Die Erklärung Zufall, auf Verdacht losgefahren oder reines Glück, ist mir bei der zeitlichen Perfektion die im hundertstel Bereich liegt und jeglicher menschlicher Reaktion oder Verdachtswahrscheinlichkeit bzw. Vernunft komplett widerspricht, einfach zu plump. Wenn es so einfach ginge, dann müsste die hintere Hälfte "auf Verdacht" losfahren, würde die eine 5- oder 10-Sekundenstrafe kaum jucken.
Und ob irgendwelche Zeitungen oder Fernsehsender irgendwas reden ist mir ziemlich egal. Ich halte mich an die Fakten, soweit die objektiv erkennbar sind und da können wir alle übereinstimmen, dass Bottas heute einen sehr perfekten Start hingelegt hat, der zumindest Fragen aufwirft, wie sowas passiert. Wenn das für dich schon eine Schwierigkeit ist, dann sei es so.
Bottas hat sich selbst geäußert, dass er gezockt hat.
Bottas gesteht: Habe am Start gezockt
Bottas gibt offen zu, dass er beim Start in Österreich zockte: "Die Variation, wann die Lichter ausgehen, ist seit langer Zeit nicht mehr besonders groß. Deshalb weißt du mehr oder weniger den Zeitraum, wann es soweit sein wird. An diesem Punkt bist du sehr aufmerksam, da zockst du mit deiner Reaktion und mit deiner Vermutung."
https://www.motorsport-magazin.com/...z-fruehstart-darum-bekam-bottas-keine-strafe/
Natürlich kann das komplette Feld versuchen zu zocken ... und würde es das nicht geben, dann würde man nirgends im Sport Frühstarts sehen. In der Leichtathletik beim Sprint entscheidet eine bessere oder schlechtere Reaktion von 0,1s mehr oder weniger auch darüber, ob man 0,1s früher oder später im Ziel ist.
Beim Motorsport ist dies gewiss nicht so, es beeinflusst in erster Linie die eigene Position im Startgetümmel, wobei für einen guten Start ja nicht nur die Reaktionszeit entscheidend ist ... siehe Verstappen (oder Hamilton 2016 bei manch Gelegenheiten). Der Vorteil 0,1s früher oder später zu reagieren bzw. zu starten ist nicht so wertvoll wie die Größe des Risikos dass man eine empfindliche Strafe kassiert. Deswegen sehen wir eher selten Frühstarts in der F1.
Übrigens, Bottas selbst bezweifelt die Reaktionszeit von 0,2s ... das wäre in etwa die Zeit welche er bei Reaktions-Übungen zeigt (Vettel gab ja ähnliches zu Protokoll). Auch die Differenz zu Vettel (0,36s Reaktionszeit) erscheint etwas klein. Allerding gibt es gewisse Toleranzen in den Messsystem des Zeitnehmers ... und die können sich addieren.
Nun könnte man sagen, dass es sich lohnen würde einfach irgendwann loszufahren. Mal angenommen ein Hamilton setzt wegen technischer Probleme beim Ungarn-Qualifying keine Zeit und startet vom letzten Platz aus. Wenn er nun einfach losfährt sobald die Ampel rot wird kann er schön am Feld vorbei fahren und sich vorne einsortieren ... dann kassiert er zwar eine Stop-And-Go-Strafe aber verliert dabei weniger Zeit, als wenn er sich in Ungarn (!) durchs Feld arbeiten müsste.
Aber das ist nur Theorie ... ich nehme an es gibt hier auch gewisse Grenzen bis wann ein Frühstart eine kleine Strafe nach sich zieht ... oder wann es zu einer Disqualifikation kommt.
Ein Beispiel für einen offensichtlichen Frühstart ist z.B. das Rennen 2012 in Belgien.
Maldonado gab offen zu, dass ihm der Kupplungshebel vom Finger gerutscht sei und dass er dadurch unabsichtlich zu früh losfuhr.
Er war drittschnellster im Qualifying, startete aber nur von Platz 6 (Behinderung von Hülkenberg im Q1). Er schoss durch den Frühstart vor auf den dritten Platz ... allerdings war er dennoch in den Startunfall verwickelt.
Zur Erinnerung: Grosjean drängte Hamilton ab (vergleichbar mit Sainz gegen Grosjean in Montreal dieses Jahr), Hamilton verlor die Kontrolle über seinen Boliden und schob Grosjean dadurch auf das Heck von Perez. Der verpasste seinen Bremspunkt und drehte Maldonado um. Grosjean hob leicht ab und flog dadurch in und über Alonsos Ferrari. Alonso und Hamilton touchierten den schlecht gestarteten Kobayashi (Startplatz 2).
Unfallfrei kamen vorne durch den Start nur Start-Ziel-Sieger Button und auch noch Räikkönen, der beim Start hinter Button stand.
Hinter der Grosjean-Hamilton-Kollision war eine kleine Lücke zu den Force India (Hülkenberg, di Resta), den Red Bull (Vettel, Webber), Schumacher im Mercedes und Massa im Ferrari ... die konnten dem Unfall dann ausweichen und sich im weiteren Verlauf um gute Positionen mit den Toro Rosso (Ricciardo, Vergne) streiten, die da auch gut durchkamen.
Kobayashi und Maldonado kamen zu Reparatur-Boxenstops rein. Kobayashi kam als 13ter ins Ziel, Maldonado fiel nach dem SafetyCar-Restart nach einer Kollision mit Timo Glock aus. Er kam also nicht mehr dazu in Spa eine Strafe für den Frühstart abzusitzen. Allerdings wurde er in Monza beim Rennen darauf um 10 Plätze nach hinten strafversetzt. 5 Plätze für den Früstart und 5 Plätze für den (von ihm verursachten) Crash mit Glock.