Original geschrieben von timeout4u
Aber Lewis selbst kann sich nicht mehr verbessern? Er kommt nicht darauf, dass er Vitalis Führhand mit der Linken nach unten schiebt und dann die Rechte reinhauen könnte? Oder er geht mit dem Jab zum Körper und riskanterweise links herum, um dann mit der Rechten hochzuziehen. Es gibt auch für Lewis Möglichkeiten, Vitali aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit der Umsetzung ist es dann so eine andere Sache. Außerdem: Während des Kampfes sind solche Tipps schnell vergessen. Auch intelligente Schachspieler können sich nicht sämtliche Boxzüge merken, geschweige denn 100%ig antrainieren. Vitali hat genug Schwächen, Lewis auch. Nur ausnützen, dass ist die große Kunst. Da helfen leider Tipps, wie Vorderbein entlasten wirklich nicht mehr viel. Lewis ist alt und satt und Klitschko schaffte es dennoch nicht ihn gänzlich auszuschalten. Ich habe vor Lewis Leistung mehr Respekt als vor Vitalis, der aber in meinen Augen auch ein guter Boxer ist. Jedoch boxerisch überhaupt nicht an Lewis herankommt. Zum Glück für Klitschko hat Lennox aber schon einige Jährchen mehr auf den Buckel. Bei einem Rematch braucht Klitschko eigentlich nur seine jüngeren Jahre, sein Herz, seine Kraft und Kondition in den Kampf zu werfen und Lewis sozusagen mit der Brechstange auseinander nehmen. Mehr braucht es wirklich nicht mehr. Auf einem anderen Blatt steht allerdings, wie Lewis sich auf ein Rematch vorbereiten würde.
Übrigens: Nicht jeder Boxer interessiert sich für das Videostudium seines Gegners und ich glaube auch nicht, dass sich Lewis noch allzuviel sagen lässt. Aber ich glaube, dass Lewis genug Boxwissen und aus diesem Fight seine Lehren gezogen hat.
@ timeout4you:
Ein wirklich erstklassiges und fundiertes Posting, daß nicht nur theoretisches Pauken von Endlos-Videos herunterbetet, sondern auch sehr viel praktische Erfahrung und Wissen beweist!!
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Es ist in der Tat so, daß sich diverse Verbesserungsvorschläge einfach locker in den Raum werfen lassen, so wie der Rechtshaken das tut.
Ich denke, daß kaum einer hier im Forum sowohl Vitali als auch den Fritze Sdunek für so verbohrt und dämlich hält, als das sie nicht in der Lage wären, gewisse Schwächen im Kampfaufbau von Vitali zu erkennen. Glaubt ihr in der Tat, daß jene Schwächen bei den diversen Kampfanalysen nicht zur Sprache kämen und glaubt ihr wirklich, daß nicht versucht würde, im Nachhinein des letzten Kampfes und im Vorfeld des nächsten Kampfes an diesen Schwächen zu arbeiten????
Aber - und da greift timeouts Posting so wunderbar - glaubt ihr denn auch, daß sich jene erkannten Schwächen innerhalb einer kurzen Frist verglichen zu einer gesamten Boxkarriere eines Fighters so einfach "wegerkennen" und durch zielgerichtetes Training einfach ausmerzen lassen????
Ein vielleicht etwas blödes Beispiel, weil man beide Sportarten normal überhaupt nicht vergleichen kann:
Ich habe -bevor ich mit dem Boxen anfing- Tischtennis gespielt. Mein erster Klub war ein regelrechter "Hobbyklub", also nix mit kompetenten Trainer oder sowas in der Richtung.
In der Zeit habe ich mir eine etwas nach innen gekippte Schlägerhaltung angewöhnt, weil ich dadurch sowohl den Vorhand-Topspin als auch Schmetter- und Treibschläge mit der Vorhand sehr gut und sehr hart platzieren konnte. Die Folge war jedoch, dass mein Schlägerblatt bei offensiven Rückhandschlägen immer ein wenig zu weit offen war. Dies kann man kompensieren durch eine etwas weiter nach außen gerichtete Handgelenkbewegung bei der Schlagausführung, aber diese ist unnatürlich, weil sie eine Bewegung voraussetzt, die im alltäglichen Leben so gut wie gar nicht benutzt wird.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mit Tischtennis aufgehört und mit Boxen (und ein bißchen Karate) angefangen. Dies ging solange, bis ich mich dazu entschloß, meine Tätigkeiten auf eine mehr ins Private zielende Tätigkeit zu verlagern, sprich Frauchen, kleiner Sohn, Familie.
Da ich aber ganz ohne Sport nicht kann, habe ich mich wieder auf meine Tischtennisvergangenheit besonnen. Ich begann im neuen Klub mit meiner oben beschriebenen Schlägerhaltung, aber dort gab es einen echten Trainer und der spuckte mit dabei in die Suppe und trietzte mich ständig: "Bismarck, halt den Schläger richtig!!!"
Das ging solange, bis ich im Training auch mit der gewünschten Schlägerhaltung arbeitete, aber ich fühlte mich wegen der jahrelangen Gewohnheit nicht sicher damit, denn damit wurden auch meine besten Waffen entschärft.
Und immer, wenn ich mit korrekter Schlägerhaltung began und mir die ersten beiden Bälle über die Platte rutschten, dann habe ich unwillkürlich wieder zur alten Haltung gegriffen, die das unterstützt, was ich am besten konnte. Zwar konnte ich auf diese Art nie einen Linkshänder, der mir die Vorhand cross auf die Rückhand schoß, ausblocken oder kontern, aber die Rechtshänder habe ich oft genug deftig von der Platte geschossen.
Wie gesagt, ein dusseliges Beispiel, aber ich wollte damit sagen, daß manche noch so gutes Erkenntnis in der Praxis nicht funktionieren muss, auch wenn man einen Trainer hat, der es einem noch so oft predigt.
Deshalb ist es leicht gesagt, "Vitali muss im Rückkampf...." oder "Vitali sollte....." oder "Vitali braucht doch nur....."
Es gibt Dinge, die gehen ab einem gewissen Punkt wider besseren Wissen in der Praxis einfach nicht mehr.