Mir ging es eben nicht darum, warum Roy dieses Jahr für manche ein MVP-Kandidat ist,
Für wen ist er denn Kandidat? Aus meiner Sicht würde er keine einzige Stimme erhalten.
sondern darum, ob er es nächstes Jahr bei gleicher Leistung und gleicher Teambilanz auch sein würde, wenn also einfach der Überraschungseffekt dieser Saison wegfällt. Genau das glaube ich nämlich nicht.
Er ist es in dieser Saison nicht und er wird es auch nächste Saison bei gleicher Leistung nicht sein.
Aber an dieser Fragestellung merkt man, wo Dein essentieller Denkfehler liegt. Du glaubst, dass zwischen der Leistung und dem Voting ein direkter linearer Zusammenhang bestehen muss. Wenn Leistung X in einem Jahr den MVP-Award einbringt, dann muss in der nächsten Saison für die gleiche Leistung X wiederum der MVP-Award folgen. Das ist aber nicht so, denn die Vergabe ist auch von den Begleitumständen abhängig. Gibt es beispielsweise (eine vereinfachte Darstellung) viele Teams, die im Bereich 55 Siege liegen und kein Team ragt heraus, dann wird wahrscheinlich der Spieler A, der die beste Leistung aus diesen Teams erbrachte, den Award erhalten. Bringt der Spieler A nun in der nächsten Saison die gleiche Leistung, sein Team gewinnt genauso viele Spiele, muss das aber noch lange nicht für den erneuten MVP-Titel reichen. Wenn ein anderer Spieler besser spielt oder ein Team deutlich mehr Siege einfährt, dann ist das, was A zeigte, nicht mehr genug.
Genau das zeigt sich bei Steve Nash. Er hat natürlich etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen, als er noch besser spielte und das neu für die Journalisten war, aber letztendlich wird er weniger stark in dieser Saison beachtet, weil es mit Garnett, James, C. Paul oder Bryant eben Kandidaten gibt, die die Bedingungen besser erfüllen als Nash. Das hat nichts mit der "neuen Story" zu tun, sondern mit der Leistung der Spieler und dem Teamerfolg, der sich daraus ergibt.
Nash erfüllt alle Kriterien wie eh und je, manche sogar besser als je zuvor. Dennoch hat er Mühe, bei der MVP-Prognose auch nur die Top-5 zu knacken. Dass er nicht der Top-Kandidat sein mag - akzeptiert, aber die völlige Stille um Nash in der MVP-Diskussion steht in keinem Verhältnis zu seinen Leistungen, den Leistungen seines Teams, seinem Wert für Phoenix oder den Faktoren, die ihm seine beiden MVP-Titel einbrachten.
Wie ich schon schrieb, Nash spielt schlechter (weniger Punkte, schlechter FG%, schlechteres A/TO), die Suns haben eine schlechtere Win%, Nash erfüllt die Bedingungen also nicht so gut, wie in den Jahren vorher. Aber auch hier gilt, dass man die Gesamtsituation (also die anderen Kandidaten) mit beachten muss. Das beste Team der Liga sind die Celtics, deshalb ist Garnett mit dabei, der beste Spieler ist LeBron James, Chris Paul sieht gar wie der bessere PG im direkten Vergleich mit Nash aus, und die Bilanz der Hornets ist fast gleich. Ich glaube nicht mal, dass Bryant gegen diese drei derzeit eine Chance hat.
Ich behaupte nachwievor, dass es diesen "novelty effect" bei der MVP-Wahl gibt:
Es gibt diesen Einfluss, das wollte ich nicht komplett negieren, aber er ist nicht der Hauptfaktor bei der Wahl des MVP. Er kann mitunter bei (angeblich) gleichwertigen Kandidaten den Ausschlag geben (Iverson 2001?), aber er wird aus einem Spieler, der nicht die entsprechende Leistung bringt, keinen MVP machen. Ein Beispiel wäre 2003/04 J. O'Neal. Die Pacers gewinnen die meisten Spiele, was keiner erwartete, und O'Neal gilt bei einigen als der wichtigste Spieler dabei. In dem Fall erhält er durch die "gute Geschichte" (vom verkannten Talent zum "Franchise-Spieler") sogar zwei 1st place votes, was aber nichts daran ändert, dass er keine Chance gegen Garnett hat. In dem Fall aber nicht, weil die Story um Garnett besser ist, sondern weil Garnett der deutlich bessere Spieler ist.
Ich will damit noch mal deutlich machen, dass ein Spieler, der eine gute Geschiche schreibt (extremes Beispiel Ronny Turiaf), nicht dadurch zum MVP-Kandidaten wird. Er wird Kandidat durch die Leistung, die sein Team maximal erfolgreich abschneiden lässt.
Sobald sich das neue Niveau dann aber etabliert und zur Gewohnheit wird, lässt auch das Interesse daran nach. Beispiel Phoenix: Als Charles Barkley 1992 zu den Suns kam und mit ihnen 62 Siege holte, wurde er prompt MVP. 1993/94, als Seattle plötzlich mit 63 Siegen die Schlagzeilen beherrschte, hatte Phoenix nur sechs Siege weniger als im Jahr zuvor, und Barkley blieb einer der besten Spieler der Liga (knapp 22 Punkte, elf Rebounds und fünf Assists pro Spiel), doch bei der MVP-Wahl wurde er weit abgeschlagen Zehnter, was in keinem Verhältnis zu seiner Leistung oder seinem Wert für das Team stand.
Und wieder ein Beispiel, wo Du gar nicht auf die Begleitumstände schaust. Die Suns haben 92/93 die beste Bilanz der Liga, somit wird ihr bester Spieler Charles Barkley automatisch zu einem der Hauptanwärter (siehe Beispiel J. O'Neal). Nun spielte Barkley mit 25.6/12.2/5.1 auch noch eine leistungstechnisch sehr gute Saison. Er wäre also auch bezüglich der Leistung einer der Kandidaten. Er wird also zu einem Top-Kandidaten, weil die Leistung stimmt und der Erfolg. In dem Fall kann man aufgrund der Verbesserung gegenüber der Vorsaison bei den Suns und bei Barkley nun sagen, dass die "gute Geschichte" gegenüber Olajuwon und Jordan den Ausschlag gab. Aber der Unterschied, wenn ich mal mein MVP-Ranking für das Jahr anschaue, ist auch marginal (Jordan hat 23.72, Olajuwon 23.15, Barkley 23.06, zum Vergleich James diese Saison mit 21.05).
In der Saison danach bringt Barkley 21.6/11.2/4.6 und die Suns gewinnen nur noch 56 Spiele. Zudem fällt er 17 Spiele aus. Was soll daran auch MVP-würdig sein? In meinem MVP-Ranking ist Barkley auf 9 mit 18.87, Olajuwon hat 23.42, außer Price und Payton schneiden alle anderen Spieler, die vor Barkley im Voting landen, bei mir besser ab als er.
Nicht das gute Abschneiden der Supersonics ist der Auslöser (weder Kemp noch Payton haben 1st place votes), sondern Barkleys schwächere Leistung und das schlechtere Abschneiden der Suns sind für die Nichtberücksichtigung Barkleys verantwortlich.
Worin die Gründe dafür tatsächlich lagen, glaube ich nun zur Genüge erklärt zu haben.
Offensichtlich habe ich diese widerlegt.