Hui ... lange nicht mehr so ein spannendes Ungarn-Rennen gesehen. Ich hab das Qualifying komplett verpasst und wusste garnicht, dass es im Nassen stattfand, als ich begann mir die Aufzeichnung vom Rennen anzuschauen. War da schon ein wenig überrascht, dass die beiden Mercedes in der ersten Reihe standen.
Ein paar Dinge fallen mir so ein...
1. Stop Räikkönen
Kluge taktische Idee bei Ferrari. Mit Räikkönen hatte man da nach hinten ohnehin nicht viel zu verlieren, also brachte man ihn früh rein und ließ Mercedes im unklaren, ob Räikkönen einen extrem langen Stint fährt oder zwei Stops fährt. So setzte man Mercedes geschickt unter Druck, gut gepaart mit der abweichenden Strategie bei Vettel.
Klar, dass Räikkönen dann beim Boxenstop gut 3 Sekunden verlor, war für Ferrari ärgerlich.
1. Stop Bottas
Das erschien mir in dem Moment als Fehler. Ok ... im Nachhinein sehe ich das immernoch so. Mercedes war total auf das Covern von einem Räikkönen-Undercut bedacht. Dabei hat man nicht wirklich einkalkuliert, dass Räikkönens Boxenstop schlecht war und dass jener dadurch auch noch etwas Zeit hinter Magnussen verlor. Klar, Magnussen hat sich leicht überholen lassen ... trotzdem hat Räikkönen da Zeit verloren. Vielleicht hatte Mercedes Sorge, dass Bottas' Boxenstop auch nicht ganz rund läuft und so wollte man auf jeden Fall die "track position" gegen Räikkönen sicherstellen. Vielleicht dachte man auch, dass Bottas auf frischen Softs schneller sein wird als Vettel auf dessen angefahrenen, so dass Bottas vor Vettel bleibt nach dessen Boxenstop. Dennoch, auch wenn das eintritt (was letztlich nicht gerade an Bottas' Pace lag), verpasst man Bottas mit dem frühen Boxenstop einen eklatanten Reifennachteil (gegenüber Vettel).
Dadurch, dass Vettel hinter Bottas rauskam, wurde quasi noch die 1-Stop-Strategie für Bottas zementiert, während Räikkönen mit 2 Stops die Lücke schnell zufuhr. Strittig bleibt natürlich ob Räikkönen an sich so schnell war, oder ob die 2-Stop-Strategie bei so frühem ersten Stop schneller war als 1 Stop. Jedenfalls nahm Ferrari so Bottas/Mercedes nochmals auseinander.
1. Stop Vettel
Empfand ich als extrem unglücklich getimed. 30 Runden auf Ultrasoft durchzufahren ist sportlich ... ich hätte eher mit nem Stop in der 45sten Runde gerechnet. Der Verkehr war für Ferrari absehbar. Nicht so ganz damit rechnen konnte man vielleicht, wie schlecht die zu überrundenden Platz machen. Sainz ist wohl an 9 blauen Flaggen vorbei gefahren, bevor er Vettel Platz gemacht hat. Ocon hatte dann wenig Bedrängnis durch Sainz, ließ sich aber dennoch viel Zeit, bis der Vettel durchließ, der auf der kurvigen Strecke schwer rankam.
Innerhalb weniger Runden hat Vettel 5 Sekunden von seinem Vorsprung eingebüßt ... da hätte er vielleicht weniger Zeit verloren, wenn er die Ultrasoft etwas mehr hätte schonen müssen.
Mir schien es so, als konnte Vettel - nachdem er an Sainz und Ocon vorbei war - immernoch ein gutes Tempo gehen (also das von Bottas). Aber vielleicht sah man sich dann doch bei Ferrari im Zugzwang zu stoppen, damit Vettel vor Bottas bleibt. Nicht dass Bottas dann doch auf Vettel aufholt und dann überholt werden muss. Naja ... den nächsten suboptimalen Boxenstop hat man da nicht einkalkuliert.
Als Vettel seinen Vorsprung auf Hamilton (mit älteren Reifen) auf 14 Sekunden vergrößert hatte und gut 25 Sekunden vor Bottas lag, da sah er für mich wie auf Siegkurs aus. Er war ganz einfach der schnellste im Trockenen.
Bei den Interviews nach dem Rennen war ich dann doch glatt überrascht, als Paul di Resta zu Vettel meinte, der 2te Platz wäre das Maximum was man an seiner Stelle rausholen konnte. Mitnichten!
Wäre Vettel reingekommen, bevor er hinter Ocon und Sainz hängt, und hätte er nen guten Boxenstop gehabt, dann wäre er so ca. 7 oder 8 Sekunden hinter Hamilton auf die Strecke gekommen. Selbst wenn er dann wie auf rohen Eiern gefahren wäre, hätte Vettel mit frischen Ultrasofts diesen Vorsprung Hamiltons (auf einige Runden älteren Softs) schon bald zusammengefahren. Zum einen dank der besseren Reifen ... zum anderen, weil Vettel/Ferrari auch bei gleichen Reifen schneller war. Ein Vorbeikommen wäre - dank Reifenvorteil - dann für Vettel auch eventuell möglich gewesen.
Hamilton
Hat jetzt zwei Rennen in Folge durchaus Glück gehabt. Der drohende Regen in Hockenheim sorgte dafür, dass andere ihren ersten Stint möglichst in die Länge zogen (wodurch Hamilton aufholen konnte) und der anwesende Regen in Hockenheim passte zu Hamiltons Reifen am besten.
In Ungarn brachte die Feuchtigkeit eine silberne erste Startreihe, wodurch Hamilton vorne in Ruhe seinen Stiefel runterfahren konnte, während Bottas versuchte hinten die Ferrari in Schach zu halten. Vettels Überrundungen und Vettels Boxenstop lassen Hamilton mit großem Vorsprung siegen, obgleich er im Trockenen kaum mit Vettel mithalten konnte.
Klar, das muss man im Qualifying auch erstmal so umsetzen wie Hamilton und Bottas ... aber dennoch, ein wenig Glück ist da schon vorhanden.
Naja, Ferrari und Vettel entgleiten da zwei mögliche Siege in Folge. Mal schauen, wie die Teams aus der Sommerpause zurück kommen. Momentan ist der Ferrari für mich der schnellere Bolide, gerade auch dort wo "Power" gefragt ist. Und als nächstes kommen Spa und Monza. In den letzten Jahren klare Mercedes-Strecken, aber derzeit wirkt der Ferrari auf den Geraden schneller (oder er ist in den Kurven schneller und kann dadurch weniger Flügel fahren ... wie auch immer).
Bottas-Kollisionen
Ich war überrascht, dass die Sky-Kommentatoren ein wenig die Schuld bei Vettel sahen bei der ersten Kollision. Nungut, Vettel hat die Kurve 2 recht weit innen angebremst, fernab der Ideallinie, um es Bottas so schwer wie möglich zu machen ... und er ist auch mehr oder weniger hart reingezogen. Es ist eine ähnliche Situation wie die Bottas-Räikkönen-Kollision in Baku ... wer überholt wird hofft vielleicht darauf, dass der Überholende außen nicht so viel später bremst als man selbst und innen noch genug Platz lässt. Vettels Bremspunkt und Vettels Linie kann Bottas schwer vorhersehen, wenn er selbst anfängt zu bremsen.
Nunja, sie Sky Kommentatoren waren überrascht, als sie die Meinung von Christian Horner (den sie nebenbei interviewten) hörten, welcher eher erwägte, ob Bottas eine Strafe bekommt. Ist aber auch nicht abwägig, da es nicht so aussah, als hätte Bottas wirklich rechtzeitig gebremst.
Am Ende ist es - meiner Ansicht nach - ein "Rennunfall". Es ist nunmal was anderes wenn er überholende das Hinterrad erwischt als wenn einer der überholt wird das Hinterrad erwischt.
Das Interview mit Horner ging dann noch weiter, während Ricciardo sich anschickte Bottas zu kassieren. Horner: "Danni wird versuchen ihn auf der Hauptgeraden zu kriegen ... hoffentlich rutscht er [Bottas] nicht mit Untersteuern in ihn rein." und schwupps ... war es genau so passiert, wie Horner befürchtete. Klar, Bottas hatte miese Reifen und nen demolierten Frontflügel. Trotzdem muss er sich und seinen Bremspunkt halt daran anpassen. Ricciardo hat ihm genug Platz gelassen.
Bemerkenswert anschließend der Fahrerfunk von Mercedes mit Bottas. Kein "Copy James" wie in Hockenheim, sondern ein angefressener Bottas hat kein Interesse daran - entgegen der Mercedes-Anweisung - dem Konkurrenten Ricciardo die Position kampflos zu überlassen. So erlebt man Bottas auch eher selten.
McLaren-Getriebe
Der wievielte Getriebe-Schaden ist das mittlerweile diese Saison? Letztes Jahr sind die schon reihenweise ausgefallen, diesmals hats erneut Vandoorne erwischt, der wirklich gut unterwegs war. Die Honda-Motoren machen diese Saison einen zuverlässigeren Eindruck als in den Vorjahren, aber die McLaren-Getriebe im Toro-Rosso-Heck geben auch immer wieder den Geist auf, scheinbar unabhängig davon an welchem Motor sie hängen. Wer weiß wo Toro Rosso nächste Saison steht, wenn die dann Getriebe vom Mutterteam Red Bull einsetzen.