Hallo Leute,
habe den Kampf natürlich auch gesehen.
Wegen RTL gewohnheitsgemäß erst beim Einmarsch eingeschaltet, das war aber immer noch zu früh.
Ich glaube auch, diese Bergmann-Promo-Nummer geht wohl inzwischen keinem mehr auf die Nerven, als den Leuten im Pott, die ich sehr schätze. Das Revier hat soviel mehr zu bieten, aber das gehört ja hier jetzt nicht hin (Klitschko-Promo als Freund der Künste im Musiktheater Gelsenkirchen oder so -sophisticated Gentlemen Style -wär' doch auch mal ne Idee gewesen;-)
Zwei Beobachtungen kurz vor'm Beginn: Klaupe schien sich mächtig aufzuregen, als der Ordner Ruslan mit etwas snobbistischer Geste gestoppt hat beim Einlauf.
Der Trompeter hat mit voll leid getan. Ich bin nicht ganz sicher, ob er immer wieder abgebrochen hat oder der Tonmann gepennt hat, naja, nicht so dramatisch, Kopf hoch, Trompetenmann!
A propos, es wurde ja auch gekämpft:
Ruslan will ich vorneweg mal guten Wettkampfgeist attestieren. Er war gut austrainiert, kann ordentlich was vertragen und hat defensiv über weite Strecken, mit seinen Meidbewegungen zumindest ernsthaft versucht, nicht wie so viele vor ihm zum reinen Jabfresser zu mutieren. Er hat sich nach den, ich nenne es mal unbeholfenen Auftritten gegen Skelton und Drummond ehrgeizig und in guter Verfassung präsentiert. Das davon am Ende kaum was -okay, wohl eher nichts- in Erinnerung bleiben wird, lag vor allen anderen Dingen am Gegner.
Kritisieren will ich an Ruslan einzig die mangelnde letzte Risikobereitschaft. Hierzu schrieb ein User treffend (in etwa): Gerade angesichts einer so aussichtslosen körperlichen Unterlegenheit musst du durchs Feuer gehen, um ranzukommen und deine Treffer zu landen. Ich hätte gleich zu Beginn da mehr Zug von Ruslan erwartet. Einfach mal überfallartig reinspringen und druff, so richtig ausgepackt hat er die Linke eigentlich nie (im Rahmen des offiziellen Kampfgeschehens). Wie Deslizer schrieb, irgendwann in Runde 7 oder so kam nochmal ein Versuch, einfach mal explosionsartig die Linke voll reinzuziehen, hätte man evtl. schon viel früher mal versuchen sollen (wenn man schon merkt, das die ursprüngliche Taktik nicht aufgeht).
Ein Satz in diesem Thread (weiß leider nicht mehr von wem er kam) deckt sich aber hier besonders mit meiner eigenen Ansicht: Echte Klasse sieht man immer. Bei Ruslan konnte man sie leider nicht erkennen. Ob er in der Verfassung von Samstag Valuev hätte schlagen können? Ich denke ja, aber eher weil Valuev so schrecklich schwach boxt.
Gegen Wladimir war es leider zuwenig. Aufgabe geht in Ordnung, Ruslan ist nach dem brutalen Knockdown in Runde 2 sofort wieder aufgestanden und wollte weiter einen guten Kampf liefern -als nach 9 Runden Einstecken klar war, das da nichts mehr geht, war die Aufgabe nachvollziehbar Vielleicht wird er sich das tatsächlich mal eines Tages vorwerfen, aber das ist seine Sache. Der Ringrichter hätte aber glaube ich, eh nicht mer lange weiterlaufen lassen. Es sah für mich jedenfalls so aus, als sei der Gong zur 10. Runde dem bereits in der Luft liegenden Abbruch nur um weniger Sekunden zuvorgekommen.
Zu Wladimir: Im Vergleich zu seinen letzten Fights konnte man sich das durchaus ganz gut anschauen was er da abgeliefert hat. Er hat schon früh mehrfach die Rechte rausgeholt und ist mit einem frühen Niederschlag belohnt worden. Er hat eine gute Workrate an den Tag gelegt und sich dann in den Runden 7 und 8 mal ne kleine Pause genommen, um -im vollen Bewusstsein seiner haushohen Punkteführung- wieder ein bisschen aufzutanken und nicht zu überpacen. Auch das zeigt, das Wladimir 2009 unter anderem einfach über eine ganz andere Ringintelligenz verfügt, als noch vor einigen Jahren.
Klitschko hat das schon toll runtergespult, sein Programm abgeliefert und dieses dabei durch etwas mehr Aktivität und Aktionen mit der Rechten auch attraktiver gestalten können, als zuletzt. Das hat voll und ganz für Chagaev gereicht. Ehrlich gesagt fand' ich es fast gemein, wie er den Ruslan mit dem Jab permanent frustriert und vom sich-Entfalten abgtehalten hat. Ich kann mir gut vorstellen, wie frustrierend es sein muss, gegen ihn zu kämpfen.
Aber was soll ein kleinerer Boxer, der eben nicht über die Geschwindigkeit und vernichtende Schlagkraft (zB Tyson), bzw. den unbrechbaren Willen und die nötigen Skills sowie sicher irgendwo auch den nötigen Einfallsreichtum (zB Holyfield) verfügt, schon machen wenn er Runde für Runde von einem Mann dieser Größe permanent mit einer so starken Linken beschäftigt wird? Permanent hast du den Handschuh vor Augen. Mal wischt er nur auf der Deckung rum, mal stochert er, plötzlich klatscht es dann richtig im Gesicht -und das hört nie auf, das Ding geht nie weg.
Dann springst du irgendwann vielleicht in reiner Verzweiflung auf ihn zu, willst einfach mal nen satten Frustschwinger abwerfen, damit der nervige Typ das endlich lässt -doch kaum öffnest du die Deckung, setzt es mit links und dann rechts zwei auf die Birne das die Zähne wackeln. Oder aber der Typ ist blöderweise und völlig unfair (warum bleibt der nicht mal stehen, damit ich auch mal treffen kann) schon ein, zwei Schritte zurückgegangen, es klatscht ein- bis zweimal mit ganz viel aua. Du orientierst dich, wo steht der Gegner, denkst dir verbissen "freie Sicht, jetzt bin ich dran!" -bis plötzlich der Handschuh wieder vor'm Gesicht erscheint und das Spiel von vorn losgeht. Die einzige Abwechslung ist, zwischendurch mal auf dem Hosenboden zu sitzen oder zu registrieren, das sich über dem Auge ein Cut aufgetan hat. Super!
Da kannst du dann versuchen, dem unsäglichen Handschuh zu entkommen, durch Meid- und Ausweichbewegungen kein festes Ziel zu bieten. Das ist bei Klitschkos Linker aber ein dermaßen aufwändiges Unterfangen (weil sie die ganze Zeit da ist), das man -obschon man bei akkurater Umsetzung eventuell die meisten Treffer vermeiden/blocken kann- gar nicht mehr dazu kommt, selbst irgendwas für die Offensive zu tun und folglich das Gefecht zwar weitestgehend unbeschadet übersteht, aber so ziemlich jede Runde klar verliert.
Versucht man es offensiver, ist man für Klitschko bei mangelndem Speed meist ein gefundenes Fressen, eigene Schläge landen häufig entweder auf der Deckung oder gehen daneben, woraufhin der große Mann gleich klammert und sich drauflehnt, was Kraft kostet und ebenfalls sehr frustriert. Ruslan mus sich echt richtig hilflos gefühlt haben.
Ich lege mich da fest: Gegen kleinere Gegner wird Wladimir nicht mehr verlieren. Gebe inzwischen auch Haye da keine Chance mehr. Den Wladimir von 2003-2005 hätte er -da bin ich ganz zuversichtlich und das Gegenteil kann mir eh keiner beweisen:clown:- aus dem Ring geprügelt, sollte er dieser Tage tatsächlich mal gegen ihn antreten, wird er verlieren.
Schade für Ruslan, der für mich irgendwo immer noch "best of the rest" ist (imo auf jeden Fall noch vor Valuev, Ruiz, Povetkin, etc.), aber einfach nicht die Mittel hatte, Wladimirs deutliche physische und taktische Überlegenheit zu irgendeinem Zeitpunkt zu brechen. Und von einem "Geheimschlag" hab' ich übrigens auch nichts gesehen.
Trotzdem hat Ruslan immerhin die sich ihm bietende Gelegenheit genutzt, gegen den besten anzutreten und zu kämpfen und nicht wie viele andere gekniffen (wie zB Povetkin, Valuev) -das Kämpferherz will ich ihm trotz der Aufgabe keinesfalls absprechen. Und nochmals: Mich hat teilweise echt beeindruckt, was er alles vertragen kann. Da hätte sich aber manch einer vor der fünften Runde schlafen gelegt.
Ich schließe daher mit einem Zitat von Groucho Marx: "Lieber auf dem Heuboden gewesen und den Hosenboden voll gekriegt, als nie auf dem Heuboden gewesen!"