Mannomann, dieses Box-Wochenende bietet aus deutscher Sicht echt einiges. Arthur verliert in USA, und Sat1 setzt seinen ersten Boxabend seit Jahren in den Sand!
Dabei fing die Veranstaltung mit dem Kampf von Gamboa eigentlich sehr viel versprechend an: Barros ist ein unbequemer Gegner, der durchaus einige harte Hände im Ziel hatte und hier nicht unter dem Banner Laufkundschaft angetreten ist. Und Gamboa beginnt auch nicht wie so oft wie der viel zitierte Wirbelsturm, sondern lässt es vorsichtiger angehen und bietet dafür technisch feines Boxen über die volle Rundenzahl. Natürlich war das ganz einseitig, aber Barros hat tapfer dagegen gehalten und sich den Respekt wirklich verdient!
Leider war der Kampf von Gamboa der frühe Höhepunkt des Boxabends. Frei nach Lester Burnham: Von nun an geht’s nur noch bergab!
Alleine die Vorberichte und Interviews ließen schon Schlimmes erahnen:
Ich halte eigentlich nicht viel von Regina Halmich. Aber ihr Interview vor dem Kampf sprach Bände. Man hatte den Eindruck, dass sie genau weiß, dass dieses Ding hochgradig Gefahr läuft, nach hinten los zu gehen. Ich glaube, die Halmich hat gespürt, dass der Druck für Kretsche zu groß war und er hier böse abschmieren wird!
Ein Lob würde ich im Vorfeld noch an Oliver Welke geben, der ganz ordentliche Interviews mit Bayer und Sturm hinbekommen hat, freilich ohne dabei wirklich in die Tiefe zu gehen oder viel Neues rüber zu bringen. Aber Welke-Sturm/Bayer hat mir auf jeden Fall besser gefallen als die RTL-Experteninterviews mit einem unvorbereiteten Krasniqi. Dass Welke den Fight natürlich auch viel zu hoch aufgehängt hat, sehe ich ihm persönlich jetzt mal nach. Das war das Konzept der Sendung und des Kampfs. Ändert aber nichts daran, dass ein unglaubliches Getöse um einen eigentlich maximal drittklassigen Fight veranstaltet wurde – der Vergleich drängt sich auf, dass hier Currywurst wie Kaviar verkauft werden sollte!
Und dann ging’s los: Ich hab Kretschmann wirklich zwei Daumen und zwei dicke Zehen gedrückt, aber am Samstag hat mir Bakhtov von Anfang an besser gefallen. Das fing schon mit dem Walk-in an. Der der ach so böse Russe kommt lässig wie einst Vidoz gegen Hoffmann in den Ring getänzelt. Im Gegensatz dazu dann ein mal mehr das übliche Getrashe um Kretschmann mit einem kurzen Film á la Axel Schulz bei seinem Comeback und einer Einlaufmusik, die mir persönlich gar nicht zugesagt hat (okay, die blonde Sängerin war zumindest nicht ohne...!
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...und dann kommt Kretsche mit hängendem Kopf in den Ring gelaufen, pardon, geschwabbelt!
Spätestens jetzt musste eigentlich allen Beteiligten klar gewesen sein, dass Kretschmann in Schwierigkeiten steckt, bevor das ganze überhaupt richtig losgeht. Offenbar ging ein Großteil seiner Vorbereitungszeit auf den „wichtigsten Kampf seiner Karriere“ für die dämliche Doku drauf und nicht für ein ordentliches Training! Für mich war das das Schlimmste an der ganzen Veranstaltung und auch das Traurigste!
Zum Kampf: Jeder hat gesehen, wie Kretsche drauf war: verunsichert, ängstlich, gehemmt. Sein Jab kommt kaum, die wenigen Aktionen wirken überhastet. Kretsches „Glück“ ist, dass Bakhtov erst mal abwartet, was da kommt (im Nachhinein würde ich sagen, Bakhtov hatte die richtige Taktik, um Kretsche hier ganz langsam absaufen zu lassen). In den ersten Runden wirkt es so, als bekäme Kretsche das Ding in den Griff, ein paar schöne gerade Kombis, während Bakhtov bei seinen Überfällen ziemlich planlos auf die Deckung kloppt. So ab der dritten Runde zeigt Bakhtov aber schon, dass er hier noch was im Tank hat, während Kretsche nur versucht, sein Pensum runter zu spulen. Und dann..., tja,... Kretsche baut immer mehr ab, und bei Bakhtov reicht halbe Kraft voraus, um es beim Deutschen ein ums andere Mal scheppern zu lassen. Kretsche wirkt konditionell ausgelaugt, hat Jab-technisch inzwischen die Arbeit eingestellt, und die Hände wirken schwer,... Dann muss Kretsche nach einem Leberhaken zum ersten Mal runter, und die Nummer nimmt einmal mehr Schulz-Minto-Dimensionen an – schrecklich! Kretsche ist zu diesem Zeitpunkt schon total durch den Wind, sieht böse zerbeult aus und schleppt sich durch die nächsten Runden, während Bakhtov ganz cool sein Ding durchzieht. In der achten Runde mobilisiert Kretsche noch mal alle Kräfte, will den k.o. aber als der nicht kommt, kommt auch von Kretsche nichts mehr. Er steht nur noch vor Bakhtov rum, lässt sich in den Infight ziehen, und man sieht förmlich das „Reserve-Licht“ von Kretsches Akku rot aufflackern!
Wie Kretsche zu diesem Zeitpunkt nach Punkten noch in Führung gewesen sein soll, wissen wohl auch nur die höheren Mächte des Boxgeschäfts.
Zum Ende ist eigentlich schon fast alles gesagt worden. Kretsche ist fertig und dreht ab – zum dritten Mal eine Parallele zum Schulz-Comeback, mit dem einzigen Unterschied, dass Mühmert hier wirklich keine gute Figur abgibt. Auch wenn Bakhtov nach dem Stopp-Signal schlägt, so hat sich Kretsche doch schon zwei Mal klar abgedreht und damit den Fight aufgegeben. Ein kontroverses und echt übles Ende, das zum Charakter des Fights und dem Weg dahin passt!
Mein Fazit: Sicher hat Kretsche mental versagt und war Mühmert von der Rolle. Aber den größten Bärendienst hat Kretschmann meiner Meinung nach derjenige erwiesen, der ihn wochenlang durch diese ******-Doku gejagt hat (man konnte in jeder Minute sehen, dass das nicht Steffens Ding war!) und ihn dadurch offenbar von einem ernsthaften Training abgehalten hat!
Für mich wirkte das alles so, als hätte man Kretschmann für die Show geopfert!