Na dann, die neue Ärzte, einer muss es ja machen...
Nachdem der geschätzte austrische Kollege Max Power ja eher wenig angetan war und mir die Single samt EP auch nicht so richtig zusagte, war ich ein wenig ängstlich. Immerhin sind die Ärzte eine Legende im positivsten Sinn, es wäre schade, wenn sie keine lebende, sondern eine untote wären. Na dann. Trotzdem gekauft, kauf ich ja immer seit der Reunion und da es vermutlich eh das letzte Ärzte-Studioalbum zumindest für lange Zeit ist...was soll's?
Vorweg: ich finde es grandios, dass die Band zu jedem Song ein Video gemacht und in ihren youtube Kanal gestellt hat, das macht Kritiken ja auch viel nachhörbarer und man erkennt manchmal auch besser die Intention des Songs. Meist sind es zwei (ein Bandvideo und ein Animationsvideo, manchmal drei, wenn es als Single vorgesehen ist)
Auf geht's:
1.
Ist das noch Punkrock
Farinsong. Klassische Farin PopmeetsPunkrocklosgehnummer mit schöner Strophe und Bridge, Refrain etwas schwächer. Thematisch und musikalisch aber als Opener völliig ok 8/10.
2.
Bettmagnet
Bela. Typisch Bela im Sinne von "Friedenspanzer" oder "Leichenhalle"...oder seinen Solosachen. Aber nicht so lustig wie die genannten Beispiele, eben eher wie die Solosachen. Aber ganz ok 7/10
3.
Sohn der Leere
Rod. Soll wohl 90s Gothic sein. Ist aber Schei*e, richtiger Mistsong, den man so nicht veröffentlichen dürfte. Einen Pluspunkt für guten, curigen Bassound. Darum noch 3/10
4.
TCR
Farin. Klassiches Metalruff a la Revelations (Maiden), danach typisch Farin angepunkte Strophe. Synthiepopbridge, dann wieder Revelations...nett. Schöner Text und grandiose Schlussminute, die den kompletten Musikbetrieb mit all seinem "wir sind wie ... , bloß völlig eigenständig" sehr schön auf die Schippe nimmt. Ärzte, wie sie gehören 9/10.
5.
Das darfst du
Bela. Farins Gitarre im Video ist nicht schön. Das ist auch so ziemlich das Bemerkenswerteste an diesem Song, der nicht bervt, aber auch nicht kickt. Bisschen Düsterpoprock ohne Höhe- oder Tiefpunkte. 5/10
6.
Tamagotchi
Rod. Powerpop-60s-Melodie a la Fountains of Wayne oder Gigolo Aunts. Viele 7er und Dur-Moll-Fic*erei plus Moog-quietschesynthies (die nerven latent, gehen aber noch durch). Ich mag sowas gern, wird aber nicht jedem so gehen. Hübsche Akkordwechsel. 8/10
7.
M&F
Farin.Jetzt ist Dischko mit zugehörigen Streichern und Foxtrott-Refrain. Nette Persiflage auf ähnlich geartete Hits z.B. der Killers u.ä.. ...Oh, schöner Castagnetten-Baccara-Zwischenpart über Erasuremelodien. Die Gimmicks machen's rund und reissen es raus , so werden aus 6 am Ende sogar noch knapp 8/10
8.
Freundschaft ist Kunst
Bela. Distortionvocals mit Breitwandgitarren...naja. "Ich häng mit Künstlern ab, da weiss ich, was ich hab" ist aber ne nette Zeile. Belas Problem ist einfach, dass 1 Minute reinhören reicht, Zwischenparts etc kann er einfach nicht. So ist es eben immer etwas langweilig. 6/10
9.
Angekumpelt
Rod. Klassischer Popsong, schöne Harmonien, sehr schöne Strophenmelodie, wieder sehr 7er-orientiert und dadurch mit natürlichem 60s-good vibrations-Feeling. Superrunder Song, alles komplett richtig, sicher ne Single und ein sehr sehr schönes, sympathisches social network bashing. Bisher bester Song, bin ein bisschen verliebt. 10/10
10.
Waldspaziergang mi Folgen
Farin. Old school Indie rock a la Ocean colour scene, also mit R&B-Einflüssen im Sinne von Ten years after, Hendrix plus Motown beat, bisschen Cream ist auch drin. Sehr schön produziert (Gitarren- und Orgelsound), die Komposition kann nicht immer ganz mithalten. 7/10
11.
Fiasko
Farin. Cool, Strophe NDW a la Grobschnitt/Grauzone/frühe Ideal mit Phaserbass, dann in Bridge und Refrain gutes Geholze.Kurz und sehr geil. 10/10
12.
Mistsück
Bela. Alternative country mit Cure-Anleihen, sowas mögen sie ja immer mal ganz gerne. Bela hat bei sowas schon Charme, cooler Text. Komposition eher mäßig, aber der derbe Text und die überzeugende Interpration machen am Ende 7/10
13.
Das finde ich gut
Rod. Der Mann ist aber mächtig im 60er Modus. Am Ende eine lärmige Interpretation von Smokey Robinson u.ä.. Also fast schon eher späte 50er. Nicht so gut wie Rods Stücke davor auf diesem Album, aber auch hier zeiht sich, dass er in Sachen Harmonielehre einen Qualifikaionvorsprung gegenüber den anderen beiden hat, den diese ja auch stets betonen. Für Ärzte-heyheyhey-Punkrock-Grölfans und Anhänger der härteren Gangart ist das vielleicht nichts (Max Power neiigt nach meiner Erinnerung ja auch eher zu härteren Tönen), aber musikalisch ist es durchaus hochwertige, weil gut und sauber durchkomponierte Ware. 7/10
14.
Cpt Metal
Farin. Jau. NWOBHM mit zweistimigen Gitarren und Doublebass. Klassische Ärzte-Funnummer. " Sein Name ist Programmm, härter als Jean Claude van Damme, die ein Mann Metall-Armee". Geiles, klassisches Old-School-Arpeggiosolo mündet in Sabbath/Manowar und Obertonsologewitter im Doubletiming. So gehört Metal. 10/10
15.
Die hard
Rod. Duster-Alternative-Breitwandrock mit tiefer gestimmten Gitarren. Refrain dann poppiger. Ok 7/10
16.
Zeitverschwändung
Bela. Die erste Single. Ich finde sie so lala, nett produziert aber etwas öde. 7/10
Macht im Notenschnitt 7,44/10. Die Ärzte achten bei ihre vielleicht letztem album extrem auf gleichmässige Kompositionsverteilung, was der Platte nicht immer gut tut. 2-3 Highlights sind drauf, ein echter Ausfall. Das Songproblem liegt mMn im Gegensatz zu Max Powers keineswegs bei Rod, sondern eindeutig bei Bela, dessen Songs einfach zu eindimensional sind. Mit Sympathiebonus ist es eine knappe 8, da der eine Ausfall mehr nach unten zieht, als es der Gesamteindruck zulässt.
Für ein Abschlussalbum ist es mir aber nicht gut genug, im Ärzte-Katalog nach der Reunion rangiert es bestenfalls im Mittelfeld.
Btw: Obwohl im Schnitt Farins Songs natürlich seit jeher die besten Ärztestücke sind, bevorzuge ich das FURT keineswegs, weil Farin nach der ersten Platte leider dazu übergegangen ist, ausnahmslos jeden Song gleich zu intsrumentieren und zu produzieren, gerade beim letzten Album war das in jedem Song ab dem ersten Refrain ein einziges Gitarrenbreitwandgewitter mit Hochpegel und Supercompression auf allen Spuren.
Auf dem tollen ersten Album war das nicht so, bei den Ärzten ist das auch nicht so.Farin kann die Band vielleicht für Ärzte Fans oder Sympathisanten kompositorisch allein ersetzen (als Sänger eh), als Alleinproduzent aber ist er leider bislang eine echte Niete. Das letzte FURT-Studioalbum und auch die Liveplatte "klangen" in meinen Ohren wirklich mies, weil undifferenziert, ohne Transparenz und und nur auf Phon und Breitwand gemixt. Sowas mag ich nicht, weil es Musik jede Dynamik nimmt.