Wenn man seine Boxer so anschaut, gewinnen sie insbesondere wegen ihrer guten Psyche. Fury war ja total durch und dann beim Comeback psychisch stark wie nie. Josh Taylor sah gegen Catterall nicht gut aus, hat es aber hinten durch seinen Willen rausgerissen. Wood ist durch diesen Willen Weltmeister geworden und hat den Titel verteidigt. Das zieht sich bei ihm schon wie ein roter Faden durch seine Boxer. Das finde ich extrem auffällig. Gute Mentalcoaches sind viel wert. Physische Kondition können viele trainieren, Technik kann man lernen, aber wie Ben Davison diese abartige Willenskraft in seinen Boxern weckt, ist schon ein Mysterium.
In Deutschland hatten wir ja Ulli Wegner, der von den Boxfans ja immer viel kritisiert wurde, aber auch wenn er vielleicht nicht der beste Boxtrainer war, hat er seine Leute absolut mental gepusht. Huck ist nach seinem Weggang komplett eingebrochen und ich denke, Helenius hätte mit Wegner Weltmeister werden können.
Wer selbst schon einmal einen guten Mentalcoach hatte, wird es sicherlich verstehen. Da kann ich aus Erfahrung sprechen. Als ich 13 war und Handball gespielt habe, zog ein ehemaliger Spieler aus der ersten Bundesliga zu uns in die Provinz und wurde bei uns ehrenamtlich Trainer. Davor hatten wir ein Pädagogen als Trainer, der hauptsächlich darauf geachtet hat, das alle gleich viel Spielanteil bekommen und alle Freunde waren. Das Resultat waren Saisons ohne einen einzigen Sieg und ohne Teamgeist. Dann kam der Bundesligaspieler zu uns, hat uns wie ein Bundesliga-Team behandelt und uns in einer Saison vom letzten Platz ohne Sieg zum Ligagewinn geführt, mit hartem Training, aber auch mit einem ganz neuen Mindset, was zum Schluss dazu geführt hat, dass größere Teams in höheren Ligen Spieler von uns abgeworben haben. Die gleichen Spieler, die noch kurz davor die schlechtesten der Liga waren.
Ich war körperlich und vielleicht auch mental damals nicht wirklich in der Lage mich ins erste Team zu spielen, aber von diesen zwei Jahren profitiere ich noch heute in allen Lebensbereichen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der Trainer mich nach dem Training dafür kritisiert hat, dass ich mich bei unseren Spielen nicht auf die Tribüne gesetzt hatte, weil ich nicht im Kader war. Mein Argument war, dass ich ja eh nie spielen würde, weil ich körperlich nicht mit den anderen mithalten konnte.
Seine Antwort war in etwa: "Woher weißt du das? Du weißt nie, wann deine Zeit kommt und ist die Chance noch so klein. Du musst da sein, wenn diese Chance kommt. Dich hinter körperlichen Voraussetzungen zu verstecken, ist feige. Und du darfst nicht glauben, dass dich das Team nicht braucht. Wenn du nicht auf der Tribüne sitzt, schwächst du das Team. Das erste Team ist nur so stark, wie das schwächste Glied in der Kette. Das erste Team ist nur so stark, weil es Leute auf der Bank gibt, die alles geben, um ins erste Team zu kommen und die Leute auf der Bank sind nur so stark, weil es Leute auf der Tribüne gibt, die alles machen, um auf die Bank zu kommen und trotzdem sind wir ein Team und kämpfen alle für das gleiche Ziel. Wenn du nicht auf der Tribüne sitzt, schwächst du das Team und nimmst dir selbst die Chance, über dich hinauszuwachsen. Das Team braucht dich! Wenn du nicht bereit bist, dieses Opfer zu bringen, brauchst du auch nicht mehr zum Training zu kommen.
Resultat: Ich bin nicht mehr zum Training gegangen.
Aber so viele Jahre später fühle ich mich ein bisschen so wie Helenius, der anscheinend in seinen späten Jahren gemerkt hat, dass mein seine Chancen doch nutzen kann. Auch wenn ich das Training nicht mehr sportlich nutze, haben mir diese zwei Jahre als Teenager bildungstechnisch, beruflich und sozial im Rückblick sehr viel gebracht und jedes Mal, wenn ich Leute wie letztes Wochenende Wood, oder letztes Jahr Wilder und Fury sehe, werde ich wieder daran erinnert, dass man über sich hinauswachsen kann.
Darin, diesen Glauben an sich selbst zu verankern, ist Ben Davison erkennbar exzellent und daher so oder so ein Top-Trainer.