Ich sehe in Guardiolas Spiel zwei Schwächen: er braucht hinten enorm schnelle, zweikampfstarke Abwehrspieler die mit diesem teils übertriebenen Hoch stehen umgehen können, und er braucht (einen) schnelle(n) Mittelfeldspieler die bei Kontern dann die Lücken füllen und nicht stehen bleiben.
Klar, weil Puyol und Pique (oder deren Backups) unglaublich schnell waren und der rasend flinke Busquets dann mit seinem Tempo die Konter gestoppt hat.
Und vorne braucht er einen genialen Anspieler, der auch in einer massierten Deckung noch die Lücke sieht und exakt so in diese reinspielt dass Gefahr entsteht. Dazu intelligente Stürmer die zumindest mit 3-4 Leuten dann im Verband in solchen Situationen gemeinsam die Chance erspielen. Das ist nicht so häufig, dass man daraus ein zwingendes System konstruieren kann, wenn man diesen Anspieler (Iniesta) nicht hat. Özil wäre zum Beispiel wie gemalt für ein Pep-Spiel, kommt mit Run&Gun aber überhaupt nicht (mehr) zurecht.
Bei Bayern sah man, dass diese Mannschaft die nicht aus lauter Edeltechnikern bestand innerhalb kürzester Zeit durch intensives Training in der Lage war, surreal hohe Ballbesitzquoten zu erzielen, und z.B. Manchester wie eine Schülermannschaft aussehen zu lassen die bei den Männern der ersten Mannschaft hinter dem Ball herrennen. Es gab zwei Edeldribbler in Robbery, die sich aber gegen tief stehende mit Mann und Maus verteidigende Mannschaften schwer taten und fest rannten, weil es diesen Superanspieler Iniesta nicht gab. Man konnte auch keinen kaufen, weil es davon nur eine Hand voll gibt, oder weniger. Thiago konnte das zum Beispiel nie erfüllen, der hat nie den Ball am Strafraum gehalten und dann genial durchgesteckt, was Pep gehofft hatte. Deshalb ist man immer durch die Liga spaziert, und gegen konterstarke, stark verteidigende Mannschaften biss man sich die Zähne aus.
Klopps Spiel hat diese Schwäche nicht. Der kann mit seinem System das auf anderen Qualitäten aufbaut variabel agieren, und das Glück zwingen. Es ist schwer das genau zu beschreiben, aber im CL-Finale 2013 konnte man es durchaus erkennen. Der Bayern-Sieg war da durchaus glücklich, und das Resultat von Kampf und genialen Einzelkönnern. Aber zu konstruieren dass Pep sich einfach nur die 11 besten Spieler kaufen lässt ist Bullsh*t hoch Drei.
Der ganze Rest ist genauso falsch.
Auch in Barcelona hatte Pep nicht immer nur Edeltechniker im Team. Keita war der Spieler mit den meisten Einsätzen in dieser Zeit. Iniesta spielte häufig auf dem linken Flügel und war zu keinem Zeitpunkt der entscheidende "Superanspieler". Wie kommt man auf sowas?
Wenn man überhaupt jemanden für diese Rolle rauspicken will, waren das Xavi oder Messi. Iniestas Bedeutung und Rolle im Team wird sowieso ständig verklärt weil sich die Leute an einzelne Highlight Dribblings oder einzelne extrem wichtige Tore (WM Finale, Chelsea) erinnern. Iniesta ist ein Zauberer mit dem Ball am Fuß aber Xavi war der wichtigere, bessere, konstantere und offensiv gefährlichere Spieler.
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Diskussionen über Trainer sind immer schwierig weil man als Außenstehender nicht viele Einblicke hat. Zudem muss man bei der Bewertung zwischen Leistung und Erfolgen trennen können. Dazu wird noch alles mit Transfer und Kaderentscheidungen vermischt.
Aber man sollte zumindest bei den grundsätzlichen Fragen einigermaßen informiert sein. Was hier teilweise im Thread steht oder was Kalle zu Peps Barca Jahren geschrieben hat ist wirklich nur wilde Fantasie.
Mal ne Frage zum taktischen, da ich Liverpool nicht verfolgt habe:
Beim BvB sah es am Ende ja ein wenig so aus als würde sein Spielstil ein wenig an seine Grenzen kommen, da das Pressing und umschalten gegen offensiven ballbesitzfußball gut funktionierte, aber gegen teams die den Bus parkten nicht immer so klappte. Das lag auch am Verlust von lewandowski, aber vielleicht auch ein wenig am Stil.
Kommt er damit inzwischen in Liverpool besser klar? Wie spielt Liverpool wenn der bus geparkt wird und hat kloppo sich da weiterentwickelt? Oder wird das mehr mit individueller Klasse gelöst?
Ich finde deine Analyse richtig. Wobei jeder Trainer (nicht nur Klopp) beim Bespielen von destruktiven und mauernden Teams auf die individuelle Qualität der Offensivspieler angewiesen ist. Ich denke aber, dass Guardiolas Mannschaften hier einen kleinen Vorteil gegenüber "pragmatischen" Teams haben:
Peps Mannschaften wollen immer (!) Ballkontrolle und den Gegner tief in der eigenen Hälfte einschnüren. Ballgewinne nach Pressing werden nicht immer zum vertikalen Umschalten genutzt sondern es folgt auch häufig der Rückpass zur Beruhigung des Spiels. Grundsätzlich ist der Gegner dabei egal. So spielt man gegen Burnley und man versucht das auch gegen Real Madrid oder gegen Liverpool. Die haben quasi nur einen Stil und praktizieren das rund um die Uhr bis zum Erbrechen.
Bei Klopp ist die Idealvorstellung, dass man nach dem Pressing/Ballgewinn sofort mit schnellem Umschaltspiel den Weg nach vorne sucht. Gegen andere Topteams mit ähnlicher individueller Qualität (City, Real Madrid etc) verzichtet man auch gerne auf größere Ballbesitzanteile und nutzt dafür pragmatisch die eigenen Stärken im Pressing und Konterspiel. Allerdings hast du natürlich in der Liga auch häufiger die Situation, dass schwächere Teams a la Burnley stur hinten drin stehen. Da ist man als Favorit einfach gezwungen tiefstehende Teams zu bespielen. Und da haben (hatten) Klopps Teams vielleicht einen Tick weniger "Routine" als Peps Mannschaften. Dafür sind Klopps Mannschaften pragmatischer in den Top Duellen.
Vereinfacht:
-Peps Stil sorgt für einen kleinen Bonus im Duell mit tiefstehenden und destruktiven Gegnern.
Das hilft vor allem beim Bespielen der schwächeren Teams in der Liga.
-Klopps Stil sorgt für einen kleinen Bonus im Duell mit "mitspielenden Teams".
Häufig sind das die anderen Topteams und das hilft somit eher bei den Aufeinandertreffen in den KO Runden
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In Klopps Anfangsphase bei Liverpool war das Bespielen der schwächeren Teams definitiv ein großes Problem. Man hatte überragende Bilanzen gegen die Top Clubs aber große Probleme beim Bespielen der Kellerkinder. Aber man muss sich ja nur die überragende Ausbeute der letzten beiden Jahre ansehen um zu erkennen, dass sich da vieles getan hat. Einerseits ist die Mannschaft ganz einfach individuell besser geworden und andererseits hat man sich natürlich auch mehr und mehr daran gewöhnt in der Favoritenrolle auf mauernde Mannschaften zu treffen. In den Auswärtsspielen war das manchmal auch diese Saison spielerisch sehr zäh. Aber man hat vorne einige Individualisten (Salah, Mane) und andererseits sorgt die starke Defensivarbeit dafür, dass man viel Druck nach vorne aufbauen kann. Man hat häufig noch mit einer Schlussoffensive ein Tor erzwungen. Nicht indem man (a la Pep) mit Geduld auf Lücken wartet sondern eher nach dem "Klopp Vollgas" Prinzip. Da segeln dann im Minutentakt die Flanken von Trent Alexander Arnold (der bricht alle Rekorde) in den 16er und wenn die Abwehr klärt, erobert Liverpool sofort wieder die Bälle zurück. Zudem sind auch Standards eine absolute Waffe geworden.