Juni 2010 - Irgendwo in Westfalen:
Der Trinkmann hat gerade seine A-Lizenz bekommen (Gesamtnote: ausreichend) und sein Berater sucht nun nach ersten Bewährungsproben für den Veteranen. Trinkmann ist zuversichtlich, als weißer Brasilianer muss er heiß umworben sein.
Juli 2010 - Irgendwo in Westfalen:
Der Trinkmann ist verwirrt. Seit Wochen schon ist er verfügbar und niemand fragt nach seinen Diensten. Er hat sich nun herabgelassen, einige Klubs auf Trainersuche auf seine Verfügbarkeit hinzuweisen. Klassische Bewerbung verschickt er nicht. Sein Ruf wird wohl auch bis in die Schweiz und Norwegen (wo die Trainer fallen wie die Fliegen) vorgedrungen sein.
August 2010 - Irgendwo in Westfalen:
Der Trinkmann ist sauer. Seine vorsichtigen und gutgemeinten Hinweise werden weiter ignoriert und selbst holländische Klubs, die seine Zaubereien aufgrund der geographischen Nähe kennen müssen, wollen ihn nicht einstellen. Der FC St. Gallen stellt an seiner statt Thomas Doll ein. Der Trinkmann ist fassungslos, beim Fussball geht es vor allem um die Bilder und da hat der Doll doch große Hypotheken. Allerdings hält der Trinkmann den Doll zumindest
mental für einen Bruder im Geiste.
Der Trinkmann beschließt, nun doch eine Bewerbung zu schreiben. Seine Fähigkeiten führt er bescheiden auf. Er sieht sich als altersweiser Jungdynamiker, als Taktikfuchs für das kreative Chaos und als einfühlsamer Schleifer. Das sollte doch Interessenten anlocken. Der Sommer bleibt nicht ewig und im Winter kann man sich die Zeit nicht mehr im Biergarten vertreiben.
September 2010 - Irgendwo in Westfalen:
Der Berater des Trinkmann ruft an: endlich ein Job-Angebot. Trinkmann freut sich. Schweiz, Niederlande, Norwegen - wohin wird es gehen?
Sein Berater ist offensichtlich betrunken, denn er nuschelt was von "Flotte Schweinewiese". Trinkmann flucht innerlich, dass er sich mit so einem Schwachkopf eingelassen hat. Aber der faxt sogar das offizielle Angebot durch. Trinkmann hat schon reichlich Hardenberg-Korn drin und braucht deshalb, bis er die vielen Konsonanten in die richtige Reihenfolge gebracht hat, dann googlet er:
Flota Swinoujscie.
Ostblock - das ist nichts für den Trinkmann. Die Spiritousen dort sind zwar nicht zu verachten, vor allem weil dort noch lokale Brenner echte Ambitionen haben, aber vermatschte und unansehnlichen Sowjetsatelliten sind nichts für einen Brasilianer.
Im nächsten Klick erfährt Trinkmann, dass dieser komische Ort auf Usedom liegt und eigentlich Swinemünde heißt und ein Ostseebad ist. Der Trinkmann sieht den Ostseesommer vor sich und die vielen blonden Polinnen im Bikini.
Osteuropa, das ist die aufstrebende europäische Region mit Polen im Zentrum. Da ist sich Trinkmann sicher und da spricht nicht der Korn aus ihm. Das ist das Richtige für ihn als aufstrebenden Jungtrainer. Dazu soll das bis vor kurzem Mal irgendwie auch in Deutschland gewesen sein, und die Bevölkerung dort noch Deutsch sprechen. Der Trinkmann hat seinen Platz gefunden. Dort wird er mit offenen Armen empfangen werden.
Ende September 2010 - Swinoujscie:
Der Trinkmann ist ausgenüchtert und ernüchtert. Die 71.000 Euro Jahresgehalt decken nicht im Ansatz seine Ausgaben, aber sein neunmalkluger Berater hat auch dafür einen Spruch auf Lager ("deckt die Arbeitslosigkeit Deine Kosten?"). Der Kader ist eine Beleidigung für einen Schöngeist wie Trinkmann. Einer schlechter als der Nächste. Dazu unaussprechliche Namen, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Außerdem hat das Team solide Fühlung zu den Abstiegsrängen und seinen Gehaltsetat um 25 Prozent überzogen.
Dafür fühlt sich Trinkmann aber nicht verantwortlich, er ist nicht dazu da, um Schweinewieses Saustall auszumisten, sondern um Ergebnisse und Joga Bonito zu liefern.
Allerdings hat Trinkmann keine Ahnung, gegen wen er da eigentlich spielt, auch weil der einzige Scout nur Inkompetenz auf der Habenseite hat.
Aber Trinkmann wäre nicht Trinkmann, wenn ihm abends an der Theke nicht die genialen Schachzüge zufliegen würden. Er baut auf ein destruktives 4-5-1 mit nur einem OMF und einem Stürmer. Die beiden Offensiven sind Afrikaner. Trinkmann ist sicher, dass die beiden unter ihm als Brasilianer aufblühen werden. Hinten stellt er lange Kanten rein und lässt die Abwehr tief stehen, um die Schnelligkeitsdefizite auszugleichen. Trinkmann nennt das "den Bindewald machen".
Als angehender Motivator hat er von den besten gelernt. Also bündelt er seine gesammelten Erfahrungen mit Motivationskünstlern wie Winnie Schäfer und Benno Möhlmann in einem genialen Schachzug. Am Spieltag stellt er drei Kästen Bier und 10 Medizinbälle in der Kabine auf. Seine Ansprache ist kurz: "You win" (zeigt auf das Bier) - "you lose" (zeigt auf die Medizinbälle).
Das Team hat verstanden. Auswärts gehts gegen "Ruch Radzionkow", der/die/das (? Trinkmann weiß es nicht) leicht favorisiert ist. Trinkmann hat deshalb bei B-Win auch eine evtl. Niederlage abgesichert. Tatsächlich gewinnt Schweinewiese aber 2-1, dank Trinkmanns Taktikgenius und Motivationsgabe.
Auch im nächsten Heimspiel gegen "Piast Gliwice" siegt das Team nach Rückstand noch 3-1. Trinkmann weiß, dass er dafür verantwortlich ist. Hat er beim 0-1 zur Halbzeit den Torwart, der am Gegentor schuldig war, mit einem solchen Fön eingedeckt, dass die restliche Mannschaft tief beeindruckt war.
Angst lässt die Mannschaft schneller rennen, lernt Trinkmann. Insbesondere der kleine Nigerianer dort vorne drin. Nwaogu heißt der Knabe und der rennt in HZ 2 besonders schnell der Abwehr davon um das 3-1 zu sichern.
Prima, denkt sich Trinkmann, wenn es so weitergeht, dann wird mir bald vielleicht ein Posten angeboten, der keine Satire auf das Fussballgeschäft ist.