Die Standardphrase "Calzaghe würde Topmann XYZ vorführen wie Lacy" ist halt auch Unsinn. Das impliziert ja, dass Lacy ein Topmann war, was wiederum völliger Quatsch ist. Tatsächlich hat Calzaghe in seiner Karriere keinen einzigen Topmann vorgeführt.
Die Realität sieht so aus:
- SD gegen Hopkins
- SD gegen Robin Reid
- 8:4/9:3 Arbeitssieg gegen Bika
- 8:4 gegen Kessler
- vorzeitiger Sieg gegen Woodhall in einem spannenden und lange Zeit ausgeglichenen Kampf
- hart umkämpfter Punktsieg gegen einen past-prime Eubank (trotzdem eine tolle Leistung vom damals grünen Calzgahe)
Der Kampf gegen Kessler war ein spannendes 8:4 auf hohem Niveau. Wobei man Kessler die fehlende Ringpraxis (er konnte aufgrund einer Verletzung nur 50 Sparringsrunden absolvieren) ansehen konnte. Dem Rückkampf ging Calzaghe dann genauso aus dem Weg wie bei Reid oder später Hopkins. Auch wenn er zumindest die Kämpfe gegen Hopkins und Kessler IMO verdient gewonnen hat, gab es hier durchaus Interesse an Neuauflagen (auf Seiten der Fans und Medien).
Der Sieg gegen Hopkins war zu erwarten. Hopkins war 43 Jahre alt und immer noch ein verdammt unangenehmer Gegner für wahrscheinlich jeden Boxer zwischen 160 und 175 Pfund. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Hopkins kurz davor zwei Mal gegen Taylor (1x kontrovers und 1x gerechtfertigt) verloren und nur hauchdünn gegen Mittelgewichtler Wright im Halbschwergewicht (!) gewonnen hat. Dass Calzaghe den steinalten Hopkins zumindest über die Workrate und den Handspeed packt, war ja fast jedem klar. Letztlich war es ein langweiliger Pflichtsieg.
Woodhall (Beyer hat ihn in etwa genauso eindrucksvoll besiegt) und Bika sehe ich fast auf einem Level. Reid ist sicher schlechter.
Froch hat mit Taylor, Dirrell, Pascal, Abraham, Bute, Kessler, Groves und Johnson einfach viel speziellere Typen geboxt. Ich sehe auch nicht warum Frochs Sieg gegen Bute weniger wert sein soll, als Calzaghes Sieg gegen Kessler. Wen hat Kessler bis dahin groß geschlagen? Mundine und den psychisch labilen Beyer. Bute hat vor Froch sechs seiner letzten sieben Gegner brutal KO geschlagen. Ward ging ihm aus dem Weg. Dann hat ihn Froch zerstört und plötzlich ist er ein Bum. Einfach lächerlich. Für Abraham gilt im Grunde das Gleiche. Der war nach dem KO-Sieg gegen Taylor der Favorit auf den Turniersieg beim Super Six (zumindest bei den Buchmachern). Leute wie Roach oder Hopkins hatten ihn auf #5 in ihrer P4P-Liste. Die DQ-Niederlage gegen Dirrell schadete Abrahams Image, aber nicht seiner Reputation als Puncher. Vor dem Kampf gegen Froch sprachen alle von einem FOTY. Dann führt ihn die Cobra am Nasenring 12 Runden lang durch die Manege. Nach dem Kampf: Abraham war schon immer ein Bum.
Groves wird nach dem ersten Kampf gegen Froch auch in höchste Sphären gelobt. Es gibt sogar Leute die ihn gegen Ward favorisieren. Im zweiten Kampf macht Froch den Marquez und es heißt: Froch hat den Kampf nicht gewonnen, Groves hat ihn verloren - abgesehen davon ist er schlechter als Robin Reid oder Jeff Lacy. Und täglich grüßt das Murmeltier...
Die Geschichte um den halbblinden Kessler setzt der ganzen Legendenbildung natürlich die Krone auf. Gegen Calzaghe war Kessler (trotz Auswärtsspiel und mieser Vorbereitung) auf seinem Peak, aber unmittelbar vor dem Ward-Kampf dann über den Berg. Natürlich genauso wie in den beiden Kämpfen gegen Froch. Indes war Hopkins gegen Calzaghe natürlich auf der Spitze seines Schaffens - sein career-defining victory gegen Trinidad lag ja auch erst 8 Jahre zurück...