Das Argument bezüglich der Superstars (oder wenigstens des sehr guten Teams) an der Seite gilt insgesamt so ziemlich auch für alle anderen Kandidaten auf den Titel des GOAT:
- Russell: einige der Celtics wurden zwar nur durch die Meisterschaften Hall-of-Famer, aber Bill Sharman, Bob Cousy, Sam Jones und John Havlicek waren sehr gute Spieler.
- Chamberlain gewann erst 1967 mit Hal Greer und Billy Cunningham an seiner Seite, und danach schloss er sich den Lakers an, bei denen schon die Superstars Jerry West und Elgin Baylor spielten und die schon vor ihm meistens in den NBA Finals standen.
- Kareem Abdul-Jabbar gewann einen Titel mit den Bucks, der ihm so ziemlich alleine (trotz Oscar Robertson) anzurechnen ist, war dann jahrelang unumstritten der beste Spieler der Liga, aber ohne ausreichende Hilfe bei den Lakers recht erfolglos, bis Magic Johnson dazustieß (und das Team war dann selbst in den Jahren, bevor auch noch Worthy dazukam, recht gut besetzt)
- Magic hatte vom Rookiejahr bis zum Retirement ein konkurrenzfähiges Team an seiner Seite, das auch ohne ihn mindestens für 45 Siege gut war.
- Bei Bird ist es ähnlich, spätestens bei den Titels zwei und drei hatte er unglaublich viel Hilfe an seiner Seite: Den berühmten Frontcourt mit Parish und McHale, dazu den oft etwas unterbewerteten Backcourt mit Johnson und Ainge, und das '86er Team war mit Sicherheit eins der besten aller Zeiten.
- Jordan bekam nach einigen Jahren das perfekt auf ihn zugeschnittene Team, mit sehr guten Sidekicks und optimalen Rollenspielern. Es mag kein legitimer Franchise Player darunter gewesen sein, aber die Abstimmung machte dies hier mehr als wett. Hier sollte man nie vergessen: Das Bulls-Team von 1994 war fast das gleiche wie das von 1993, nur ohne Jordan und dafür mit Kukoc, und so immer noch gut für 55 Siege und das Erreichen der Conference Semi Finals, die sie denkbar knapp gegen die Knicks verloren.
- Shaq gewann ebenfalls erst mit einem Phil Jackson-Team und hatte bei seinen Titel 2-4 je mit Bryant bzw. später Wade einen der Superstars der Liga an seiner Seite.
Bei LeBron wird es natürlich eine Rolle spielen, ob er ebenso wie die hier genannten Spieler mehrere Titel als deutlich erkennbar wichtigster Spieler seines Teams gewinnt - schafft er mit ihnen keinen Titel, hat er sich sowieso aus jedem Rennen verabschiedet, und macht ihm Wade hier zu große Konkurrenz, wird er sich auch nicht in die Reihe der oben genannten Spieler stellen können, aber mir missfällt das Totschlagargument, dass er jetzt den anderen zwei Superstars nachgelaufen sei:
Bosh hat in seiner Karriere noch gar nichts gewonnen und hat nicht beweisen können, dass er sein Team überhaupt auf 50 Siege pushen kann - egal wie mies die Raptors teils auch zusammengestellt gewesen waren, so kann er schlichtweg kein Franchise Player sein, wenn ihm das nie gelang. Bei Wade sieht dies auch nicht so viel besser aus, wenn er auch die Entschuldigung hat, dass er zwei Jahre lang häufig verletzt war und die letzten beiden Jahre ebenfalls nicht viel Hilfe hatte (im Nachhinein wirkt es jetzt schon so, als hätten sich die Heat schon seitdem langsam auf den Sommer 2010 ausgerichtet und nicht alles unternommen, vorher ein konkurrenzfähiges Team zusammenzustellen).
Worauf ich also hinaus will: Wenn ein Spieler keine Titel gewinnt, hat es meistens eher damit zu tun, dass das Team um ihn herum nicht gut genug ist. Diese Ausrede wird jetzt nicht mehr gelten. Aber es qualifiziert den Spieler nicht herab, dass er sich diese Hilfe suchte. Nein, er ging jetzt auf Nummer Sicher, bevor er noch jahrelang weiterspielt und diese Hilfe nie bekommt. Ich empfinde es als anmaßend, wenn man von ihm erwartet, in seiner Position auszuharren und letztlich wie Garnett bis zu dessen Wechsel nach Boston mit leeren Händen dazustehen, und im Vergleich dann immer zu erwähnen, dass andere Spieler bei ihren Teams geblieben seien. Auf Chamberlain und Shaq trifft dies schonmal eh nicht zu, denn sie harrten nicht bei ihren Teams aus, sondern wechselten (beide sogar mehrfach). Russell, Bird und Magic (und Duncan, wenn man ihn auch noch in die Reihe stellen will) hatten keinerlei Anlass dazu, denn sie hatten von Anfang an gute Teams um sich herum, herausragende GMs und auch sonst wurde nach ihrer Pfeife getanzt (Magic mag nicht alleine dafür verantwortlich gewesen sein, dass Paul Westhead gefeuert und durch Pat Riley ersetzt wurde, aber er hat seinen Teil dazu beigetragen).
Die ganze Kritik baut sich letztlich nur auf dem Vergleich mit Jordan und Kobe auf, und dieser ist etwas unfair, denn LeBron hatte nunmal nicht deren Voraussetzungen. Glaubt jemand, dass die Cavs so gut wie Bryants Lakers 2000-2004 und 2008-2010 oder die Bulls von 1990-1998 waren? Oder dass in ihrer jetzigen Konstellation mit Williams, Jamison und alternden Ilgauskas und Shaq die Aussichten in absehbarer Zeit besser geworden wären?
Wie gesagt: Kritisiert LeBrons Show (ich finde sie selbst zum Kotzen), seine Sprüche und die Art, wie er letztlich die Cavs behandelt hat (dass er seinen Abschied aber nicht vorzeitig laut ankündigt, versteht sich aber doch auch von selbst, oder? Die Folgen kann sich jeder ausmalen, wenn der Franchise Player des Teams sagt, dass er in absehbarer Zeit abhauen wird), aber disqualifiziert hat er sich mit seinem "Anschluss" nicht. Er hat sich nur die ähnlichen Voraussetzungen jetzt selbst erzwungen, welche den meisten anderen Spielern von alleine in den Schoß gefallen waren.