Höchste Zeit, diesen Thread mal wieder aus der Versenkung zu holen.
In der vergangenen Woche verbrachte ich meinen Urlaub auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki. Erholung und Füße hochlegen war angesagt, nichtdestotrotz wurden natürlich zwei Spiele ins Auge gefasst, die glücklicherweise auch beide klappten, was für mich auch gleichbedeutend mit dem Länderpunkt Griechenland war.
PAOK Saloniki - Slovan Bratislava 1:1 (1:1)
Es ist einige Wochen her, als ich in Duisburg an einem Sportplatz stand und während des Abends die Ergebnisse der Europapokal-Qualirunden beobachtete. Allerdings dauerte es einen Moment, bis ich realisierte, dass sich PAOK an diesem Abend für die Gruppenphase der Conference League qualifizierte - und wir während des zweiten Spieltags in Griechenland unweit von Thessaloniki sind. Dementsprechend galt es in den nächsten zwei Tagen zu bangen, dass PAOK doch bitte ein Heimspiel haben würde - und das wurde glücklicherweise erhört. Für die griechische Liga war zu dem Zeitpunkt nämlich noch absolut gar nichts planbar, weil sich der Ligastart aufgrund von verbandsinterner Querelen mehrere Wochen nach hinten verschoben hatte.
Da es Gerüchte gab, dass derzeit allerdings coronabedingt ausschließlich Griechen ins Stadion dürfen, hatte ich immer noch Sorgen, ob es mit einem Spielbesuch klappen würde. Relativ zügig konnten diese Sorgen allerdings beiseite geschoben werden, da ich von verschiedenen Leuten hörte, dass sie mit deutschem Pass + Impfausweis in den Quali-Runden keine Probleme hatten.
Wir kamen am Donnerstagabend schon sehr zeitig in Thessaloniki an, dennoch herrschte auf den Straßen durchaus mächtig Betrieb, so dass sich die Parkplatzsuche etwas hinzog. Da wir noch reichlich Zeit zum Anpfiff hatten, konnten wir noch in einem Restaurant ganz in Stadionnähe und auf der "Flaniermeile" vor dem Stadion (herausragend) speisen. Gegen 20 Uhr Ortszeit (Anstoß war um 22 Uhr, das war dann auch unzweifelhaft die bislang späteste Anstoßzeit meines Lebens) machten wir uns dann auf die letzten 500 Meter. In sämtlichen Restaurants und Bars saßen zahlreiche PAOK-Anhänger und zugegebenermaßen sahen die auch nicht alle zwingend wie die nettesten Personen schlechthin aus. Dass die PAOK-Fans extrem fanatisch sind und es in der Vergangenheit auch häufiger zu Auseinandersetzungen kam, ist ja nun keine Neuigkeit, insbesondere Schalke-Fans (aber auch BVB-Anhänger) können davon ein Lied singen. Vorm Stadion hatte uns dann auch ein Mann angesprochen (der hatte allerdings nichts Schlechtes im Sinn), der wissen wollte, ob wir aus Bratislava kommen (es waren nicht mehr als zehn Gäste im Stadion, ich glaube auch, dass es offiziell noch ein Verbot gab). Er wies uns dann darauf hin, dass wir lieber möglichst zügig ins Stadion gehen sollen. Ich habe mich nicht unwohl gefühlt, aber es lag definitiv eine gewisse Brisanz vor dem Spiel in der Luft.
Also rein in das absolut sehenswerte Toumba Stadion, das nach dem Olympiastadion und dem Karaiskakis-Stadion von Piräus die drittgrößte Schüssel des Landes ist. Ich hatte uns Karten auf der Haupttribüne besorgt, aber eher auf der linken Seite, da ich einen guten Blick auf die berüchtigte "Gate 4"-Kurve haben wollte und die dort stehende gleichnamige Ultra-Gruppe. Dabei hatte ich aber natürlich nicht bedacht, dass die Gruppe derzeit (wohl wegen Corona-Regelungen) nicht geschlossen auftritt - und somit auch die komplette Kurve frei blieb. Die Gate4-Leute standen somit in Gate 8 quasi auf der gegenüberliegenden Seite. Ich konnte die von meinem Platz aus zwar noch recht gut beobachten (und auch hören), aber das wäre von einer anderen Position sicher noch eindrucksvoller gewesen. Wer sich mal einen Eindruck von der Truppe erlauben möchte, bittesehr:
An der leeren Seite hing allerdings vor dem Spiel bereits ein Banner mit sechs Gesichtern, zu dem die komplette PAOK-Mannschaft vor dem Aufwärmen hinlief und Blumen niederlegte. Das Ganze in Gedenken an den 4. Oktober 1999, also vor fast exakt 22 Jahren, als sechs junge PAOK-Fans auf der Rückreise eines Auswärtsspiels bei einem Autounfall ums Leben kamen. Dafür gab es Standing Ovations.
Gate 4 mag derzeit zwar nicht geschlossen auftreten, dennoch hatten schon deutlich vor dem Spiel genug Leute aus deren Dunstkreis offensichtlich Bock und sangen sich schonmal warm. Zum Anpfiff gab es auch ein bisschen Pyro und man spürte schon, dass richtig Dampf auf sämtlichen Tribünen war, auch wenn offiziell nur 7500 Zuschauer im Stadion waren. Das klang schon ziemlich fantastisch und hatte mich bereits nach wenigen Minuten sehr begeistert. Erst recht, als PAOK mit der ersten Chance des Spiels per Kopf zum 1:0 traf. Allerdings ließ die Antwort der Slowaken nicht lange auf sich warten, nur vier Minuten später gelang der Ausgleich.
Ein toller Auftakt, der Lust auf mehr machte. Viel mehr kam aber zumindest auf dem Rasen nicht mehr. PAOK spielte schrecklich umständlich, so dass die wenigen Angriffe der Slowaken sogar mehr Torgefahr entwickelten. Niveautechnisch muss man schon die Augen zudrücken, die Top-Teams wie Piräus und PAOK waren sicher in der Vergangenheit auch schonmal qualitativ deutlich besser besetzt. Dafür wurde auf den Rängen gegen alles und jeden, das nicht schwarz/weiß angezogen war, gepöbelt, als gäbe es kein Morgen mehr. Das Wort "Malaka" fiel so häufig, dass ich mal zwischenzeitlich die Übersetzung suchen musste. Leider Gottes gab es auch einen elendigen Vollidioten neben uns, der das Aufwärmen eines dunkelhäutigen Bratislava-Spielers vor der Tribüne mit einem Affenlaut quittierte.
So ging es am Ende mit dem 1:1 nach Hause, es gab ein gellendes Pfeikonzert für den Schiedsrichter (aber das gibt es wohl jedes Mal), große Begeisterung sah letztlich anders aus. Der Rückweg Richtung Auto verlief sehr entspannt. Letzten Endes aber ein absolut würdiger Rahmen für den Länderpunkt. Achja: Bei PAOK steht Shinji Kagawa zwar unter Vertrag, er stand aber nicht mal im Kader. Vieirinha wurde in der Schlussphase eingewechselt.
Aris Saloniki - Apollon Smyrnis 0:0
Da die griechische Liga Mitte September dann doch mal mit dem Spielbetrieb begann, hatte ich das Glück, dass zwei Tage nach dem PAOK-Spiel auch die Gelegenheit war, beim großen Stadtrivalen von PAOK vorbeizuschauen. Die Anreise (diesmal war ich alleine unterwegs, der Freundin reichte ein Spiel
) verlief absolut entspannt, sodass ich rund 90 Minuten vor dem Spiel meinen Wagen abstellte. Auch das Kleanthis-Vikelidis-Stadion liegt mitten in einer Wohnsiedlung, es wirkt alles super eng (gerne mal die Google-Bildersuche bemühen, damit man davon einen Eindruck kriegt). Am Straßenrand unzählige Grills aufgefahren, dazu ein gelb-schwarzes Farbenmeer. Wohl auch wegen der Vereinsfarben besteht zwischen Aris und dem BVB seit Jahren eine enge Fanfreundschaft, ich habe am und im Stadion auch mehrere Leute gesehen, die BVB-Utensilien trugen. Ich hatte mir auch bereits im Vorfeld vorgenommen, dass ich, sollte ich von irgendwem angelabert werden, erzähle, dass ich BVB-Fan bin. Musste ich dann auch insgesamt dreimal sagen, aber dann waren die Leute bestens gelaunt
Nachdem ich die Atmosphäre draußen ausreichend aufgesaugt hatte, ging es für mich ins Stadion. Und naja, was soll ich sagen? Das Toumba-Stadion hatte mich wie erwähnt absolut überzeugt. Aber beim Betreten des Aris-Stadions fiel mir quasi die Kinnlade runter. Ich war komplett geflasht, das Stadion hat mich komplett abgeholt. Der komplett gelb-schwarze-Style sah klasse aus, es gibt eine große überdachte Haupttribüne, dazu drei unüberdachte Tribünen. Selbst die einzelnen Tribünenseiten sind teilweise asymmetrisch und unterschiedlich hoch, was mit den komplizierten baulichen Gegebenheiten inmitten des Stadtviertels zu tun hat. Ich fand es wirklich sensationell.
Anders als bei PAOK standen die Ultras an ihrem angestammten Platz und hatten auch reichlich Flaggen und Banner aufgefahren, da konnte ich gar nichts davon erkennen, dass es irgendwelche Corona-Boykotte gibt. Die Gruppe hat einen Bulldoggen als Symbol, der auch auf diversen Jacken erkannt werden konnte. Und die haben auch richtig Alarm gemacht. Das war teilweise super melodisch, teilweise aber auch absolut laut und brachial. Ich habe die Gesänge ehrlich gesagt auch heute, drei Tage später, immer noch im Ohr, während ich die Zeilen schreibe. Diesmal hatte ich übrigens einen perfekten Platz, um die Vorgänge im Stadion zu beobachten. Im Block fiel mir auch eine Boca Juniors-Fahne auf, da gibt es wohl auch Kontakte zwischen den Fangruppen.
Beleidigt wurde auch, "Malaka" fiel dann aber doch eine ganze Ecke seltener als bei PAOK
Und, wie sollte es anders sein, vorrangig gegen den Schiedsrichter. Kommen wir dann nämlich zum Negativen des Abends: Es wurde auch Fußball gespielt. Und wer oben das Ergebnis gelesen hat, der kann sich bereits vorstellen, wie die Partie ablief. Aris (die übrigens mit einem Punktabzug von sechs Zählern in die Saison gestartet sind) war besser, aber auch hier analog zu Donnerstag viel zu harmlos vor dem gegnerischen Tor. Erst in den letzten zehn Minuten gab es nochmal so etwas wie eine Schlussoffensive und dann auch gute Chancen - aber das reichte nicht mehr. Nicht im Kader stand übrigens Konstantinos Mitroglou, anders als der ehemalige Bremer Izet Hajrovic, der ähnlich dürftig auftrat, wie ich ihn aus Bremer Zeiten noch kannte. Der prominenteste Akteur trug aber ein Gäste-Trikot: Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich den 39-jährigen langjährigen portugiesischen Nationalspieler Bruno Alves entdeckte, der insbesondere in den letzten Minuten alles wegschädelte, was irgendwie in seine Richtung kam.
Ein 0:0 zu sehen ist immer bitter, gerade wenn man ausnahmsweise mal ein Spiel in einem anderen Land sieht. Nichtsdestotrotz war ich nach dem Besuch komplett begeistert. Ich fand es wie gesagt bei beiden Vereinen wirklich gut, aber die grundsätzliche Atmosphäre (da hatte ich auch übrigens anders als donnerstags nie ein mulmiges Gefühl) hat mir dann doch noch mal eine ganze Ecke besser gefallen. Ich kann trotzdem beide Stadien nur absolut empfehlen. Und ich glaube, wenn ich in Zukunft mal auf die griechische Tabelle blicke, dann wird zumindest regelmäßig ein Blick darauf fallen, wo Aris denn gerade so steckt.