Hab es auch gelesen.
Fand ich ehrlich gesagt nicht. Außer ihm wurde doch keiner wirklich dafür in irgendeine Ecke geschoben, sondern immer wieder auf ihn eingeschossen.
Okay, das habe ich damals - und auch jetzt beim re-read - anders wahrgenommen.
Gut, jetzt, nach einem weiteren Re-Read, muss ich euch Recht geben. Der Shitstorm ging schon ziemlich klar in eine Richtung...und die halt auch zurecht.
Und ja er hat zurückgerudert, aber dennoch waren das halt rassistische Vibes, die einfach alleine beim Lesen enorm wehtun. Und die Geisteshaltung (kein böswilliger Rassismus) scheint dann eben in dem Moment durch (für damals) und macht es Menschen, die sich voll mit dem Land identifizieren immer wieder schwer hier anzukommen. Und dann wird sich im Umkehrschluss gewundert, wenn Deutsche mit Migrationshintergrund ihre Wurzeln nicht hinter sich lassen können und total auf ihre Heimat abgehen. Das hat nicht nur mit solchen Reaktionen zu tun, aber eben auch.
Da muss ich vielleicht bisschen erklären, wieso ich über so Sachen anno 2006 eher drübergelesen habe. Ich habe/hatte in meinem Umfeld ziemlich viele Leute, auch gute Freunde, die bei jedem Fussballspiel der Schweizer NM sich über die "richtigen" und "falschen" Schweizer unterhalten und ausgelassen haben. Und verglichen mit heute waren damals weiss Gott nicht viele Secondos bei der Schweiz unterwegs. Aber Inler, Yakin, Djourou etc. haben schon für diese Debatten gereicht. Und was restrospektiv so ziemlich zum Kotzen war: Wenn der Kanacke mit ihrem "Seal of Approval" in der Nähe war, also ich, der immer gut genutzt werden konnte für "ich hab nichts gegen Ausländer, hänge ja auch mit JL13 rum", hat man sich irgendwann gar nicht mehr die Mühe gemacht, das irgendwie hinter vorgehaltener Hand zu machen.
Teilweise waren das auch die gleichen Leute, die paar Jahre später erklärt haben, was für dumme, undankbare A*löcher Petric und Rakitic sind, weil sie sich für Kroatien entschieden haben. Waren oft "lustige" Diskussionen, weil ich oft dann gedrängt wurde zu sagen, wie ich mich an deren Stelle entscheiden würde und richtiggehend genötigt zu sagen "Schweiz", obwohl ich dann ja auch kein "richtiger" Schweizer gewesen wäre, der fürs Nationalteam spielt. Ein "Kumpel" hat es dann wirklich auf die Spitze getrieben. Er hat es nie direkt mit diesen Worten gesagt, aber halt deutlich umschrieben, wie viele Leute hier gedacht haben. Die Quintessenz war die, dass vom Secondo erwartet wird, dass er sich aus Dankbarkeit natürlich für die Schweiz entscheidet, aber dann gefälligst so viel Anstand haben sollte, das schöne Schweizer Trikot niemals anzuziehen und mit seiner dreckigen Ausländerhaut zu besudeln. *)
Heute bin ich – wie überraschend – mit vielen dieser Leute nicht mehr befreundet. Ich weiss auch, dass sehr viele dieser Aussagen nicht in Ordnung waren und damit eigentlich noch wohlwollend umschrieben sind. (Ich erinnere mich an ein CL-Spiel zwischen den Bayern und Basel, als ich irgendwas über die "beiden Österreicher" gesagt habe und gefragt wurde, wer ausser Steinhöfer noch Österreicher sei. "Ehm...Steinhöfer ist Deutscher. Ich spreche von Alaba und Dragovic." Rest der Diskussion, die anschliessend folgte, lasse ich hier weg. Komplettes Mittelalter. Könnt es euch ja in etwa ausmalen). Damals war ich halt einfach komplett abgestumpft. Ich habe nie drüber nachgedacht, dass Leute, die in ihrer Freizeit mit mir und anderen Leuten mit Migrationshintergrund verbringen, trotzdem rassistische Denkweisen haben können. Damals habe ich mir halt eingeredet, dass man diesen "kein richtiger Schweizer/Deutscher/Marsmensch" halt einfach ertragen muss und hab dementsprechend vermutlich auch komplett abgestumpft über einige Aussagen hinweggelesen. Bin froh, dass ich heute diesbezüglich sensibler bin bzw. dafür einstehen kann, dass das nicht OK ist.
Mag sein (die Frage ist, ob alle einheimischen Nationalspieler wirklich so viel mit dem Land anfangen können und es nicht auch teilweise Business-Entscheidungen sind).
Was ich in dem Fall aber tatsächlich auch befremdlich fand, war, dass seine Mutter ja "sogar" Deutsche gewesen ist und er daher auch einen deutschen Pass hatte. Hab mich beim Lesen gefragt, ob er auch so krass bei seinem eigenen Kind wäre. Hab mir vorgestellt Crunch wäre ausgewandert im Jahr 2005 nach Amerika und hätte 2012 mit einer US-Amerikanerin einen Sohn bekommen. Der Sohn spielt dann geil Basketball und 2032 ist die Frage, ob er für Deutschland spielen will. Crunch wäre wahrscheinlich Feuer und Flamme dafür gewesen, selbst wenn er den Sohn sehr "amerikanisch" erzogen hätte.
Ach, da bin ich mir ziemlich sicher, dass es auch bei den Einheimischen solche gibt, die Business-Entscheidungen treffen. Sind wir ehrlich. Doppelbürger, die für zwei Nationen auflaufen können und auch Identifikationspunkte mit beiden haben, treffen die Entscheidung oft nach dem Prinzip "mit wem kann ich eher an einer EM/WM teilnehmen" bzw. "mit wem kann ich eine EM/WM eher holen". Da ist vieles Business...aber wenn sich so ein Spieler nicht irgendwie klar äussert, dass es ihm eh nur um die beste Karriereentscheidung geht, gibt man ihm halt den Benefit of a Doubt.
Macht für mich schon einen Unterschied, ob (a) der DBB hier aktiv eine Einbürgerung einleitet, um einen Spieler in den potentiellen Spielerpool zu bekommen. Oder ob (b) ein Spieler von vorn herein den Pass hat. Bei Szenario (a) würde ich höhere Maßstäbe an die Nationalmannschafts-Würdigkeit des Spielers ansetzen als bei Szenario (b). Grundsätzlich werden wir hier nicht weit auseinander sein, dem nachfolgenden kann ich uneingeschränkt zustimmen:
Ich glaub wir sind da schon ziemlich nah beieinander. Wikipedia hat mir vorher zwar erklärt, dass ich mich getäuscht habe, aber ich hatte in Erinnerung, dass Neuville für die DFB-Elf eingebürgert wurde (tatsächlich hatte er den Pass schon viel länger). Wäre für mich aber nicht schlimm gewesen. Und Neuville hatte zu Beginn sogar Mühe mit der Sprache. Aber der hatte nie diese Söldner-Vibes. Der ist immer aufgetreten nach dem Motto "Ich bin Deutscher und das ist schon alles richtig so" und das hab ich ihm auch immer abgenommen. Im Endeffekt ging es mir immer nur drum, dass man diesen "Ailton zu Katar"-Nonsense unterbindet. Ob im Basketball oder Fussball. Und da habe ich auch bei Bradley und Kaman die Augenbraue hochgezogen.
Mein Schlusspladoyer von damals liest sich ja ganz okay. Dachte, dass ich früher noch viel dümmer war als jetzt.
*) Dem gleichen Typ ist aber paar Jahre später richtig einer abgegangen, als er bei einem USA-Trip in Oklahoma Thabo Sefolosha getroffen hat. Vermute mal, dass er ihm nicht erklärt hat, dass er ja eigentlich kein richtiger Schweizer sei.