Ich kann die Meinung, dass Kovac der falsche Trainer ist, durchaus teilen, allerdings nicht in der Heftigkeit wie andere User. Alter Schwede... Der erste Fehler liegt bei Uli und Kalle (+ Brazzo), denn eine Trainerauswahl sollte nach bestimmten Kriterien passieren und ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass bei Kovac die Kriterien "verfügbar" und "Stallgeruch" waren.
Bei einem Meisterschaftsanwärter ist aber ein anderer Fußball gefragt, bei einem europäischen Top 10 Club erst recht. Und gerade Bayern hat fast 10 Jahre eine Entwicklung zu einer sehr klaren Spielidee genommen, die da nun einmal Ballbesitzfußball und aktive Spielgestaltung heißt. Davon wurde bei Ancelotti schon viel zu sehr abgewichen, mittlerweile ist kaum noch etwas davon übrig und das tut mir in der Seele weh. Weil das über die Jahre nicht nur eine Taktik auf dem Feld wurde, sondern identitätsstiftend war - eine Identität, der wir nach 2001 Jahre lang sehnsüchtig und gleichzeitig ratlos hinterherliefen. Dass das jetzt einfach so hergeschenkt wird, ist für mich persönlich eine komplette Katastrophe.
Ich bin oft mit Dir einer Meinung, aber hier nur bedingt. Ballbesitzfußball ist für mich inzwischen ein ähnliches Unwort wie Laptoptrainer. Ich weiß, dass die Zeit vieles verklärt, aber man darf ruhig mal an den Fußball unter LvG erinnern, der teilweise einfach brotloses Ballgeschiebe war, 70% Ballbesitz bei null Torchancen, bis dann van Buyten mit der Brechstange kam oder Robben das Spiel gerettet hat. Ich denke noch mit Grausen an das Spiel gegen Dortmund (1:3 in München verloren), wo er Gustavo als Linksverteidiger aufgestellt hat und Pranjic als Sechser, "weil der ein besseres Passspiel hat". Er hatte nur leider auch eine Zweikampfquote von 0/6. Van Gaal war wichtig, aber nicht wegen Ballbesitzfußball, sondern weil er das Team bis zum Erbrechen mit dem Ball hat trainieren lassen, so dass man eine hohe Präzision im Passspiel erreicht hat. Natürlich auch, weil er rigoros auf Spieler "seiner Gnaden" gesetzt und damit viele Gewohnheiten aufgebrochen hat. Er hat das Team und irgendwie auch die Bosse aus der Komfortzone geholt.
Und so schön es anzusehen war, ich brauche auch kein Spiel wie unter Pep. Weil das nur funktioniert, wenn der Kader Top 3 ist. Von daher predige ich schon lange, dass es Pragmatismus braucht. Ich sehe auch nicht, warum ein Team nicht zwei Dinge beherrschen soll. Einerseits dominantes Spiel, andererseits auch mal tief stehen und kontern. Dann holt man halt in der Liga nicht ganz so viele Punkte, hat aber international bessere Chancen. Bei Kovac sehe ich da Ansätze, aber offensiv und taktisch hätte ich mir mehr erwartet. Ob das jetzt mehr an ihm liegt, am Kader (der die Komfortzone mal wieder nicht verlassen will) oder an der Führung, mag ich nicht beurteilen. Vermutlich von allem etwas.
Ten Hag wäre eine gute Lösung, meinetwegen auch MvB. Tuchel hätte zu Kader und Phiosophie gepasst, Nagelsmann sowieso. Selbst Trainer wie Titz, Walter (macht super Arbeit in Kiel, wie auch schon bei unseren Amas), Rose, Seitz und "sogar" Löw hätten besser gepasst als Kovac oder Ancelotti. Dagegen wäre Hasenhüttl eine völlige Fehlbesetzung gewesen (wurde ja auch eine Zeitlang gewünscht). Auch Peter Bosz hätte seinen Reiz gehabt, Favre dagegen nicht.
Was würde van Bommel gegenüber Kovac gesichert bringen? Der hat doch in erster Linie Stallgeruch. Titz, Walter, Rose, Seitz hätten bei diesem Kader ebenso ein Akzeptanzproblem wie Kovac und ein Zweitligacoach würde doch auch von den Medien nie akzeptiert werden. Bei Hasenhüttl stimme ich Dir zu, bei Bosz hingegen gar nicht. Der muss mir erst mal zeigen, dass er annähernd sowas wie eine Defensive hinkriegt. Mit dem wäre man gegen Liverpool auch raus gegangen, aber halt mit 4:9 über zwei Spiele... für mich das ganz genaue Gegenstück zu Kovac und von daher auch nicht geeignet. Tuchel und Nagelsmann sind vom Tisch.
Bleibt Ten Hag. Ich kann ihn nicht beurteilen, habe aber das Gefühl, dass er auf Grund des Auftretens seines Teams in München und gegen Real unheimlich gehyped wird. Überspitzt gesagt, weil sein Team gegen das von Nichtskönner Kovac stark gespielt und ein Real im Chaos rausgeworfen hat, ist er jetzt der Hoffnungsträger. Dabei hat er sich aber auch von Nichtskönner Kovac drei Buden eingefangen
Ten Hag hätte mMn auch ein Akzeptanzproblem bei den Medien und dem einen oder anderen "Star" und das mit "dann muss man ihm bedingungslos Rückendeckung geben" liest sich gut, aber in München wirst du nun mal sofort angezählt, wenn die Ergebnisse nicht passen. Das mit der Rückendeckung hat man bei Kovac auch gesagt und kurz darauf kam Hoeneß mit "der Trainer muss den Kopf hinhalten" ums Eck.
Über Kovac nachzudenken ist berechtigt, aber einen besseren, wirklich geeigneten Nachfolger zu finden, wird nicht halb so leicht wie mancher hier tut.