Munteres Rennen. Interlagos verspricht häufig Action und auch dieses Wochenende hat die Strecke geliefert.
Schöner Sieg für Russell. Ist glatt ein wenig untergegangen in der ganzen Aufregung. Könnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass es kein Sensationssieg ist wie bei den ersten Siegen von Ocon, Gasly und Vettel. Es wird ja mehr oder weniger erwartet, dass noch weitere folgen, zumal Russell schon jetzt als Hamilton-Teamkollege besser dasteht als einst Kovalainen bei dessen ersten Sieg.
Freut mich für Russell nach einem starken Wochenende. Zugegeben, ich war in dem Sinne etwas nervös bei seinem zweiten Boxenstop, nicht dass ihm der verdiente Sieg entgeht wie in Bahrain/Sakhir.
Hamilton durchaus auch mit einem starken Rennen, auch wenn er für mich nicht "driver of the day" ist.
Sainz darf man für das Rennen auch loben. Medium-Soft-Soft zu fahren war vielleicht geplant ... aber die Soft-Stints hätten halt kürzer sein sollen. Sein Teamkollege ist dies ja im Prinzip gefahren (nachdem der erste Reifensatz nur kurz drauf war). Für Sainz hieß es dann nach dem zweiten Boxenstop wieder auf Medium zu schwenken, sonst wäre er auf Soft zu lange draußen geblieben.
Es wäre interessant gewesen zu sehen, ob er sich ohne die SafetyCar-Phase vor Perez und Hamilton hätte halten können. Mit SafetyCar war klar, dass er nochmal Reifen wechseln muss, sonst wäre er mit den alten Mediums durchgereicht worden.
Beeindruckend, dass Leclerc nach dem Unfall noch so ein Rennen fahren konnte.
Sein Renningenieur wirkte fast etwas überrascht, dass Leclerc noch unterwegs ist und sich auf den Weg zur Box macht. Der Einschlag war fast ein wenig "glücklich", als dass er hauptsächlich auf die Nase ging.
Verstappen hat es geschafft trotz enttäuschendem Rennen das Rampenlicht auf sich zu ziehen. Wenn er freie Fahrt hatte, dann entsprach sein Speed etwa dem von Russel, Perez und Leclerc. Auch ohne die Kollision mit Hamilton wäre es also fraglich gewesen, ob er Russell hinreichend unter Druck hätte setzen können.
Die Kollision mit Hamilton kann man unterschiedlich sehen. Sicher, Verstappen bremst später und ist dadurch kurz vorne ... muss dadurch aber auch einen engeren Radius fahren und liegt somit gleich darauf hinten.
Sicher, Hamilton hätte ihm mehr Platz geben können ... so wie er die Schikane nahm, ist eine Kollision da gewissermaßen vorprogrammiert, wenn der Gegner nicht zurück zieht.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch, wie Verstappen die Kollision sieht.
Verstappen ist der Ansicht, Hamilton hätte ihm nicht genug Platz gelassen.
Vielleicht sollte er sich seinen Unfall mit Ocon 2018 anschauen, die Bilder ähneln sich dort stark. Verstappen ließ Ocon auch nicht mehr Platz, Ocon wurde die Hauptschuld gegeben und er bekam eine Strafe.
Sicherlich waren die Vorzeichen anders. Verstappen ging es darum einen Platz zu gewinnen und Hamilton ging es darum einen Platz zu verteidigen.
Vor 4 Jahren ging es Verstappen nur um sein Ego ... mehr wäre nicht beeinträchtigt gewesen, wenn er Ocon auf dessen frischen Reifen vorbei gelassen hätte. Ocon ging es damals darum, dass Verstappen ihn aufhielt und er noch näher an die Punkte-Ränge ran wollte.
GP fragte Verstappen süffisant über Funk, was er davon halte, dass er eine 5-Sekunden-Strafe bekommen hat. "Where did they expect me to go?" fragt Verstappen nach. Vielleicht sollte er sich Runde 13 vom Sprint-Rennen anschauen, als Russell deutlich später bremst und auch kurz die Nase vorne hat ... dann aber steckt Russell zurück um auf eine bessere Chance zu warten ... während Verstappen ihn hin zu Kurve 2 vor die Nase fährt. Es ist also durchaus möglich, dort zurückzustecken.
Nunja gut ... ein Fahrer sucht selten die Schuld bei sich selbst. Aber wer damals die Schuld bei Ocon sah, der darf sie nun auch bei Verstappen sehen. Unabhängig davon, ob es um Positionen oder Überrundungen geht. Wer sieht, wie Verstappen die Tür vor Russell zu wirft und sieht wie jener zurücksteckt, der darf auch von Verstappen erwarten, dass er zurücksteckt, wenn der Gegner ihm die Tür zuwirft.
Die 5-Sekunden-Strafe und der klemmende rechte Hinterreifen hat Verstappen nicht gerade geholfen. Schließlich fiel er ja so hinter Leclerc zurück.
Die SafetyCar-Phase und der Restart kamen ihm gewiss entgegen. Die Reifen von Bottas, Vettel und Ocon waren nicht fiel älter und sie hätten da einen für ihn ungünstigen DRS-Train schaffen können, während sie versuchen Alonso einzuholen (ohne SC wäre der wohl durchgefahren).
Verstappens Reifen im dritten und später im letzten Stint hatten schon ein paar Runden auf dem Buckel, als sie aufgezogen wurden. Red Bull hat sich da beim Bedarf an Soft-Reifen etwas verkalkuliert.
Das sah man ja auch bei Perez. Der hatte ja die Soft im Sprint ... davon hätte er vielleicht im Rennen gerne einen Satz mehr gehabt. Das SC war dann für ihn höchst ungünstig. Gewiss, auf Mediums fiel er hinter Hamilton zurück und verlor einiges an Zeit auf Sainz. Im letzten Stint konnte er dann auch nur ein bisserl Zeit von Sainz abknabbern ... fraglich also, ob er diesen eingeholt hätte, wenn das SC nicht gekommen wäre.
Ich denke, Red Bull hat da ein Stück zu weit auf die Track Position geguckt. Man konnte damit rechnen, dass Sainz in die Box kommen würde und Perez dadurch vor ihm landet ... als der McLaren sich lange nicht bewegen ließ, hätte man aber auch damit rechnen können, dass ein volles SC kommt und dass Perez sich dann mit den Mediums gegen Sainz' neuere Soft mäßig wehren kann ... zumal dann auch Leclerc und Verstappen nahen.
Die Lücke von Perez nach hinten zu Bottas war riesengroß ... man hatte genug Zeit ihm auch neuere Reifen zu geben. Wenn man diese gehabt hätte ... klar.
Aber nachher ist man immer schlauer.
Und das ist Perez auch in Bezug auf Verstappen. Dieser trägt ihm irgendetwas nach ... vermutlich sein Portier-Dreher in Monaco.
Als Perez zu Red Bull kam war er gewiss überglücklich. Nach der Saison neben Button schien ein Top-Team weit außer Reichweite. Nachdem Perez für die Insolvenz bei Force India sorgte, hatte er gewissermaßen das Glück, dass er im Gegensatz zu Ocon einen Vertrag für die Folgesaison hatte, so dass dieser Stroll weichen musste. Nachdem Papa Stroll mit Vettel ein gewisses Prestige oder PR ins Team holte, da war Perez' Zukunft ungewiss.
Von daher war er freilich glücklich, bei Red Bull unterzukommen ... auch wenn klar war, dass von ihm die Rolle des Wasserträgers erwartet wird.
Perez nahm diese Rolle an und tat was ihm aufgetragen wurde. Wenn Perez nicht angreifen sollte, griff er nicht an. Wenn er Platz machen soll, macht er Platz. Wenn er einen Gegner aufhalten soll, hält er ihn auf.
Sicher ... bei 3 von 4 Rennwochenenden (oder mehr) ist Verstappen ohnehin klar schneller, bei einem Teil der Rennen wird bei Perez die Strategie "angepasst", um den Gegner zu beeinträchtigen (sehr früher erster Stop, um via Undercut Druck aufzubauen ... oder sehr später erster Stop, um den Gegner aufzuhalten). Perez kommt ohnehin kaum in die Verlegenheit, Verstappen in die Quere zu kommen.
Nichtsdestotrotz, es stellt sich die Frage, ob Perez künftig in Bezug auf Verstappen so hilfsbereit sein wird, wie bisher.
"That shows who he really is." ist nicht gerade der Satz, der einer freundschaftlichen Fahrer-Paarung förderlich ist. Horner und Marko versuchen notdürftig in Folge-Interviews die Wogen zu glätten ... aber ob das klappt? Was wenn Perez künftig Kampflinie fährt, wenn Verstappen angreift? Wenn die beiden sich Duellieren ... mehr oder weniger wie Hamilton-Rosberg, Vettel-Leclerc, Vettel-Webber, Ocon-jeder-Teamkollege.
Verstappens patziges "You guys don't ask that again to me - are we clear about that?" das rüberkommt wie "Ich hab hier das Sagen." kann er sich in seiner Position womöglich erlauben. RB lässt dem protegierten Liebling in der Fahrerpaarung gerne eher mal was durchgehen. So war es auch bei Multi21 oder nach dem Türkei-Crash 2010.
Dennoch, es könnte auch passieren, dass Verstappen nächste Saison merkt, dass sich manch Rennsieg schwieriger gestaltet wenn Checo ("... is a legend!") nicht mehr für ihn fährt, sondern gegen ihn.
Klar, dass Horner und Co. die Wogen wieder glätten wollen.
Manch einer orakelt schon, dass es für Ricciardo garkeine so schlechte Idee ist, bei Red Bull als Test- und Ersatzfahrer anzudocken. Schließlich läuft Perez' Vertrag bislang nur bis Ende 2023 und ob Tsunoda oder De Vries dann für das Hauptteam bereit wäre, bliebe fraglich.
Apropos Teamzwist ... Alonso auch mit einem starken Rennen. Die aggresive Taktik mit dem frühen ersten Boxenstop hate sich bezahlt gemacht. Womöglich hätte er auch ohne SC-Phase Bottas und Vettel hinter sich halten können.
Man merkt Alonso zwar an, dass er auf Alpine nicht mehr allzu viel Bock hat (zu viele Pleiten, Pech und Pannen ... und ein Teamkollege der nicht immer einfach ist) ... aber er gibt weiterhin sein bestes, während z.B. Vettel 2020 ziemlich demotiviert wirkte.
Bei McLaren mochte man gestern noch grinsen angesichts dessen, dass Ocon und Alonso sich ihr Rennen gegenseitig kaputt machen.
Und einen Tag später? Norris und Ricciardo sorgen für Unfälle und fallen durch die Beschädigungen zurück oder aus. Schon hat Alpine wieder Fahrwasser.
Interessant ist, dass Alfa Romeo ebenso wie Alpine die Strategie gesplittet hat. Alonso und Zhou kamen früh rein, Bottas und Ocon zu ähnlicher Zeit.
Zhou hatte den Speed von Alonso, nachdem die beiden zum ersten Mal ihre Reifen gewechselt hatten.
Doch Bottas und Vettel kamen hinter Alonso raus und dieser hielt seinen Platz. Zhou landete hinter den beiden. Norris und Ocon überholten ihn mit frischen Reifen. Zhous Abstand wuchs an ... auch durch die Zweikämpfe. Nach dem nächsten Boxenstop hatte auf Alonso 15 Sekunden Rückstand ... statt wie vorher 5 Sekunden. Hinter Albon verlor er nochmals Zeit, während Alonso an Stroll und Schumacher schnell vorbei ging.
Alpine holte Alonso in der SC-Phase rein, damit er mit frischen Reifen angreifen konnte.
Sauber ließ Zhou draußen, so dass er mit den recht alten Reifen noch hinter Stroll und Gasly und ihren frischeren Reifen zurück fiel.
Interessant, wie 5 Sekunden Abstand (zwischen Alonso und Zhou) sich im Rennen sehr unterschiedlich auswirken können, obgleich die beiden bei freier Fahrt eine ähnliche Pace hatten.
Während Ocon immer hinter irgendwem festhing (lange hinter Vettel z.B.), konnte Alonso mit dem tyre offset easy überholen. Ocons Rennen lief damit deutlich schlechter als das von Alonso ... obgleich Ocon eine Strategie fuhr wie Bottas, dessen Rennen deutlich besser lief als das von Zhou ... der eine Strategie fuhr wie Alonso.
Fast schon paradox. Es sind halt kleine Nuancen, die sich über 70 Runden addieren.
Und manchmal sind es halt auch große Brocken, die einen Treffen. Wie aus der Sicht von Perez und Vettel die SC-Phase und dass sie nach dem Restart mit ihren Mediums recht alt aussahen.
WTF-Highlight war für mich noch die Tsunoda-Geschichte.
"Lapped cars may now overtake" kam irgendwann die Nachricht, als der Norris-Wagen gefühlt schon 2 Runden lang geklärt war. Im World Feed wurden die Nummern 6 (Latifi) und 23 (Albon) eingeblendet. Tsunoda - der vor Latifi fuhr - wusste freilich auch, dass er überrundet war ... so viele Autos waren zwischen ihm und dem SC auch nicht unterwegs.
Albon rundete sich zurück und Tsunoda bekam per Funk auch die Nachricht, dass er überholen darf.
Er fuhr dann an Sainz vorbei und bekam kurz darauf über Funk die Nachricht, dass er abwarten soll.
Tsunoda war verwirrt ... er nahm Gas raus und war sich wohl unsicher, ob er Sainz wieder vorbei lassen soll. Eine große Lücke klaffte auf.
Latifi überholte Tsunoda (was er eigentlich nicht darf) und rundete sich zurück. Mit der Delta-Zeit schaffte er es aber im Gegensatz zu Albon nicht mehr das Feld einzuholen.
Tsunoda schimpfte über Funk ... er verstand nicht was los war und warum er abwarten sollte. Schließlich bekam er dann auch die Nachricht, dass er nicht überholen soll. Vielleicht ein Hinweis von der Rennleitung an das Team, damit Tsunoda beim Restart nicht im Weg ist.
Naja ... er machte dann beim Restart Platz, bis er dann auch von beiden Williams überrundet war.
Und warum wurde Tsunoda vergessen?
Nunja ... das ist auch etwas kurios, könnte man sagen. Die Zeitmesssoftware der F1 wurde dahingehend angepasst, dass überrundete Fahrzeuge automatisch gekennzeichnet werden. Das war eine Reaktion auf die Kontroverse vom Saisonfinale letztes Jahr, als dies nur einem Teil der Fahrzeuge (zwischen Hamilton und Verstappen) erlaubt wurde ... nicht jedoch den Fahrzeugen zwischen Verstappen und Sainz.
Diese Automatismus machte nun aber Tsunoda einen Strich durch die Rechnung.
Manch einer wird vielleicht im Rennen gesehen haben, wie ein Fahrer im Tableau kurzzeitig eine Position gewann, als er in die Box einfuhr.
Die Boxeneinfahrt ist recht flott. Man erreicht die dort aufgemalte Start-Ziel-Linie u.U. früher als wenn man auf der Strecke bleibt. Es gibt auch Leute die im Codemasters-F1-Spiel ausprobiert haben, ob man ein Rennen in Silverstone gewinnen kann, wenn man als Zweitplatzierter in der letzten Runde in die Box abbiegt.
Jedenfalls fuhr Tsunoda zwischen Russell und Albon, als das SafetyCar rauskam.
Das Zeitmesssystem stellte fest, dass Tsunoda überrundet war.
Nun bog Tsunoda jedoch in die Box ab. Ab der SafetyCar-Linie 1 durfte er bis zum Boxeneingang Vollgas geben. Das führte dazu, dass er Russell kurzzeitig überholte und sich zurückrundete, bis Russell ihn dann gleich darauf überrundete, als Tsunoda in der Boxengasse unterwegs war.
Für das automatische System stellte sich damit aber klipp und klar fest, dass Tsunoda sich während der SC-Phase zurück gerundet hat ... und das darf man in selbiger nur einmal. Albon und Latifi durften sich zuück runden ... Tsunoda hatte es quasi schon getan (und wurde während der SC-Phase überrundet).
Die FIA stellt demnach fest, dass die Systeme fehlerfrei arbeiten und es keine Verfahrensfehler gab.
War halt insgesamt ein ungewöhnliches Szenario. Es kommt eher selten vor, dass sich jemand durch das Fahren in die Boxengasse während der SC-Phase zurück rundet.
Vielleicht gibt es in Zukunft noch ein manuelles Kontrollverfahren.
An der Stelle tut sich bei mir eine kleine Regellücke auf.
Darf man in der letzten Runde in die Boxengasse fahren, wenn gleichzeitig eine SafetyCar-Phase gilt?
Wir das Rennen unter SC-Bedingungen beendet, dann fährt das SC ja häufig dennoch in die Box, damit es beim Zielphoto nicht zu sehen ist. Was wenn der Führende dann dennoch vorher einen großen Abstand zum SC lässt?
Könnte der Zweitplatzierte dann in die Boxengasse einbiegen und dort das SC überholen oder den Führenden überholen, falls er das SC dort nicht mehr einholt?