verl sammelte immer wieder ein paar Punkte und hielt sich im soliden Mittelfeld auf. Doch nach dem 5:3-Sieg über Havelse im Oktober folgte ein Bruch: Durch nur zwei Zähler aus sieben Spielen rutschte der Sportclub in den Keller, ein zwischenzeitlicher 2:0-Sieg gegen Würzburg beendete die Talfahrt nicht, so dass man sich nach vielen Jahren von Erfolgstrainer Guerino Capretti trennte.
Sein Nachfolger wurde Michél Kniat, der mitten in der Saison von Oberligist SC Paderborn II abgeworben wurde. Auch Kniat hatte keinen einfachen Start, konnte den Karren aber schließlich auf Kurs bringen. Dennoch hatte Verl vier Spieltage vor Saisonende noch vier Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Doch die beispiellose Aufholjagd der letzten Wochen wurde gekrönt, Verl fing Viktoria Berlin noch ab und verdiente sich den Klassenerhalt als 16. Derweil waren Spiele mit Verler Beteiligung in der Regel ein Garant für Spektakel. 56 Tore schossen die Verler, das schafften sonst nur die Top 6 der Tabelle. Aufsteiger Kaiserslautern erzielte ebenfalls 56 Treffer. Problem: Verls 66 Gegentreffer wurden nur vom MSV Duisburg und Havelse getoppt. Mal ein Auszug der Verler Ergebnisse der letzten Saison: 4:4 in Halle, 3:3 gegen Berlin, 5:3 gegen Havelse, 2:4 gegen Saarbrücken, 2:5 in Köln, 4:5 gegen Magdeburg. Kurios übrigens: Ob Verl "zu Hause" (aka in Lotte/Paderborn) oder auswärts spielte, spielte überhaupt keine Rolle. Heimbilanz: 5 Siege, 5 Unentschieden, 8 Niederlagen, 29:33 Tore. Auswärtsbilanz: 5 Siege, 5 Unentschieden, 8 Niederlagen, 27:33 Tore.
In diesem Sommer ereilte die Ostwestfalen mal wieder das Schicksal, das den kleinen Klubs in schöner Regelmäßigkeit blüht: Zahlreiche Leistungsträger verließen den Verein, weil der Klub finanziell am unteren Ende der Nahrungskette zu finden ist, sind große Sprünge auf dem Transfermarkt zudem natürlich utopisch. Kreative Lösungen mussten wieder einmal gefunden werden - das hat der Verein in den vergangenen Jahren aber mit einer extrem starken Trefferquote geschafft. Dennoch tun die Abgänge insbesondere in der Offensive brutal weh: Top-Torjäger Lukas Petkov (elf Tore), den ich extrem stark fand, kehrte nach seiner Leihe zurück zum FC Augsburg. Ron Berlinski, der insbesondere in der Schlussphase der Saison massiven Anteil am Verler Aufschwung hatte, erzielte sieben seiner zehn Treffer an den letzten sieben Spieltagen und wechselte zu Rot-Weiss Essen. Leandro Putaro (neun Tore) spielt nun beim VfL Osnabrück und Kasim Rabihic (fünf Tore, 13 Vorlagen) beim 1. FC Saarbrücken. Innenverteidiger Christopher Lannert ging zu 1860 München. Immerhin: Angreifer Cyrill Akono (acht Tore) ist geblieben. Dennoch merkt man schon: Verl kann mit der Liga-Konkurrenz auf dem Markt nicht mithalten. Die weiteren Abgänge wie Julian Schwermann (Alemannia Aachen), Robin Brüseke (RW Ahlen), Frederick Lach (ETB SW Essen), Pascal Steinwender, Emanuel Mirchev (beide Teutonia 05), Patrick Schikowski (SSVg Velbert), Lasse Jürgensen und der 39-jährige Mahir Saglik (beide vereinslos) sind indes zu verschmerzen.
Auf der Gegenseite konnten nach den erfolgreichen Leihen im Vorjahr Torhüter Niclas Thiede (SC Freiburg) und Defensiv-Allrounder Tom Baack (Jahn Regensburg) fest verpflichtet werden. Als Rechtsverteidiger kam Tobias Knost vom 1. FC Magdeburg, der im Aufstiegsjahr 14 Mal auf dem Platz stand. Ansonsten - abgesehen von Ersatztorhüter Tim Wiesner aus Osnabrück - kommen die Neuzugänge aus unteren Klassen. Nach vielen Jahren bei Weiche Flensburg, wo er unbestritten zu den besten Verteidigern der Regionalliga Nord gehörte, wagt Innenverteidiger Torge Paetow nun den Sprung in die 3. Liga. Für das Mittelfeld sind Dominik Klann (Preußen Münster) und Leon Bürger (Carl Zeiss Jena) gekommen. Von Jena kommt auch Offensivmann Maximilian Wolfram, der immerhin bereits über 100 Drittliga-Spiele absolvierte. Ansonsten bediente sich Verl gleich fünfmal im Paderborner Nachwuchs (U19/U23) - Wladimir Wagner, Koray Dag, Mateo Biondic, Presley Pululu und Jesse Edem Tugbenyo - hier kommen sicherlich auch die Kontakte von Kniat zum Tragen. Den Sprung aus der Oberliga Westfalen wagt Eduard Probst - der 21-Jährige schoss für Westfalia Rhynern in 24 Spielen in der abgelaufenen Saison sage und schreibe 23 Tore. Dass zwei Ligen Unterschied nicht zu viel sein müssen, bewies nicht zuletzt Berlinski, der erst im vergangenen Sommer vom RSV Meinerzhagen aus der OL Westfalen nach Verl gewechselt war.
Weiterhin für Ärgernisse sorgt die Stadion-Thematik. Der DFB hat die Mindestkapazität bekanntermaßen auf 5000 Plätze herabgesetzt, wodurch die heimische Sportclub-Arena drittligatauglich wäre. Aber: Weil der Klub weiterhin über keine Rasenheizung verfügt und zu wenig Sitzplätze stellen kann, wird Verl auch die ersten Monate dieser Saison im Exil spielen - nämlich in Paderborn. Ein Umzug nach Verl ist frühestens für Januar 2023 geplant.
Ganz klar, der Aderlass in Verl war (wieder einmal) brutal. Was der Sportclub alleine in der Offensive verloren hat, dürfte nahezu jeden Konkurrenten vor große Herausforderungen stellen. Aber der Verein hat es bereits in der Vergangenheit durch geschicktes Scouting geschafft, funktionierende Spieler zu holen, die die Konkurrenz nicht zwingend auf dem Schirm hatte - Berlinski ist da das beste Beispiel. Kniat schien in den ersten Monaten beim Team sehr gut angekommen zu sein, wie der Klub den Kopf noch aus der Schlinge zog, spricht da ja Bände. Unzweifelhaft gehört Verl zu den größten Abstiegskandidaten der Liga - ich glaube aber, dass sich ein paar Transfers mal wieder als Volltreffer erweisen und der Verein somit zwar knapp, aber wieder einmal die Klasse hält. Platz 16.