emkaes
Nachwuchsspieler
Das gibt mir die Möglichkeit hier mal einige Mißverständnisse auszuräumen. Glückwunsch an Olli Fritsch (den Autor des Beitrags im Link): Er hat absolut keinen Plan von der Kurvendynamik. Ich habe selbst jahrelang in der Kurve gestanden und das wohl auch in Gruppierungen, die oft verdächtig sind als "Selbstdarsteller und Selbstverliebte" sich nur um sich selbst zu kümmern. Viele von denen legen wirklich ein Verhalten an den Tag, dass gerade abseits des Spielgeschehens nur als elitäres Gehabe gelten kann - weil die Währung des Fans eben die Treue ist, sehen sich diese eben als die "Reichsten".
Was Olli Fritsch kritisiert, zeigt jedoch komplettes Unverständnis.
Olli Fritsch schrieb:Das Anschlusstor fiel mitten hinein in ein lang gezogenes „Eiiiintracht Frankfurt“; in dieser Phase wäre der Elf der Gastgeber jedoch mehr geholfen gewesen, wenn die Fans die gewonnen Zweikämpfe ihres Abwehrspielers Spycher oder die siegreichen Kopfballduelle von Kyrgiakos und dem vorzüglichen Chris bejubelt hätten – also die Defensivqualitäten honoriert.
Für so etwas gibt es keine Fangesänge, sondern spontanen Applaus, den man aus der Fankurve heraus nicht organisieren kann, weil die Szene zu schnell vorbei ist als, dass man darauf organisiert reagieren kann. Außerdem werden solche Aktionen idR vom ganzen Stadion aufgenommen und auch honoriert. Das langezogene "Eintracht Frankfurt", lieber Herr Fritsch, ist dagegen schon mit die stärkste Waffe einer Kurve. Die Fans hatten also wohl schon wahrgenommen, dass Unterstützung nötig ist, leider verfügt der Autor über nicht genug Erfahrung/Wissen, um den Sangescode einer Kurve zu knacken. "Eintracht Frankfurt" dürfte a) der einfachste Gesang im Repertoire sein -> Ziel: möglichst viele sollem mitsingen b) ist der Wechselgesang idR der lauteste von Allen, weil eine andere Kurve aktiv miteinbezogen wird, die sonst nicht dabei ist -> Lautstärke soll den Gegner einschüchtern, also explizit der Versuch aktiv die Szene zu beinflussen.
Hätten die Fans einen Insider angestimmt, der nur einigen aus der Gruppe auf einer Auswärtsfahrt eingefallen ist, dann wäre das blind und blödsinnig gewesen, aber so kann ich keine Verfehlung erkennen.
Was Oliver Fritsch unter "undifferenzierter Unterstützung" versteht, ist in Wirklichkeit das Eingeständnis der Fans, dass man nicht wie auf Knopfdruck mehrere tausend Leute zu einem bestimmter Szene zu bestimmten Aktionen "abrichten" kann. Das geht nur bei wenigen Situationen: Bsp: Nach einer guten Chance für Werder Bremen wird ein Großteil des Stadions automatisch ein kurzatmiges "Werder,Werder,Werder,Werder" skandieren. Das ist eine Konvention, die lange Jahre brauchte, um sich als Tradition zu etablieren und ist schwierig zu etablieren bei Szenen, in den das Spielgeschehen weiterläuft und nicht durch Ecke oder Abstoß unterbrochen wird.
Darüber hinaus hinkt der Vergleich mit Liverpool, einfach deswegen weil in England die Unterstützung anders ist. Dort steht eben weniger der Fangesang, als eben vielmehr die kurzfristige Reaktion auf das Spiels mittels "Ohhhhh, Ahhh und Buhhh" im Mittelpunkt. Das ist anders aber nicht unbedingt besser. So wirkt aus deutscher Sicht, die englische Art oft mehr als ein "sing when youre winning", weil eben die kurzfristigen Reaktionen gar nicht als aktive Unterstützung gewertet werden. Darüber hinaus wird auch in Deutschland bei Torchancen der eigenen Mannschaft der Gesang zu Gunsten eines "Oh" eingestellt. (Übrigens interessant, dass Deutsche, Spanier und Engländer alle fast instinktiv einen anderen Laut in diesen Situationen machen - achtet bei Gelegenheit mal drauf).
Für deutsche Stadien gilt, dass es eine Balance zu finden gilt (etwas das Fritsch komplett ausblendet), zwischen Unterstützung der Mannschaft und Mitnahme der Kurve um möglichst laut zu sein. Dabei wird auf den Spielstand natürlich eingegangen (Deutscher Meister bei Vorsprung - Kämpfen und Siegen bei Rückstand). Aber es gilt auch immer die Kurve mitzunehmen, um überhaupt vernehmbar zu bleiben und das ist oft schwer genug. Bei schwierigen Situationen kann es sein, dass ein erstmal nicht sinnvoller Gesang a la "Shalalalalala" angestimmt wird - der Situation natürlich nicht angemessen, ABER: Er ist auch den Döspaddeln in der Kurve vertraut, so dass die Mitsingen, anstatt zu pfeifen oder zu mosern. Solche Dynamiken blendet Fritsch aus, weil er sich wohl einfach nicht genug auskennt.
Gerade diese Kompromisse sind sehr schwer, aber das größte Problem ist, dass gerade die Stimmungsgruppen oft zu schnell resignieren, weil sie die Kurve nicht laut genug bekommen. Dann werden Insiderlieder gesungen, oder das neueste Lied bis zum Erbrechen wiedergekäut, um die eigene "Geilheit" zu feiern. DAS ist das Problem, welches Fritsch überhaupt nicht erwähnt oder erkannt hat.
edit: Die Idee von Luke bzgl. eines neuen Thread ist wirklich sinnvoll.